Frank-Walter Steinmeier, geboren am 5. Januar 1956 in Detmold reist gerne. Seinen Weihnachtsurlaub verbringt er in Südtirol – gut erholt verrät sein Facebook-Status Ende Dezember 2016. Das ist gut so, denn aller Voraussicht nach wird er am 12. Februar 2017 von der Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt werden – derzeit ist er der einzige Kandidat. Bis dahin bemüht er sich offensichtlich in seinem derzeitigen Amt als deutscher Außenminister noch so viel Porzellan zu zerschlagen wie möglich.
Steinmeier hat eine typische Parteikarriere durchlaufen – unauffällig bis er das Amt des Außenministers am 17. Dezember 2013 zum zweiten Mal übernehmen konnte: Gymnasium, Bundeswehr, Jurastudium, fünf Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Gießen, wo er promovierte; danach Tätigkeit in der Niedersächsischen Staatskanzlei, ab 1998 im Bundeskanzleramt und 2005-2009 schließlich Bundesminister des Auswärtigen. Nach dem Ausscheiden aus der Regierung einfaches Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion bis zum zweiten Amtsantritt. Nach einem Plagiatsvorwurf wurden zwar „handwerkliche Fehler“ bei der Doktorarbeit attestiert, seinen Titel durfte er aber behalten.
Steinmeier hat eine klare Linie. Er ist Christ – evangelisch und in lutherischer Tradition verantwortlich für sein Tun und „eben auch für mein Nichttun“. Dass Nichttun die bessere Alternative gewesen wäre, hat er allerdings im letzten Jahr mit erstaunlich fehlendem Gespür für die politische Gemengelage wiederholt bewiesen. Wenn man von seiner komplizierten Haltung in der Frage des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan – Bundeswehreinsatz ja, aber nicht im Süden des Landes – und seiner fehlenden Distanz zu Menschrechte verletzenden Regimen einmal absieht, begann der gegenwärtige Tiefpunkt seiner diplomatischen Unerschrockenheit im August 2016, als er bei einem öffentlichen Auftritt in Rostock den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump als „ungeeignet“ erklärte und ihn einen Hassprediger nannte. Eine erstaunliche Unbedarftheit für einen Außenminister, einen möglichen künftigen Präsidenten eines befreundeten Landes derart ohne Not zu kritisieren. Wie formulierte er es doch so schön in einer Rede am 5. November 2016:
„Demut ist alles andere als Resignation. Die Komplexität unserer Welt bringt neben Ungewissheit auch Fülle und Vielfalt. Wenn wir diese Komplexität richtig verstehen, können wir sie auch prägen und verändern.
Demokratien brauchen aufgeklärte und streitbare Demokraten. Bildung, gerade auch politische Bildung ist die beste Versicherung gegen Manipulation und Manipulierbarkeit. Bildung braucht Angebote, sie braucht aber auch die Anstrengungsbereitschaft des Einzelnen. Es ist eine der Versuchungen des Internets, schwer zu erwerbenden Sachverstand durch ein rasches, radikales Urteil zu ersetzen. Aber politisches Urteil und geistige Anstrengung gehören in unserer komplizierten Welt notwendig zusammen.
Der Glaube an eine bessere Welt kann Berge versetzen, aber nur die Vernunft vermag uns vor gefährlichen Irrwegen bewahren. Wir brauchen Neugier, Zuversicht und Mut, und einen genauen, prüfenden Blick, der um die Kraft und den Nutzen der Vernunft weiß, um in der Überfülle und dem Unheil unserer Welt eine gerechtere, friedlichere Zukunft zu gestalten.“
Ja, das stimmt, soviel also dazu. Manchmal wäre es allerdings hilfreich sich an die eigene Nase zu fassen. Sicher ist Bildung die beste Versicherung gegen Manipulation und Manipulierbarkeit, leider hilft sie nur wenig, wenn man in Vorurteilen feststeckt. Das Unverständnis, mit der in Deutschland die Kandidatur Trumps verfolgt wurde und seine Dämonisierung spiegelt sich in den Äußerungen des Außenministers Steinmeier jedenfalls deutlich und so war es sichtlich ein Schock für ihn, dass er schließlich zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Steinmeier ließ sich dadurch wenigstens nicht beirren. Nachdem feststand, dass Trump gewählt war, gratulierte er nicht, sondern erklärte: „Das Ergebnis ist anders als die meisten in Deutschland sich das gewünscht haben.“ Politik ist eben nicht immer ein Wunschkonzert, und die Außenpolitik schon gar nicht. Sodann schlug Steinmeier am 9. November bereits für den kommenden Sonntag ein Sondertreffen der EU-Außenminister zu den Folgen der US-Präsidentschaftswahlen vor. Ein Vorgehen, das panisch wirkt und fast an eine Kriegserklärung erinnert.
Am 16. November erklärte Angela Merkel schließlich, Steinmeier sei „der richtige Kandidat in dieser Zeit“ – für das Amt des Bundespräsidenten. Hochloben ist in der Regel die Entsorgung von einem Posten, für den jemand untragbar wurde, wenn er eine gewisse Position erreicht hat. Bedauerlich, dass das höchste Amt in Deutschland nun unter dieser Art der Entsorgungspolitik zu leiden hat. Denn es steht zu befürchten, dass Walter Steinmeier sich auch nach seiner voraussichtlichen Wahl in bestimmten Angelegenheiten der Außenpolitik nicht zurückhalten wird und dabei vergisst, wer die deutschen Bündnispartner tatsächlich sind. Besonders betroffen davon ist auch Israel – ein Land, das vom Auswärtigen Amt seit Jahren regelmäßige Seitenhiebe erhält. Auf Nachfrage teilt Steinmeier am 25. November, als schwere Feuer in Israel wüten und Menschen obdachlos machen, auf seiner Facebook-Seite mit: „Wir stehen bereit, Hilfe zu leisten, wo immer geboten und gewünscht. Die breite Hilfsbereitschaft, die viele internationale Partner Israel entgegenbringen, sendet ein wichtiges Signal.“ Das lässt tief blicken, denn in diesem Fall war dann Hilfe wohl weder geboten noch gewünscht. Es hätte gutgetan, wenn das „wichtige Signal“ nicht von internationalen Partnern, sondern gerade auch von Deutschland ausgegangen wäre.
Eine weitere Entgleisung folgte am 23. Dezember 2016, kurz vor Weihnachten. Steinmeier ließ mitteilen: „Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York hat heute noch einmal mit einer Resolution zum israelischen Siedlungsbau bestätigt, was schon lange die Position der Bundesregierung ist: Siedlungsbau in den besetzten Gebieten behindert die Möglichkeit eines Friedensprozesses und gefährdet die Grundlagen der Zwei-Staaten-Lösung.
Ich bin der festen und tiefen Überzeugung, dass nur eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung dauerhaft Frieden bringen und dem legitimen Streben beider Parteien gerecht werden kann.“ Damit wiederholt Steinmeier unbelegte Propaganda und manifestiert die Festschreibung der Behinderung des Friedensprozesses im Nahen Osten zu Lasten Israels, des einzigen demokratischen Rechtsstaats in der Region, der sich immer wieder um Frieden mit seinen Nachbarn bemüht. Es ist bedauerlich, dass dies die Position der Bundesregierung ist, denn sie behindert durch fantasielose Einseitigkeit den Friedensprozess in erheblichem Maße.
Es ist daher davon auszugehen, dass weder die USA noch Israel von der Wahl des neuen deutschen Staatsoberhaupts begeistert sein werden. Steinmeier selbst betrachtet sich in seiner künftigen Rolle als „Mutmacher“ – was auch immer das heißen mag. Nach dem, was wir in der Vergangenheit von ihm gehört haben, verheißt es nichts Gutes, denn es hört sich nicht danach an, als ob er nach Ausgewogenheit strebt. Vielmehr wird er zumindest wohl auch in Zukunft auf Staatskosten reisen dürfen und Plattitüden zum Besten geben, die das deutsche Volk in seiner Mehrheit mit Wohlwollen aufnimmt. Dass demokratisches Porzellan zerschlagen und Werte verraten werden, muss dabei wohl oder übel in Kauf genommen werden. Zumindest winkt diesmal nach überstandener Amtszeit der verdiente Ruhestand und damit das Ende einer typisch deutschen Karriere.
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