Dem Hass auf Israel ein Gesicht geben  

Januar 6, 2017 – 8 Tevet 5777
Israelhetze mit Lehrauftrag an der Berliner Uni?

Von Timo Koch

In der akademischen Welt des 21. Jahrhunderts ist ein offen rassistisch begründeter Antisemitismus, wie er vor dem Zivilisationsbruch der Schoah möglich war, kaum mehr anzutreffen. Die Antisemiten von heute verbergen ihre Intention hinter differenziert klingenden und pseudo-intellektuell aufgeladenen Formulierungen. An der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim hat ein solcher Vorfall jüngst dafür gesorgt, dass der Senat der amtierenden Präsidentin das Vertrauen für eine weitere Amtszeit versagte und die Dekanin der zuständigen Fakultät in Anbetracht ihrer Verantwortung zurücktreten musste.

Bleibt zu hoffen, dass diese Geschehnisse in Hildesheim ein trauriger Einzelfall sind. Oder gibt es auch an anderen deutschen Hochschulen neue Anzeichen für ein Widererstarken von Vorurteilen, Lügen und Hass gegen Juden sowie den jüdischen und demokratischen Staat Israel? Wirft man einen Blick auf das Vorlesungsverzeichnis des renommierten Otto-Suhr-Institutes für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, so findet sich dort ein Proseminar mit dem Titel „Rassismus im Kapitalismus“. Das Ziel ist offenbar bereits im Voraus bekannt – so lässt sich in der Seminarausschreibung lesen:

„In den ersten Sitzungen werden wir uns Schritt für Schritt die theoretische Grundlage erarbeiten (Hegel, Marx, Césaire, Fanon) um dann zu Fragen antikolonialer Kämpfe, sowie einem Einblick antirassistischer Kämpfe zu gelangen. Wir werden uns mit der Fragen von Macht/Unterdrückung, Kolonialismus und dem Ursprung des europäischen Kolonialrassismus auseinandersetzen und fragen inwieweit Konzepte aus Postkolonialer Theorie oder Intersektionalitätstheorie (‚Critical Whiteness‘, Identitätspolitik) sinnvolle Werkzeuge zum Überkommen rassistischer Gewalt sein können.“

Bei einer solch anspruchsvollen Mission, dazu dargelegt in offensiver Rhetorik, lohnt es sich, einen näheren Blick auf die Dozentin zu werfen, was wiederum Rückschlüsse darauf ermöglicht, was in diesem Seminar unter Kolonialismus und antikolonialen Kämpfen verstanden wird.

Eleonora Roldán Mendívil ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Die selbsternannte „Politikwissenschaftlerin“ (die gerade einmal den Bachelor abgeschlossen hat) findet sich an prominenter Stelle bei einem Aufruf zum „Krieg in Gaza“. In diesem ist zu lesen, dass die israelische Armee „in einer Großoffensive die Bevölkerung Gazas angreift und dabei für den Tod und unendliches Elend tausender Menschen die Hauptverantwortung trägt.“ Abgesehen von der Pauschalisierung komplexer historisch-politischer Zusammenhänge und der alleinigen Schuldzuweisung an Israel, wird dieser Passus nachfolgend im Text von einem Klassiker des Antisemitismus vor 1945 an analytischer Schärfe und intellektueller Redlichkeit unterboten. Dort heißt es: „Wir fordern, dass Sie Ihren – dank der engen Kooperation mit Israel – bedeutenden Einfluss geltend machen und Ihrer Verantwortung nachkommen.“ Wer mit den Juden – bzw. Israel als Metapher des „kollektiven Juden“ – zusammenarbeitet, scheint in dieser Lesart offenbar zu den Günstlingen einer „jüdischen Weltverschwörung“ zu gehören.

Auf dem Internetportal www.academia.edu findet sich sogleich ein Profil von Roldán Mendívil, die sich mit folgenden Schlagworten verortet: Marxism, Postcolonial Theory, Gender Studies, Masculinity Studies, Critical Security Studies, Palestine (sic!), Iranian Studies, Critical Race Studies, Political Economy. Eine Verortung dieser Person am ganz linken Rand des politischen Spektrums unter Zuhilfenahme eines sehr dehnbaren Verständnisses dessen, was das Grundgesetz als freiheitlich-demokratischen Grundordnung definiert, ist somit naheliegend. Dieser Eindruck wird durch ihre Publikationstitel wie „Migration, Klassismus und Klassenbewusstsein“ oder „Zwischen Angst und Verantwortung. Möglichkeiten radikaler Analyse und Kritik innerhalb der Akademie“ bestärkt. Unter letzterem Schriftwerk findet sich im Zusammenhang mit der Erwähnung von „Geschichte und Entwicklung des israelischen Staates“ auch die Rede von der „Besatzung Palästinas“ (sic!).

Noch tiefere Abgründe eröffnen sich auf dem Blog https://cosasquenoserompen.noblogs.org, der von Roldán Mendívil betrieben wird. Erneut lesen wir von einer „Israeli occupation of Palestine“ – natürlich im Zusammenhang mit Judith Butler, Genderprofessorin aus den USA und eine der Schlüsselfiguren des BDS-Movement (Boycott, Desinvestment and Sanctions) – der antisemitischen Boykottbewegung gegen Israel. Roldán Mendívils Kommentar: „Extremely inspiring…“. Ebenso inspirierend klingt für die Lehrbeauftragte an der FU Berlin offensichtlich ein Rapvideo mit übelster Hetze gegen Israel… da lässt es sich sogar gleich den Refrain „Tahya Falastin“ („Lang lebe Palästina“) inbrünstig mitgröhlen.

Als Dozentin der Politikwissenschaft darf ein Kommentar zur politischen Linken in diesem Zusammenhang nicht fehlen. So schreibt sie: „Alle Linken, außer einige der deutschen Linken (wie paradox!), sind sich im groben einig, dass der Zionismus, von dessen europäischen Wurzeln an, ein durch und durch Ashkenazim Kolonialprojekt ist.“

Auch für die Hamas – und indirekt die von ihr verübten Gewalttaten mit dem Ziel der Vernichtung des jüdischen Volkes – hat Roldán Mendívil eine Erklärung im Angebot: „[…] denn die Hamas gebe es nicht und die Zustände für im Libanon lebende palästinensische Menschen gebe es nicht, tja, wenn es nicht 1948 zur Katastrophe, zu Al-Nakba gekommen wäre…“. Bezeichnend im Bezug zu ihrer Lehrveranstaltung an der FU ist ihre Anwendung des Kolonialstaatsbegriffes. So zitiert sie sich selbst mit den Worten: „Was ist dein Problem? Israel ist ein Kolonialstaat. Und Punkt.“ Ob sich die Studenten im Proseminar von einer solchen Vehemenz des Hasses auf Israel indoktrinieren lassen, bleibt nur zu spekulieren. Weiter doziert sie:

„Vor dem Hintergrund immer weiterer Verschärfungen/Verschlechterungen des Lebens für Palästinenser*innen im dutch Israel besetztem Palästina, ist es absolut legitim auf dieser Demo mit der palästinensischen Flagge auf die unhaltbare und selbst nach bürgerlichem Internationalem Recht zich Mal illegale, imperialistische und rassistische Situation in Palästina aufmerksam zu machen.“

Bei den hier dargelegten Informationen handelt es sich „nur“ um diejenigen Aussagen, die schriftlich belegbar sind. Man fragt besser nicht, was noch an gesprochener und unveröffentlichter Hetze gegen Juden und Israel hinzukommt. Es könnte je nach Leser Übelkeit, Enttäuschung oder Wut verursachen.

Es stellt sich die Frage, warum eine solche Person, die mit radikal antisemitischem Engagement offen in Erscheinung tritt, einen Lehrauftrag am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin erhält.

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