Bei der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V.“ tun sich rassistische Abgründe auf.  

Oktober 7, 2016 – 5 Tishri 5777
DITIB: Antirassismus heucheln, Antisemitismus leben.

Von Jaklin Chatschadorian

Eine der vornehmsten Aufgaben von Organisationen, die sich im gesellschaftspolitischen Raum bewegen, ist das Bemühen um das friedliche Zusammenleben der Menschen in einer Gemeinschaft trotz unterschiedlichster Identitäten und Überzeugungen.

Die Annahme dieser Herausforderung wird, in Anerkennung seiner Bedeutung, vom deutschen Staat großzügig gefördert. Unzählige Programme unterstützen Vereine und Verbände in deren Einsatz für Integration und der Bekämpfung von rassistischen Vorurteilen.

Eine dieser Organisationen, die sich (auch aufgrund ihrer Größe) zum Integrationspartner des Staates, auf Bundes- und Landesebene, und im Besonderen auf der kommunalen Ebene entwickelt haben, ist die unter der Aufsicht des türkischen Staates stehende „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.“ (kurz: DITIB).

Sie ist ein bundesweiter, über 900 Vereine umfassender Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der ihr angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden zuständig und vertritt damit die Interessen eines beachtlichen Prozentsatzes von Muslimen in Deutschland gegenüber der Politik.

In dieser Position gestaltet sie in einigen Bundesländern den Religionsunterricht, wirkt im Auftrag staatlicher Behörden bei der Salafismusprävention mit, setzt sich ein für den interreligiösen Dialog mit Christen und Juden. Friedensgebete, gemeinsame Fastenbrechen und Pressemeldungen, die islamistische Attentate weltweit verurteilen, nicht ohne die Religion zu exkulpieren, gehören zum Standardrepertoire.

Schaut man jedoch genauer hin, so verschiebt sich das Bild nicht nur um Nuancen.

In Dinslaken kommt 2015 eine DITIB-Moschee in die Schlagzeilen, weil nicht wenige ihrer Mitglieder nach Syrien in den sogenannten „Heiligen Krieg“ reisen. Vor wenigen Monaten tauchen in Nordrhein-Westfalen Schulbücher auf, die das Märtyrertum, also den Tod für die Religion, verherrlichen und der Syndikusanwalt der Vereinigung, Murat Kayman, machte vor wenigen Wochen auf sich aufmerksam, weil er gegen einen Kritiker, den Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi, in unangemessener Weise vorgeht.

Im hessischen Melsungen veröffentlicht die verbandseigene Moschee unkommentiert einen Auszug aus dem Koran in türkischer Sprache. Der Text lässt kein einziges antisemitisches Vorurteil aus. Seine Löschung ist lediglich der unerwarteten medialen Aufmerksamkeit im Sommer 2015 zu verdanken. Schnell tritt das verantwortliche Vorstandsmitglied zurück, um das unangenehme Thema zu einem Ende zu führen.

In Dresden wird die DITIB-Moschee vor wenigen Tagen Opfer eines Anschlages. Täter und Tatmotiv sind unbekannt, die Polizei ermittelt. Doch für was steht die Moschee, der die Solidarität der deutschen Gesellschaft und Politik gilt?

Ein Blick auf den öffentlichen Auftritt der Religionsgemeinschaft offenbart Erschreckendes, nicht nur über die Gemeinschaft selbst, sondern auch über die Gutgläubigkeit der Mehrheitsgesellschaft.

Die DITIB-Moschee Dresden präsentiert sich im Netz der sozialen Netzwerke unverhohlen christen- und judenfeindlich. Sie verbreitet, dass man bei Juden nicht kaufen solle, dass hinter dem IS der Mossad stünde, dass Nicht-Muslime hässlich seien. Sie bekennt sich zur Muslimbrüderschaft und erklärt die Hamas zum Opfer von israelischem Terrorismus. Sie führt den Valentinstag an, um darzulegen, dass Christen Ehebruch feiern und erweckt den Eindruck, jene Gläubige, die das Weihnachtsfest mitfeiern, exkommunizieren zu wollen. Ein Bild, das Apostaten mit dem Höllenfeuer droht, fehlt ebenso wenig, wie der Hinweis, dass es Israel letztlich nicht mehr geben wird.
Kaum wacht auch hier die Öffentlichkeit auf, ist die Seite vom Netz. Kritische Inhalte sind nicht mehr auffindbar.

Eigentlich will man von einem weiteren Einzelfall ausgehen. Doch es dauert nicht lange, und man findet auf den Seiten einzelner DITIB-Moscheen weitere, menschlich unerfreuliche Äußerungen. Da gibt es ein DITIB-Mitglied in Bayern ebenso wie eines aus dem Spessart, die beide davor warnen, bestimmte Worte in der türkischen Sprache zu benutzen, da diese auf die Abwertung der Muslime durch die Juden zurückzuführen seien.

Eine Moschee aus einer kleinen Stadt am Neckar weist darauf hin, dass die Juden und die Christen nicht zufrieden zu stellen seien, bevor man nicht deren Religion befolge. Auch im Süden von Baden-Württemberg beantwortet eine Gemeinde die, mit Blick auf die „Palästinenser“ im Raum stehende, Frage nach der Zukunft Israels gern mit dem Koran und verkündet die Strafe der Vernichtung des jüdischen Staates von der Landkarte und des Einzugs der Juden in die Hölle.

Wenn rassistische Äußerungen von Mitgliedern eines Dachverbandes in dessen Namen veröffentlicht werden und die Vorkommnisse die Grenzen des Einzelfalles überschreiten, so drängt sich der Verdacht, dass sich hier ein Problem verbirgt bzw. verborgen gehalten wird. Für letzteres spricht, dass die Äußerungen ausschließlich in türkischer Sprache erscheinen, während der interreligiöse Dialog in sozialen Netzwerken auch in deutscher Sprache kommuniziert wird.

Wie ist der interreligiöse Dialog der DITIB, die Unterstützung des deutschen Staates bei Integration und Radikalisierungsprävention mit dem Schüren von Hass gegenüber Andersgläubigen zu vereinbaren?

Wie können Moscheevertreter medial wirksam eine Synagoge besuchen, wenn andere unter ihrem Verbandsnamen judenfeindliche Propaganda veröffentlichen?

Wie können DITIB-Vertreter mit den Vertretern der evangelischen oder katholischen Kirche gemeinsam gegen Rassismus per Glockengeläut und Abendfrieden beten, wenn der dazugehörige Online-Shop bis dato ein Buch mit dem Titel „HRISTIYANLIK PROPAGANDASI VE MISYONERLIK FAALIYETLERI“, das mit „Christliche Propaganda und Missionierungsinitiativen“ zu übersetzen ist, vertreibt?

Es ist höchste Zeit, sich kritisch mit der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V.“ zu befassen. Die Politik, und damit im Besonderen auch die Parteien, sollten nicht auf die Distanzierung des Verbandes vom türkischen Staat warten, sondern sich selbst von diesem Verband, dessen Verfassungsfeindlichkeit im Raum steht, distanzieren. Der Verfassungsschutz sollte die Vereinigung sehr genau beobachten und seinem Verfassungsschutzbericht – ganz allgemein – eine größere Aufmerksamkeit verschaffen. Die Mehrheitsgesellschaft sollte sich von ihrer Blauäugigkeit gegenüber Migranten verabschieden.

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