Das Leben des kosmopolischen Rabbiners William Wolff  

August 5, 2016 – 1 Av 5776
Der Rabbi von Meck-Pomm

Von Ludger Joseph Heid

Was kann man besseres über ein Buch sagen: Zu lesen beginnen und bis zur letzten Zeile es nicht mehr aus der Hand legen wollen. So ließe sich die vorliegende leichtfüßig geschriebene Biografie, die Britta Wauer zusammengestellt hat, in aller Kürze beschreiben.

Eine beeindruckende Lektüre über eine beeindruckende Persönlichkeit: Rabbiner William (Willy) Wolff. Wolff berichtet über die Dinge des Lebens, erzählt von Gott und der Welt. Dieser zerbrechlich wirkende Mann, gleichwohl ausgestattet mit einem wachen Geist, lebensklugem Verstand, großer Weisheit, nimmermüden Neugier und nicht zuletzt mit einem echten jüdischen Humor ist ein Rabbiner ganz eigener Art.

Welch ein Leben zwischen Berlin, Amsterdam, London, Johannesburg, Jerusalem – und Schwerin! Er blickt stolz auf sein Leben zurück, das ihn dazu gebracht hat, dass er eine Vielfalt von menschlichen Schicksalen, so bekannte er, an seiner eigenen Seele erfahren habe.

Im April 2016 avancierte Wolff gewissermaßen zu einem Star als der Film „Rabbi Wolff“ – eine RBB-Produktion – in Berlin uraufgeführt wurde und in weiteren Städten erfolgreich war. Da galt er einem größeren Publikum sogleich als „Gentleman vor dem Herrn“.

Dabei hatte er bereits im Jahre 2008 als Erzähler und Berater in dem Film von Britta Wauer „Im Himmel, unter der Erde“ über den jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee mitgewirkt und sein schauspielerisches Talent bewiesen – witzig, klug und charmant gelang es ihm, trefflich über Trauer, Tod und die Vorstellungen vom Jenseits zu parlieren. Dieser Film wurde weltweit auf Festivals gezeigt und gefeiert, in Peking, Toronto, New York oder Johannesburg. In London rief ein Zuschauer während des Films: „Seinetwegen könnte ich fromm werden“, und in Jerusalem attestierte ein Kinobesucher dem Protagonisten Wolff seiner ungewöhnlichen Lebensweisheit wegen eine „seltene Mischung aus ostjüdischem Witz und britischem Humor“. Man kann gar nicht anders, als diesen Mann mit seinem verschmitzten und gewinnenden Lächeln zu mögen.

Wolff, 1927 in Berlin geboren, erhielt den Namen „Wilhelm“. Die Mutter wollte einen anderen Namen und bedachte ihren Sohn ständig mit wechselnden Kosenamen, nicht ein einziges Mal in ihrem Leben hat sie ihn „Wilhelm“ gerufen. Eigener Aussage nach stammt er aus einer „unglücklichen“ Berliner Familie: Sein Vater, ein Gummi-Fabrikant, besuchte regelmäßig die orthodoxe Synagoge der Adass Jisroel-Gemeinde, die Mutter machte sich nicht viel aus Religion. Vierzehn Tage nach der Machtübernahme der Nazis wurde er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder eingeschult. Die weitsichtige Mutter bestand darauf, sogleich auszuwandern. Am 27. September 1933 bestieg die Familie den Nachtzug nach Amsterdam. Der Vater lebte und arbeitete bereits in London und im August 1939, drei Wochen bevor die Wehrmacht in Polen einfiel, folgte ihm die Familie dorthin.

Als er 1944 – da lebte er noch streng orthodox – bei der Nachrichtenagentur Reuters in London beim Vorstellungsgespräch fragte, ob er sonnabends frei bekommen könnte, um in den Gottesdienst zu gehen und er stattdessen im Gegenzug bereit sei, auch an den christlichen Feiertagen zu arbeiten, wurde ihm das mit dem Hinweis abgelehnt, dass alle Redakteure an sieben Wochentagen arbeiten würden. Das sah er ein – und übernahm einen kleinen Büroposten bei einer zionistischen Organisation. Doch kurz darauf meldete sich der Reuters-Chef bei Wolff und teilte diesem mit, niemand habe etwas dagegen, dass er sich samstags freinehme. So begann er seine journalistische Tätigkeit bei Reuters, bei der er Funkberichte des Oberkommandos der Wehrmacht protokollierte. Mit Anfang 20 brach er mit der Orthodoxie – er war sich nicht sicher, ob sie ihn verlassen hatte oder er sie.

1956 wird er parlamentarischer Korrespondent im britischen Unterhaus und nimmt seine Arbeit bei der größten englischen Tageszeitung „Daily Mirror“ auf. 1968 wechselt er in das Ressort Außenpolitik und in Begleitung des britischen Außenministers Michael Stewart betritt er nach 35 Jahren erstmals nach seiner Auswanderung wieder deutschen Boden. Dieser Besuch in Deutschland war insofern kurios, da er ihn nur auf englischem Boden verbrachte, denn während Stewart sich mit Willy Brandt traf, wartete der Korrespondent William Wolff in der britischen Botschaft – und die ist offiziell englisches Territorium. (…)

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