Die Antwort des ZDF-Chefredakteurs Dr. Peter Frey auf meinen offenen Brief in der JÜDISCHEN RUNDSCHAU  

März 31, 2017 – 4 Nisan 5777
Das ZDF und die Wahrheit in Gaza

Von Attila Teri

In der Februarausgabe der JÜDISCHEN RUNDSCHAU richtete ich einen offenen Brief an Dr. Peter Frey, den Chefredakteur des ZDF, in dem es um die überaus einseitige Berichterstattung zu Israel und in diesem ganz speziellen Fall, um Gaza ging.

Mit einem beigefügten persönlichen Schreiben ließ ich Dr. Frey den Artikel zukommen. Zu meiner Überraschung bekam ich Anfang März tatsächliche eine ausführliche Antwort von ihm. Schon allein die journalistische Pflicht gebietet es, seine Stellungnahme zu veröffentlichen. Über seine Worte sollen die Leser selbst ein Urteil fällen. Ich tue es allerdings auch. Wer unvoreingenommen bleiben möchte, möge sich erst den Inhalt seines Briefes zu Gemüte führen und sich erst im Anschluss meinen ganz persönlichen Senf dazu lesen.

„Sehr geehrter Herr Teri,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 09.02.2017, in der Sie auf Ihren offenen Brief in der „Jüdischen Rundschau“ vom Februar diesen Jahres aufmerksam machen, der sich ausführlich mit unserer Berichterstattung über Gaza befasst. Gerne möchte ich Ihnen hiermit antworten.

Mit Bedauern habe ich zur Kenntnis genommen, dass Sie mit unseren Beiträgen aus dieser Region nicht zufrieden waren und nahelegen, wir würden „Halbwahrheiten“ oder gar „Fake News“ verbreiten. Natürlich respektiere ich Ihre Meinung, erlaube mir aber eine andere Einschätzung, die ich im Folgenden gerne begründen möchte. Ich bitte um Verständnis darum, dass ich dabei nicht auf alle Ihrer Anmerkungen eingehen kann.

Sie beziehen sich in Ihrem Text in der „Jüdischen Rundschau“ zunächst auf einen „auslandsjournal“-Beitrag aus der Rubrik „außendienst“ vom 11.01.2017. In dieser Rubrik, die wir bereits seit mehreren Jahren am Ende der Sendungen ausstrahlen, ergibt sich über das persönliche Erleben des Reporters ein besonderer Zugang zu Themen. Gegenüber dem Korrespondentbericht ist der „außendienst“ – in Kombination mit modernen Grafik-Teilen – eine Erzählform, um gezielt auch jüngere Zuschauer für komplexe außenpolitische Vorgänge zu interessieren.

Mehrfach – sowohl von Moderatorin als auch vom Reporter – werden beide Seiten des Konflikts angesprochen. Es war eine redaktionelle Entscheidung, dass die Reportage bei den Fischern spielt und kein zweiter Spielort gewählt wurde. Umso wichtiger ist es, dass neben den Reportage-Teilen eine „zweite Ebene“ eingezogen wurde, um Hintergründe des Konflikts zu erläutern. An verschiedenen Stellen wurde so die Rolle der Hamas eingeordnet: sie bringt die Fischer von Gaza in Misskredit, da sie Fischerbote zu terroristischen Zwecken nutzt.

Tatsächlich äußern sich die Protagonisten zur gefühlten Bedrohungslage durch israelische Kampfschiffe expliziter als zur Gefährdung durch die Hamas. Diese „Einseitigkeit“ nimmt der Autor jedoch ausdrücklich in seinem Text auf und kommentiert, dass über die Hamas „niemand so richtig sprechen möchte“. Der inhaltliche Kern des Stücks – zu zeigen, wie die Fischer zwischen den Fronten des Konflikts stehen – wurde aus meiner Sicht klar herausgearbeitet. Ich finde es, ebenso wie Sie, „legitim auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen“. Ebenso wie den Verweis auf eine UNO-Studie. Sicherlich hätte aber, wie Sie richtig anmerken, die Bezifferung der Seemeilen noch stärker differenziert werden können.

Zudem sprechen Sie einen Beitrag unserer Israel-Korrespondentin aus dem „heute-journal“ vom 27.09.2016 an, in der die Geschichte eines kleinen Mädchens aus Gaza erzählt wird. Explizit kritisieren Sie u.a. an dem Bericht, dass nicht erläutert wurde, warum es immer wieder zum Krieg kommt. Wie Sie wissen, sind die Verhältnisse, Kausalketten und Dynamiken in der Entwicklung der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Hamas komplex. Darauf ausführlicher in einem solchen Bericht einzugehen, würde nicht nur vom eigentlichen Thema wegführen, sondern auch noch die zeitlichen Vorgaben sprengen. Die Information über den Vater ist aus redaktioneller Sicht nicht relevant für die erzählte Geschichte. Wie Sie angemerkt haben, geht die Autorin auf die Unterdrückung und Korruption durch Hamas ein- zweimal, auch im Schlusssatz.

Vergleichbares gilt auch für den Beitrag über Kinderarbeit in Gaza vom „heute-journal“ vom 21.05.2016. Auch hier zeigt die Autorin, dass es für die schlechte Lage mehrere Ursachen gibt, nicht einen Alleinschuldigen. Gerade der Satz „Hamas gibt sich machtlose, wenn es darum geht die eigene Bevölkerung zu unterstützen.“, den Sie kritisch ansprechen, impliziert, dass Hamas eben nicht machtlos ist, sondern nur vorgibt machtlose zu sein.

Ich kann Ihnen versichern: Es ist unser Anspruch – und auch mir persönlich ein Anliegen -, dass wir ausgewogen und differenziert über den israelisch-palästinensischen Konflikt berichten. Nach meinem Empfinden wird unser Studio in Israel diesem Anspruch gerecht.

Selbstverständlich machen wir auch den Terror, den Israels Bevölkerung ausgesetzt ist, immer wieder zum Thema. Erst im Januar haben wir in unseren Hauptnachrichten über den Anschlag mit einem LKW in Jerusalem und die jüngste Attentatswelle berichtet. Ende Dezember zeigte ein ausführlicher Beitrag im „ZDF-Mittagsmagazin“, wie Israel mit der ständigen Bedrohung seiner Bürger umgeht.

In der Hoffnung, Ihre Bedenken mit meinen Ausführungen ausgeräumt zu haben, würde ich mich freuen, wenn Sie dem ZDF als interessierter und durchaus kritischer Zuschauer erhalten blieben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Frey“

Es ist Herrn Dr. Frey grundsätzlich hochanzurechnen, dass er sich überhaupt die Zeit für eine Antwort nahm, denn in der Regel werden solche Beschwerden eher unter den Teppich gekehrt. Aber bei näherer Betrachtung seiner Argumente vermute ich leider, dass er es wohl eher aus Kalkül tat. Vielleicht bilde ich mir das aber nur ein, und er ist wirklich von seiner Darstellung überzeugt – was die Sache jedoch nicht besser macht.

Wie in den meisten Fällen, wenn sich Vertreter der deutschen Medien wegen des Vorwurfs der anti-israelischen Berichterstattung rechtfertigen, verfährt auch Herr Dr. Frey nach dem Motto: „Das stimmt nicht, wir haben doch darauf hingewiesen oder es erwähnt, wir hatten keine Zeit, um ausführlicher darauf einzugehen“ usw.. Es gibt eine reiche Auswahl an Ausreden, statt einfach mal frei heraus „es tut uns leid“ zu sagen. Für Journalisten, die ihr Handwerk beherrschen, ist es ein Leichtes Filme so „zusammenzubauen“, dass die Informationen, die man als Autor eigentlich nicht mag oder von der Redaktionsleitung unerwünscht sind (aber nicht gänzlich beiseitegeschoben werden können), niemandem im Gedächtnis bleiben. Man „versteckt“ sie irgendwo in den Beiträgen, sprich, erwähnt sie lediglich mit wenigen Sätzen am Rande. Auf diese Weise gehen sie im Gesamtkontext völlig unter. Aber sie reichen dafür aus, um keine öffentliche Rüge vom Presserat/Rundfunkrat zu riskieren und rein rechtlich auf der vermeintlich sicheren Seite zu sein. Da die Menschen überwiegend durch Emotionen beeinflusst werden, und auf der Grundlage der gefühlten Wahrheit ihre Meinung bilden, stehen die „Schuldigen“ nach diesen Kriterien schnell fest: Es sind die Israelis – wie bei einem verlorenen Fußballspiel der Mann an der Pfeife. Vor kurzem ging Paris St. Germain 1:6 gegen den FC Barcelona unter. Für die Mehrheit der französischen Fans war es klar, dass die Fehlentscheidungen des deutschen Schiedsrichters zu dem Debakel führten und nicht etwa die lausige Leistung ihrer blind geliebten Kicker. Allerdings kann es kaum als Fehlentscheidung gelten, wenn Israel Wert auf die eigene Sicherheit legt und seine Bürger versucht wirksam zu beschützen.

Die Erklärungen von Herrn Dr. Frey empfinde ich als höchst unbefriedigend:

Aber wenn ich schon bei den Vergleichen bin: die Erklärungen von Herrn Dr. Frey erscheinen in meinen Augen, wie wenn jemand es versucht, schmutzige Buntwäsche bei 95 Grad durch die Maschine zu jagen und hofft, dass am Ende daraus strahlende Weißwäsche wird. Er hätte sie vorher eigentlich „sauber trennen“ müssen. Zudem die wichtigste Zutat nicht vergessen sollen: WASCHMITTEL – In dem Fall ALLE RELEVANTEN FAKTEN. Er schüttete jedoch leider nur eine volle Flasche „Weichspüler“ in die Trommel. Und so kam zu meinem Leidwesen nur ein Haufen verfärbte, eingegangene und immer noch schmutzige Wäsche heraus. „Reingewaschen“ wurde damit nichts. Höchstens vielleicht sein insgeheim schlechtes Gewissen.

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