General d. R. Nitzan Nuriel stellt Lösungen aus Israel in Deutschland vor  

Juni 1, 2017 – 7 Sivan 5777
Israels 10-Punkte-Plan gegen den Terror

Von Dr. Nikoline Hansen

Die schlechte Nachricht zuerst: Wir können nicht alles von Israel lernen, wenn es um die Bekämpfung von Terrorismus geht – selbst dann nicht, wenn wir die gleichen Probleme haben. Denn es wird immer auch auf die kulturellen Besonderheiten einer Gesellschaft ankommen, wie sie sich erfolgreich gegen Terroristen zur Wehr setzen kann. Ein eklatantes Beispiel ist die Inhaftierung von Terroristen: mehr als die Hälfte der wegen terroristischer Aktivitäten Inhaftierten betätigt sich nach der Freilassung weiter terroristisch, und ist danach oft noch gefährlicher, da sie im Gefängnis oftmals Wissen und Erfahrung sammeln können. Warum ist das so?

Der General der Reserve der israelischen Streitkräfte, Nitzan Nuriel, einer der weltweit angesehensten Experten im Bereich der Terrorismusbekämpfung und Wissenschaftler am israelischen Internationalen Institut für Terrorismusbekämpfung, kennt den Grund: „Eigentlich ist das einfach. Wir glauben, dass sie aus ihrer Sicht davon profitieren im Gefängnis zu sitzen, indem sie etwas lernen. Das bedeutet, im Gefängnis zu sitzen ist für sie keine wirkliche Bedrohung. Sie haben nicht das Gefühl, dass es eine ernsthafte Strafe ist. Also macht es ihnen auch nichts aus, wenn sie wieder ins Gefängnis müssen. Daher müssen wir neue Methoden und Konzepte entwickeln, um die Terroristen davon abzuhalten, sich wieder als Terrorist zu betätigen, weil das Gefängnis selbst keine ausreichende Strafe ist. Hinzu kommt, dass junge Menschen, die inhaftiert sind, dort auf ältere Personen treffen, die bereits selbst Terroranschläge verübt haben und die ihr Wissen über diese Terroranschläge teilen. So kommt es, dass sie statt wieder normale Menschen zu werden im Gefängnis weiter radikalisiert werden. Also müssen wir darüber nachdenken, wie wir dieses System verbessern können.“

Entscheidend bei der Bekämpfung des Terrorismus ist also Prävention: „Wenn die Terroristen wissen, oder fast sicher sein können, dass sie mit ihrer Mission nicht erfolgreich sein werden, dass wir sie dingfest machen können und dass wir nicht nur sie bestrafen, sondern auch ihre Familien, vielleicht wird das die Motivation verringern, sich an solchen terroristischen Aktionen zu beteiligen. Wenn ein Terrorist begreift, dass solche Taten bedeuten, dass seiner Familie nicht mehr erlaubt wird nach Israel zu kommen, um zu arbeiten, oder dass seine Familie beispielsweise nicht mehr in der Lage sein wird ein neues Haus zu bauen, vielleicht wird das dazu führen, dass er zweimal nachdenkt ehe er terroristisch aktiv wird.“ 

Diese Maßnahmen, in Israel ein realistisches Szenario, sind in Europa undenkbar und so bleibt es den einzelnen Ländern überlassen zu überlegen, wie die Probleme angegangen werden können. Jedenfalls müssen wir davon ausgehen, dass Terrorismus uns auch in Europa weiter im Alltag begleiten wird – so wie das in Israel ja bereits seit Jahrzehnten der Fall ist und es wird künftig immer wichtiger werden präventiv in der Terrorismusbekämpfung aktiv zu werden.

Für Israel ist ein Anschlag pro Monat wenig, in der Schweiz wäre das sehr viel
Wichtig wird es also sein, die Gesellschaft darauf vorzubereiten, dass man Seite an Seite mit Terroristen lebt – so wie mit Kriminellen, Vergewaltigern, Betrügern und Räubern. Die Gefahr muss so gering wie möglich gehalten werden. Wobei die Standards in den einzelnen Ländern sicherlich unterschiedlich gesetzt werden müssen: Für Israel bedeutet ein Anschlag pro Monat wenig, während dies etwa in der Schweiz sehr viel wäre. Verglichen mit den Unfällen, die täglich passieren, sind Terroranschläge im Prinzip zu vernachlässigen, solange sie keinen übermäßigen ökonomischen Schaden anrichten oder das normale Leben beeinträchtigen.

Die gute Nachricht ist also: Wir sind stark genug, um mit den Herausforderungen des Terrorismus zu leben, er wird uns nicht besiegen können. Die Frage ist also: Warten wir einfach ab oder sollten wir uns besser auf das nächste Terrorereignis vorbereiten, damit der Schaden so gering wie möglich bleibt? Dass Terror gerade durch Schrecken wirkt, hat der Selbstmordanschlag in Manchester nach einem Konzert am 22. Mai wieder einmal mehr gezeigt, der die Konzertbesucher und die westliche Welt unvorbereitet traf und tief betroffen machte – Bundesinnenminister Thomas de Maizière ordnete Trauerbeflaggung an.

Die von Nitzan Nuriel vorgestellten zehn Punkte zur Bekämpfung des Terrorismus lassen sich durchaus auch in Europa umsetzen, denn sie beruhen ausschließlich auf Überlegungen, die einem gesunden Menschenverstand entspringen:

• Gefahrenabwehr und Sicherheit der Bewohner sollten in der Verantwortung der Städte und Gemeinden sowie der von ihnen gewählten Vertreter liegen – die Verantwortung kann nicht auf andere Stellen abgeschoben werden.
• Die lange Liste der möglichen Bedrohungen muss priorisiert werden. Für die einzelnen Bedrohungen ermöglicht ein präzises Ablaufschema den professionellen Umgang zur Verhinderung. So ist es Israel gelungen, die Zahl der Selbstmordattentate auf Null herunterzufahren, denn die Kette bis zu einem erfolgreichen Selbstmordanschlag ist lang: von der Rekrutierung über die Ausrüstung bis zu den Helfern sind es eine Reihe von notwendigen Schritten bis zu einem derartigen Anschlag. Diese müssen analysiert werden, um den Flaschenhals zu identifizieren, den Punkt, an dem der Angriff präventiv gestoppt werden kann. Wichtige Anhaltspunkte lassen sich heute oft in den sozialen Medien finden, das ist mühsam, aber effektiv.
• Es muss eine klare Kommandokette der Zuständigkeiten geben, wobei eigene Eitelkeiten außen vor bleiben müssen – in der Regel sollte die oberste Verantwortung bei den Sicherheitskräften vor Ort liegen.
• Technologie sollte sinnvoll eingesetzt werden. Kameras dienen nicht der Prävention – in 95% der Fälle können sie nur einer nachträglichen Aufklärung dienen. Vor der Anschaffung technischer Hilfsmittel muss daher das Ziel klar sein.
• Ablaufpläne müssen von einer außenstehenden Person überprüft werden, um Betriebsblindheit vorzubeugen.
• Katastrophenübungen müssen regelmäßig durchgeführt werden – dies betrifft nicht nur die Terrorabwehr, sondern alle möglichen Szenarien, gerade auch bei Festivals und anderen Großveranstaltungen. Nur so ist sichergestellt, dass die Rettungskräfte wissen, was im Notfall zu tun ist.
• Entwicklung von Sicherheitsapps für das Smartphone. In Israel wurde eine App entwickelt, mit der jederzeit unauffällig ein Notsignal abgesandt werden kann, das Menschen alarmiert, die sich gerade in der Nähe befinden und helfend eingreifen können. Dies gibt den Menschen Sicherheit und kann Terroristen abschrecken, wenn sie wissen, dass möglicherweise schnell Hilfe vor Ort ist und ihre Pläne vereitelt. (…)

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