Von einem Besserwisser, der es einem leicht macht, ihn zu widerlegen  

März 4, 2016 – 24 Adar I 5776
Jürgen Todenhöfer schreit!

Von Gerd Buurmann

Auf seiner Facebook-Seite fleht Jürgen Todenhöfer: „Bitte gehlt mit, diese 10 Ungerechtigkeiten jeden Tag in die Welt hinauszuschreien!“

Da helfe ich doch gerne. Ich werde jedoch ein paar Kommentare dazu flüstern. Meine Oma sagte nämlich immer: „Wer schreit, hat Unrecht!“

Dann brüll mal los, Jürgen!

„1. Die westliche Welt trauert um die 2 Terroropfer Kopenhagens. Ich auch. Aber wer trauert bei uns um die 3 ermordeten jungen Muslime im amerikanischen Chapel Hill? Oder die 5 im Januar in den Trümmern von Gaza erfrorenen Babies? Oder die fast täglichen zivilen Drohnenopfer? Ist muslimisches Blut soviel billiger?”

Und wer trauert um die vielen unbekannten Menschen, die täglich im Alltag der Scharia hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind oder sich vom Islam losgesagt haben? Es ist unmöglich, um alle Menschen zu trauern. Jeder trauert, so viel er kann!

Trauern ist eine sehr persönliche Sache. Ich trauere mehr um Menschen, die mir verbunden sind. Das ist menschlich und natürlich. Ich habe einige Zeit in den USA und auch in New York gelebt, deshalb haben mich die Anschläge vom 11. September 2001 besonders berührt. New York ist die multikulturellste, weltoffenste Stadt der Welt. Fast jeder Mensch hat eine persönliche Beziehung zu New York. Darum war damals die Anteilnahme so groß.

Ich bin Künstler. Wenn Künstler aufgrund ihrer Kunst ermordet werden, berührt mich das besonders, mögen es nun Karikaturisten, Schriftsteller oder Regisseure sein. Es ist pervers, einem Menschen in Trauer vorzuwerfen, nicht auch um andere Menschen zu trauern. Es ist so, wie einer Tochter, die gerade ihre Mutter verloren hat, vorzuhalten, sie solle nicht die anderen Töchter vergessen, es seien schließlich auch viele andere Mütter am gleichen Tag gestorben!

„2. Wenn Pegida nicht die ‚Befreiung‘ Europas vom Islam, sondern vom Judentum fordern würde, wären diese Rassisten längst verboten. Zu Recht! Jeder Rassismus ist erbärmlich! Der gegen Juden, aber auch der gegen Muslime. Zur Zeit überwiegt der Rassismus gegen Muslime. Pro Jahr werden in Deutschland über 30 Moscheen angegriffen.“

Sag mal Jürgen, liest Du auch noch Zeitungen oder nur noch Deine eigene Facebook-Seite? Wenn PEGIDA nicht die „Befreiung“ Europas vom Islam, sondern vom Judentum fordern würde, wären diese Rassisten längst verboten? Wo warst Du eigentlich im Sommer 2014?

Im Sommer 2014 fanden eine Menge Demonstrationen in Deutschland statt. Es wurde zur Vergasung der „feigen jüdischen Schweine“ aufgerufen und nach Adolf Hitler gerufen. Judenhasser marschierten in Frankfurt, Berlin, Hamburg, Gelsenkirchen und vielen Städten mehr. Man kann sie „PIGJUD“ nennen: Patriotische Islamisten gegen Juden in Deutschland.

In Essen kam unter Fahnen und Plakaten ein Mob zusammen, der auf dem Willy-Brandt-Platz „Scheiß Juden!“ und „Scheiß Jude, brenn!“ skandierte. Es wurden Hakenkreuze im Davidstern gezeigt.

Auf einem anderen Plakat stand: „Früher angeblich Opfer“. Die Betonung liegt auf „angeblich“! Es wurde der Holocaust geleugnet!

Einige brüllten sogar den Namen „Adolf Hitler“. Die Polizei in Essen stufte diese Demonstration später als „friedlich“ ein.

Es war Sommer in Deutschland und PIGJUD marschierte. Gegen PIGJUD gingen aber nicht Tausende auf die Straßen wie gegen PEGIDA, sondern nur ein paar Hundert. In Hagen und Frankfurt verlieh die Polizei sogar Megaphone und ein Polizeiauto, damit Muslime ihren Hass über die Straße brüllen konnten, mit der Begründung, es wirke deeskalierend, wenn man ihnen die Möglichkeit der Abreaktion gäbe.

Im Februar 2015 verurteilte das Amtsgericht in Wuppertal nach einem Brandanschlag auf die dortige Synagoge zwei Palästinenser zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung. Ein weiterer 18-Jähriger Täter wurde nach Jugendstrafrecht zu einer Bewährungsstrafe ohne konkretes Strafmaß verurteilt. Alle drei müssen zudem 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Das niedrige Strafmaß begründet das Gericht mit der Feststellung, dass es keine Anhaltspunkte für eine antisemitische Tat gäbe.

Die Palästinenser hatten gestanden, im Sommer 2014 Brandsätze auf die Synagoge geschleudert zu haben, erklärten aber, dass sie damit die Aufmerksamkeit auf den Gaza-Konflikt lenken wollten.

So ist das Jürgen, wenn ein Anschlag auf eine jüdische Einrichtung in Deutschland verübt wird, weil jemandem die Politik Israels nicht gefällt, dann kann das Amtsgericht in Wuppertal keinen Antisemitismus feststellen! Wenn das PEGIDA erfährt, haben die Moscheen in Deutschland aber ein ganz großes Problem. Von nun an kann jeder Hooligan Brandanschläge auf Moscheen mit der Begründung verüben, die Politik im Iran gefalle ihm nicht. Anhaltspunkte für eine muslimfeindliche Tat wird das Amtsgericht in Wuppertal jedenfalls nicht feststellen können!

„3. Seit 1990 wurden in Deutschland 29 Muslime von Rechtsradikalen ermordet. NSU, Mölln, Solingen usw. Aber kein einziger Deutscher wurde in Deutschland von muslimischen Terroristen getötet. Keiner! Wir müssen diese Terrorhysterie und doppelte Moral stoppen.“

Für mich ist ein muslimischer Terrorist jeder, der im Namen des Islams mordet. Jeder sogenannte „Ehrenmörder“ ist somit ein Terrorist! Seit 1990 wurden keine Frauen und Männer ermordet, nur weil den muslimischen Familien ihre Lebensstile nicht gefielen? Oder willst Du etwa sagen, die Frauen, die im Namen der islamistischen „Ehre“ auf deutschem Boden ermordet wurden, seien alle keine Deutschen gewesen? Sind muslimische Frauen etwa keine Deutsche?

„4. Unsere Irrsinnskriege in Afghanistan, Irak, Libyen mit hunderttausenden toten Zivilisten haben den Terrorismus herangezüchtet. Er ist die (falsche) Antwort auf unsere Aggressivität. Terrorismus ist der Krieg der Armen, Krieg der Terrorismus der Reichen. Krieg führt zu Terrorismus, Terrorismus zu Krieg. An diesem mörderischen Kreislauf verdienen einige ‚bombastisch‘. Amerikanische, aber auch deutsche Rüstungsfirmen.“

Was meinst Du denn mit „unsere Kriege“, Jürgen? Willst Du etwa sagen, bevor die westlichen Nationen auftauchten, herrschte in Afghanistan, Irak und Libyen Frieden? Nein! Der Krieg wütete dort bereits. Die westlichen Nationen entschieden nur, in welcher Art und Weise sie sich zu dem Krieg verhalten wollten, ob nun aktiv oder passiv.

Terrorismus ist der Krieg der Armen? Warum kommen dann so erschreckend viele Terroristen aus relativ guten Verhältnissen? Mein Arabisch ist etwas eingerostet, aber ich bin mir sicher, „Allahu akbar“ heißt nicht: „Nieder mit der Armut!“ (…)

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