Zum 72. Todestag des jüdischen Bielefelder Forschers  

November 4, 2015 – 22 Heshvan 5776
Der Steinzeitsammler Siegfried Junkermann

Von Stephan Probst

In den Vitrinen des Gemeindezentrums der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld „Beit Tikwa“, in denen sonst kleine bescheidene Wechselausstellungen mit Exponaten zu den jeweils anstehenden jüdischen Feiertagen, manchmal aber auch zu Aspekten jüdischer Geschichte Bielefelds gezeigt werden, sind zur Zeit archäologische Funde aus der Mittel- und Jungsteinzeit zu sehen.

Dem Bielefelder Amateurarchäologen Heinz-Dieter Zutz, in Fachkreisen als einer der engagiertesten Sammler und Kenner steinzeitlicher Artefakte Ostwestfalens bekannt, ist das Verdienst anzurechnen, das Schicksal eines seiner Vorgänger aufgearbeitet und bekannt gemacht zu haben. Der 1944 im englischen Exil verstorbene jüdische Kaufmann Siegfried Junkermann aus Bielefeld gilt als einer der Begründer der ostwestfälischen Mesolithforschung. Beeinflusst von dem Kölner Prähistoriker Carl Rademacher hatte sich in den 1920er Jahren um Junkermann eine bedeutsame Gruppe von Laienforschern gebildet, die in der Region mit ungewöhnlich hoher Fundstellendichte Grabungen durchführte und wichtige vorgeschichtliche Funde machte. Zutz, der bis ins Jahr 2000 Lehrer an einer Grundschule war, ist seit seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst ehrenamtlich im Naturkundemuseum Bielefeld tätig. Dort ist heute die zwischen 1907 bis 1938 von Junkermann zusammengetragene umfangreiche Sammlung aufbewahrt, die unter Umständen, die Heinz-Dieter Zutz recherchiert hat, 1938 in den Besitz der Stadt Bielefeld kam.

Eine kleine repräsentative Auswahl aus der Junkermannsammlung, die das Naturkundemuseum als Leihgabe der Jüdischen Kultusgemeinde zur Verfügung gestellt hat, wird nun zusammen mit Originalpublikationen Junkermanns, Skizzen und Fundortkarten von Junkermanns Hand ausgestellt, um an das Schicksal dieses Nestors der Steinzeitforschung zu erinnern. Die Ergebnisse seiner Recherchen publizierte Zutz 2014 in einem Sonderband der „Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie der Universität Münster“ unter dem Titel: „Der jüdische Steinzeitsammler Siegfried Junkermann im Umfeld nationalsozialistisch orientierter Forscher“.

Heinz-Dieter Zutz beschreibt darin unter anderem das Verhältnis Junkermanns zu professionellen und namhaften Archäologen seiner Zeit wie Kossinna, Menghin und Andree und wie diese von Junkermanns Arbeiten profitierten – aber auch, wie diese später als überzeugte Nationalsozialisten aktiv an seiner Ausgrenzung beteiligt waren.

Der 1872 als ältester von 6 Kindern geborene Siegfried Otto Junkermann übernahm nach dem Ersten Weltkrieg das elterliche Textilgeschäft. Bereits als Gymnasiast sammelte er mit Mitschülern vorgeschichtliche Urnenscherben und Werkzeuge. Während des Ersten Weltkrieges verbrachte Junkermann eine gewisse Zeit in Köln, in der er den Prähistoriker Carl Rademacher kennenlernte und wesentlich von ihm beeinflußt wurde. Seit 1920 war Junkermann Beiratsmitglied des „Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegend“. 1922 gründete er die „Arbeitsgemeinschaft für Vorgeschichte für Minden-Ravensberg und Lippe“ und war bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten ein hochgeachteter Bürger der Stadt Bielefeld und ein in Archäologenkreisen anerkannter Kenner der regionalen Vorgeschichte. In dem 1926 erschienenen „Buch der Stadt“ ist der nach heutigem Stand der Forschung noch aktuelle Artikel Junkermanns „Was wissen wir von der frühesten Besiedelung Bielefelds und seiner Umgebung in vorgeschichtlicher Zeit?“ unter der Herausgeberschaft Eduard Schonewegs veröffentlicht worden. Dr. Schoneweg, der in den 20er Jahren Mitglied der von Junkermann gegründeten Arbeitsgemeinschaft für Vorgeschichte wurde, war im Mai 1933 der NSDAP beigetreten und stellte begeistert fest, „dass auch die Museumsarbeit durch die rettende Tat Adolf Hitlers wieder auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden“ sei. (…)

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