Die Bundestagsparteien auf dem Prüfstand  

August 4, 2017 – 12 Av 5777
Deutsche Politiker: Wie sie Juden und Israel sehen

Von Miriam Magall

Am 24. September 2017 finden in der Bundesrepublik Deutschland die Wahlen für einen neuen Bundestag statt. Die folgende kurze, bei weitem nicht vollständige Übersicht über die gegenwärtige politische Landschaft zeigt ein wenig die Richtung, aus der der Wind für Israel bläst.

Beginnen wir bei der CDU/CSU, lange Jahre die staatstragende Partei der Deutschen Bundesrepublik schlechthin. Einer der bekannteren CDU-Politiker ist Norbert Blüm, der mit seiner anti-israelischen Meinung nicht zurückhält. Immer wieder äußert er sich in kernigen Sprüchen über Israel; so sagt er im Juni 2002: „Ich kann in den Aktionen der israelischen Militärs keinen Abwehrkampf gegen den Terrorismus sehen – sondern nur Vernichtung.“

Schon davor, Anfang April 2002 wirft Blüm Israel vor, „einen hemmungslosen Vernichtungskrieg“ gegen die „Palästinenser“ zu führen! Da er diesen Begriff später wiederholt verwendet, obwohl ihn Parteikollegen darauf hingewiesen haben dürften, aus welchem historischen Rahmen dieser Begriff stammt, ist davon auszugehen, dass er ihn ganz bewusst verwendet, um zu provozieren. Es hat ihm nicht geschadet. Ganz im Gegenteil.

„Nahost-Experte“ Norbert Blüm bezichtigt Israel des „Vernichtungskrieges“
Innerhalb kurzer Zeit avanciert Blüm zu einem in den Medien gefragten „Nahost-Experten“! Aber nicht genug damit. Blüm weiß in einem Interview mit der Zeitschrift „Stern“, das am 18. Juni 2002 erscheint, auch Erstaunliches zu Ariel Scharons Besuch auf dem Tempelberg zu sagen: „Die 2. Intifada begann, nachdem Scharon in einer provokativen Kraftmeierei mit 2.000 Soldaten und Polizisten den Tempelberg betreten hatte. Die friedliche Gegendemonstration wurde niedergewalzt: 30 Tote.“ Was Blüm zu erzählen vergisst, ist, dass Scharons Besuch auf dem Tempelberg mit dem Waqf, der für den Tempelberg zuständigen muslimischen Behörde, abgesprochen war. Außerdem hat Blüm anscheinend Probleme mit dem Zählen: Es sind nur die Hälfte der Soldaten und Polizisten auf dem Tempelberg. Die „friedliche Gegendemonstration“ findet erst am Tag darauf statt. Die „friedlichen Demonstranten“ bewerfen dann allerdings vom Tempelberg herab die Juden, die friedlich an der Klagemauer darunter beten, mit Steinen. Nach der Stürmung des Tempelbergs durch israelische Polizisten gibt es sieben Tote, keine 30. Und „niederwalzen“ kann die Polizei die Demonstranten auf gar keinen Fall, denn mit irgendwelchen „Walzen“ gelangt man schon allein aufgrund der geografischen Gegebenheiten nicht auf den Tempelberg.

Auch Helmut Schmidt (SPD) folgte einer verqueren Logik
Doch auch die SPD und eine Reihe ihrer Vertreter stehen in Sachen Antisemitismus und Anti-Israelismus nicht gerade mit einer weißen Weste da. Vielen mag es entfallen – oder aber erst gar nicht aufgefallen – sein: Helmut Schmidt, der in Deutschland allseits hochverehrte fünfte Bundeskanzler von 1974 bis 1982, hat nicht nur seine braun angehauchte Vergangenheit diskret verschwiegen, sondern außerdem mit israelischen Politikern wiederholt die Klinge gekreuzt.
Im Sommer 1980 erklärt Helmut Schmidt seinen Genossen die wesentlichen Bestandteile einiger zu erwartenden EU-Resolutionen: Rückkehr Israels zu den Waffenstillstandslinien von 1949 (sic!) und, falls Israel sich weigert, Sanktionen, denn schließlich akzeptiere Europa kein Ölembargo wegen der starrsinnigen Haltung Israels. Seine Begründung: Der Staat Israel sei aufgrund des Holocaust gegründet worden. Deutschland sei verantwortlich für den Holocaust – deshalb sei Deutschland auch verantwortlich für die Schaffung des Staates Israel und für das damit einhergehende Leid der „Palästinenser“. Deshalb sei Deutschland den „Palästinensern“ etwas schuldig.

Wie verquer kann man noch argumentieren? Kein Wunder, dass Menachem Begin und mit ihm viele andere Juden wie Nichtjuden höchst empört reagieren.

Auch Schmidts Nachfolger in der SPD weichen selten von seinem Pfad ab, was die Pflege guter Beziehungen mit arabischen Ländern im Nahen Osten angeht. Dazu gibt es, aus jüngster Vergangenheit, einige recht beredte Beispiele. Immer wieder hat Sigmar Gabriel, bis Januar 2017 Vorsitzender der SPD und seit dem 27. Januar 2017 deutscher Außenminister, Israel besucht. Das geschieht meistens, ohne dass das besondere Aufmerksamkeit erregen würde. Am 14. März 2012 berichtet „The Times of Israel“ auf ihrer Internetseite dann allerdings: „Israel running ‚apartheid regime’ in Hebron“, also: Israel verhält sich wie ein Apartheid-Staat in Hebron, habe Gabriel gesagt und das auch so getwittert, kaum, dass er eine halbe Stunde vor Ort ist. Er belässt es nicht bei dieser kurzen Feststellung, sondern führt auf seiner Facebook-Mitteilung weiter aus, er finde Israels gegenwärtige Siedlungspolitik völlig falsch und die Bedingungen [in Hebron] unwürdig. Gleichzeitig empfiehlt Gabriel Israel den Dialog mit der Hamas im Gasa-Streifen, schließlich sei die Hamas ein Faktor in diesem Konflikt, und man könne diesen Konflikt nicht lösen, wenn man einen Faktor übergehe. Außerdem spricht Gabriel sich dafür aus, „Palästina“ als Mitglied in die Vereinten Nationen aufzunehmen.

Andrea Nahles: Gemeinsame Werte zwischen SPD und Fatah
Ins gleiche Horn bläst auch die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in einer Erklärung am 8. November 2012, als sie die „gemeinsamen Werte“ und eine „strategische Partnerschaft“ zwischen Fatah und SPD in den höchsten Tönen lobt. Gabriel erklärt: „Ich verstehe die Kritik nicht“, als sich der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, sehr verärgert über Nahles Erklärung äußert. Gemeinsame Werte zwischen SPD und Fatah sieht Gabriel im Frieden in „Palästina“, ebenso wie bei Demokratie und Ablehnung der Gewalt. Komisch nur, dass „Präsident“ Abbas gerne Schulen, Straßen und Plätze nach Mördern benennt, die bei Terroranschlägen – mit Sprengstoffgürteln, mit Messern und Äxten und mit PKWs oder Lastwagen, die sie gerne in Gruppen wartender israelischer Zivilisten an Bushaltestellen fahren – Männer, Frauen und Kinder, einschließlich Säuglingen im Kinderwagen wahllos umbringen. Wenn das die „gemeinsamen Werte und Ziele“ sind, die auch der SPD-Führungsriege teuer sind, dann wähle ich – und hoffentlich viele andere deutsche Bürger – lieber keine Vertreter dieser Partei in den nächsten Bundestag!

Damit aber nicht genug. In seinem neuen Amt als Außenminister seit dem 17. Januar 2017 macht Gabriel bei seinem ersten offiziellen Besuch als neuer Außenminister im April 2017„einiges anders als sein Vorgänger“ Frank-Walter Steinmeier. Er besteht darauf, sich mit den Vertretern von zwei israelischen Organisationen zu treffen: Be-Zelem – einige ihrer Vertreter leugnen die Schoa! – und „Breaking the Silence“ – diese Organisation bezeichnet israelische Soldaten als „Mörder“!

Aus dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten tönt es warnend: Dann werde es kein Treffen mit ihm geben. Gabriel geht das Risiko ein und trifft sich mit ihnen, wie geplant. Deshalb wird das Treffen mit dem israelischen Staatsoberhaupt kurzfristig abgesagt. Ein Affront – ja, in der Tat, aber in den deutschen Medien wird er ausschließlich Israel angelastet. Der neue deutsche Außenminister erhält dagegen rauschenden Beifall.

Seit Januar 2017 ist ein anderer als SPD-Kanzlerkandidat an Sigmar Gabriels Stelle getreten. Martin Schulz heißt der Mann, der mit viel Vorschusslorbeeren antritt und dem die SPD es zu verdanken hat, dass ihre Beliebtheit völlig unerwartet – allerdings nur vorübergehend – in die Höhe geschossen ist. Wer genau ist Martin Schulz?

Schon im Alter von 19 Jahren tritt Schulz der SPD bei. 1994 wird Schulz ins Europäische Parlament gewählt und bleibt dort bis 2016. Am 24. November 2016 erklärt Schulz, er werde in die Bundespolitik wechseln und wird am 29. Januar 2017 vom SPD-Parteivorstand einstimmig zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl am 24. September 2017 nominiert.

Natürlich stellt man auch Martin Schulz die Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit Israel? Und da tritt er unweigerlich ins Fettnäpfchen. Im Februar 2014 reist er nach Israel und wird eingeladen, am 12. Februar 2014 eine Rede – auf Deutsch! – in der Knesseth zu halten. Scheinbar wie nebenbei erwähnt er, er habe zwei Tage zuvor in Ramallah junge Menschen getroffen. Einer von ihnen stellte ihm die Frage: Wie könne es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen, die „Palästinenser“ dagegen nur 17? Der Präsident des Europaparlaments sollte es eigentlich wissen: Solch eine Frage stellt man nicht ungeprüft in den Raum. Es kommt, wie es kommen muss: zu einem Éclat.

Erinnert sei auch an die heftig applaudierte Rede des Vorsitzenden der „Palästinensischen Autonomiebehörde“ Machmud Abbas am 23. Juni 2016 vor dem EU-Parlament – die in den deutschen Medien praktisch keine Resonanz fand. Niemand erhebt Einspruch, als Abbas von dem Rabbiner fabuliert, der die israelischen Behörden auffordere, sie mögen doch „palästinensische“ Brunnen vergiften! Ganz im Gegenteil, am Ende dankt ihm der Präsident des Europäischen Parlaments – kein anderer als Martin Schulz – für seine herausragende Rede!

SPD verhindert Waffenlieferung an Israel
Ende Juni 2017 geht die SPD noch einmal auf Wählerfang – auf Kosten Israels! Seit über drei Jahren verhandelt das deutsche Verteidigungsministerium mit Israel, um bis 2025 Heron-Kampfdrohnen zu mieten. Das Votum der SPD am 28. Juni 2017 ist ausschlaggebend: Aus „völkerrechtlichen“ Gründen müsse Deutschland unbedingt davon absehen, besagte Kampfdrohnen von Israel zu mieten oder zu leasen! Komisch, dass die SPD durch keine „völkerrechtlichen“ Gründe davon abgehalten wird, Kriegsgerät in Form von Sturmgewehren und Schützenpanzern kriegsführenden Staaten wie Saudi-Arabien zu überlassen!

Die FDP und die Beschneidung
Die Mitglieder der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale (Julis) wollen sozusagen späte Genugtuung für Möllemann, als sie im Jahr 2012 die Forderung stellen, die Beschneidung aus religiösen Gründen im Kleinkindalter zu verbieten, dagegen die Leugnung des Holocaust zu legalisieren. Schließlich führe die Beschneidung zu einer Schädigung des Kindes „hinsichtlich seiner sexuellen Empfindsamkeit im Erwachsenenalter“. Und was die Leugnung der Schoa angeht, meint Lasse Becker, Juli-Bundesvorsitzender: „Grundsätzlich sehen wir Meinungsverbote sehr kritisch.“ Er möchte Holocaust-Leugner „lieber durch sachliche Argumente entlarven.“

Wenn ich mich nicht sehr irre, geht es bei der Ermordung von 6 Millionen Juden durch die Nationalsozialisten nicht um Meinungen, ob das nun stimmt oder nicht, sondern um handfest bewiesene Tatsachen. Die Bundes-FDP hält sich in dieser Sache lieber diskret zurück.

Grüne Boykottforderung
Als nächstes kommen wir zur Partei Bündnis 90/Die Grünen. Die Fusion der Partei „Die Grünen“ mit dem „Bündnis 90“ erfolgt im Jahr 1993; danach zieht diese neue Partei 1994 in den Bundestag ein und ist von 1998 bis 2005 auch an der Bundesregierung beteiligt. Ihre Anliegen sind Anti-Atomkraft und Umwelt sowie Frieden, was die Partei aber nicht davon abgehalten hat, für die deutsche Teilnahme am Balkankrieg (1991-1999) zu stimmen.

Grundsätzlich betrachten sich die Mitglieder der Partei Bündnis 90/Die Grünen „als Anwälte des Friedens“. Zu einer derartigen Einstellung dürfte dann wohl auch die Kleine Anfrage an die Bundesregierung passen, die selbige Partei auf die Initiative der Abgeordneten Kerstin Müller im Mai 2013 stellt. Es geht darin, wie es ganz naiv heißt, „um den Import von Produkten aus israelischen Siedlungen im Westjordanland in die EU beziehungsweise nach Deutschland“ und ihre besondere Kennzeichnung als solche. Auf die Proteste der israelischen Botschaft – dabei handele es sich um einen weiteren Versuch, Israel negativ herauszuheben und zu einem wirtschaftlichen Boykott aufzurufen – wird erklärt, es gehe nicht um den Boykott israelischer oder gar jüdischer Produkte, sondern lediglich um die „Ermöglichung informierter Kaufentscheidungen“. Unterstützt wird diese Kleine Anfrage von der Vizepräsidentin, bis 2012, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Abgeordneten Marieluise Beck.

Die umbenannte SED pflegt das alte schlechte Verhältnis zu Israel
Noch etwas ausgeprägter israelfeindlich verhält sich eine jüngere Partei. Durch verschiedene Fusionen entsteht die Partei „Die Linke“, die im 18. Deutschen Bundestag einen Sitz Vorsprung vor dem Bündnis 90/Die Grünen hat und damit die größere Oppositionspartei ist. Ihr liegen soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit am Herzen. Gleichzeitig nimmt diese neue Partei jedoch ein schweres Erbe mit in die Zukunft: Denn DDR und SED waren über Jahrzehnte hinweg unversöhnliche Todfeinde des jüdischen Staates und haben ihn mit allen Mitteln systematisch bekämpft. Noch im Herbst 2006 lädt die Bundestagsfraktion der Linkspartei ganz offiziell einen Minister der Hamas nach Berlin ein!

Zwar bekennen sich der ehemalige Parteivorsitzende Gregor Gysi und die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Petra Pau offen zu Israel. Leider sind jedoch nicht alle ihrer Meinung. So hat es die frühere Vorsitzende Sahra Wagenknecht seinerzeit nicht für nötig gehalten, zusammen mit allen anderen Bundestagsabgeordneten aufzustehen, als der damalige israelische Staatspräsident Schimon Peres anlässlich des Gedenktags am 27. Januar 2010 seine Rede beendet hat. Mit dieser Haltung steht sie jedoch nicht allein. Ihr Parteigenosse Oskar Lafontaine nutzt jede sich bietende Gelegenheit, sich populistisch gegen Israel zu äußern, ohne sich weder von Fakten noch von Verantwortungsgefühl beirren zu lassen.

Lafontaines Verständnis für Israels Atomwaffen
Im letzten Libanonkrieg fordert Lafontaine die „gleichgewichtige Entwaffnung“ von Hisbollah und Israel – das ist so, als würde gefordert, nicht nur die Mafia solle entwaffnet werden, sondern auch die Polizei! Er habe auch durchaus Verständnis dafür, lässt er verlautbaren, dass der Iran den Besitz von Kernwaffen anstrebt, schließlich verfüge auch Israel über solche. Kaum jemand widerspricht Lafontaine.

Und dann ist da auch noch die Linken-Abgeordnete Inge Höger. Im Jahr 2010 nimmt sie an der umstrittenen „Gasa-Flottille“ teil; bei einem Kongress „palästinensischer“ Gruppen im Jahr 2011 hat sie sich mit einem Schal drapiert, auf dessen Ende eine Nahost-Karte zu sehen ist – ohne Israel!

Abschließend sei noch auf die vielen Veranstaltungen hingewiesen, die „Die Linke“ im Rahmen ihrer „Palästina-Solidarität“ allein im Jahr 2017 in Göttingen, Freiburg, Berlin, in Bonn, Freiburg und Bremen und noch einigen anderen Städten in ganz Deutschland veranstaltet. Vorgesehen sind Themen wie „BDS und Antisemitismus“ von einem Professor Farid Esack aus Südafrika, einem glühenden Anhänger der BDS-Bewegung; „Wem gehört Jerusalem? Kämpfe um die heilige-unheilige Stadt“, eine Podiumsdiskussion mit Daniel Seidemann und Saman Khoury; „50 Jahre israelische Besatzung – Unsere Verantwortung für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts“, vom „Deutschen Koordinationskreis Palästina“. Israelische Zionisten oder pro-israelische Hörer sind nicht erwünscht.

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