Ein Buch begründet einen Staat  

April 7, 2016 – 28 Adar II 5776
Der Judenstaat

Von Martin Decking

Selten hat ein Buch eine solche Wirkung gehabt wie der im Untertitel als „Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage“ bezeichnete, von Theodor Herzl 1896 in Wien und Leipzig veröffentlichte Judenstaat. Obwohl an Inhalt gar nicht neu, gewann das Buch schnell ein breites, nicht nur jüdisches Publikum und gab so den entscheidenden Impuls für die Gründung und die völkerrechtliche Anerkennung des Staates Israel.

Theodor Herzl wurde 1860 im ungarischen Pest als Tivadar Herzl (auch Hercl) in eine wohlhabende jüdische Kaufmannsfamilie hineingeboren und besuchte dort das deutschsprachige Evangelische Gymnasium. 1878 zog die Familie aus Protest gegen die wachsende Magyarisierung Ungarns nach Wien, hier begann Theodor Herzl, wie er nun auch offiziell hieß, das Studium der Jurisprudenz. Sein eigentliches Ziel war allerdings von Anfang an, ein „deutscher Schriftsteller“ zu werden. Während dieser Studienzeit entstanden erste Dramen, einige wurden sogar am renommierten Burgtheater und an weiteren Bühnen aufgeführt. Doch sein Durchbruch gelang ihm erst als Journalist.

Im Jahr 1891 wird Herzl der Pariser Korrespondent der angesehenen liberalen Wiener Tageszeitung „Neue Freie Presse“. Er berichtet über das kulturelle und parlamentarische Leben, und ab 1892 auch über den französischen Antisemitismus. Denn obwohl dort die Judenemanzipation bereits ein Jahrhundert zuvor im Zuge der Französischen Revolution im Code Civil verankert worden war, stellte Herzl, wohl auch zum eigenen Erstaunen, fest, dass es selbst in Frankreich einen wachsenden, bewusst rassisch argumentierenden, zudem von einigen angesehenen Schriftstellern und Philosophen auch öffentlich vertretenen Antisemitismus gab.

Wie sehr dieser bis in die höchsten Kreise der französischen Gesellschaft vorgedrungen war, zeigte sich in der Dreyfus-Affäre. Im Dezember 1894 erlebte Herzl in Paris die Verurteilung des französischen Offiziers jüdischer Abstammung Alfred Dreyfus, im Januar 1895 dessen von zahllosen „à mort! à mort les juifs“-Rufen begleiteten Ausschluss aus der Armee. Die offensichtlich ungerechtfertigte Verurteilung wegen Hochverrats und Spionage für Deutschland, über die Herzl als Korrespondent nach Wien berichtete, führte ihn zu der im „Judenstaat“ vehement vertretenen Auffassung, dass weder eine rechtliche Gleichstellung der Juden noch ihre Assimilation an die jeweilige Umgebung den Antisemitismus langfristig verhindern könne:

„Wer der Fremde im Lande ist, das kann die Mehrheit entscheiden; es ist eine Machtfrage, wie alles im Völkerverkehre. [...] Im jetzigen Zustande der Welt und wohl noch in unabsehbarer Zeit geht Macht vor Recht. Wir sind also vergebens überall brave Patrioten, wie es die Hugenotten waren, die man zu wandern zwang.“

Bevor Herzl seine neuen Überzeugungen in Buchform verbreitete, legte er sie einflussreichen Vertretern des französischen, englischen und deutschen Judentums vor, erhielt aber letztlich nicht die gewünschte Unterstützung. Seine Pläne einer jüdischen Staatsgründung stießen vielmehr vorwiegend auf Ablehnung, nicht zuletzt, weil sie im Widerspruch zur angestrebten oder (anscheinend) bereits erfolgreich verwirklichten Assimilation zu stehen schienen. (…)

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