Die Opfer islamistischer Anschläge bleiben in der deutschen Öffentlichkeit gesichts- und namenlos  

Juni 1, 2017 – 7 Sivan 5777
Der erbitterte Kampf der „Tagesspiegel“-Journalistin Andrea Dernbach für den Islam

Von Oliver Zimski

Eigentlich war der April 2017 kein guter Monat für das internationale Renommee des Islams. Allein in Europa begingen fanatische Anhänger der selbsternannten „Religion des Friedens“ drei blutige Anschläge. Am 3. April sprengte sich ein Selbstmordbomber in einer einfahrenden U-Bahn in Sankt Petersburg in die Luft und riss 14 Menschen mit in den Tod. Am 7. April zermalmte ein Lkw-Attentäter in der Stockholmer Innenstadt vier Passanten. Am 20. April, wenige Tage vor dem ersten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahlen, erschoss ein IS-Sympathisant auf der Prachtstraße Champs-Élysées in Paris einen Polizisten und verletzte mehrere andere Menschen schwer. Hinzu kommt die übliche „Begleitmusik“ in der restlichen Welt: etwa der heimtückische Massenmord an betenden Soldaten im afghanischen Masar-i-Scharif mit 140 Toten oder die Anschläge am Palmsonntag in Ägypten auf Kirchen der koptischen Minderheit, die mehr als 40 Todesopfer forderten.

Eigentlich. Denn, Hand aufs Herz – in Erinnerung bleiben wird den meisten der diesjährige April höchstens wegen seiner Wetterkapriolen. Dass man, sofern man nicht unmittelbar selbst betroffen ist, mit zunehmender Häufigkeit solcher Anschlags-Meldungen abstumpft, diese auch bald wieder vergisst, ist menschlich. Die Nummer mit dem Lkw in Stockholm war ja auch nicht neu, sondern bereits die vierte derartige Attacke innerhalb eines Dreivierteljahres (nach Nizza, Berlin und London). Die Verdrängung von etwas Beängstigendem, das man nicht ändern kann, dient der psychischen Balance. Man gewöhnt sich an alles, und das Leben geht weiter.

Warum kennt niemand das Terroropfer Ebba aus Stockholm?
Damit ist allerdings nicht zu erklären, dass die Opfer islamistischer Anschläge, anders als diejenigen rechtsextremer Gewalt, in der deutschen Öffentlichkeit mehr oder weniger gesichts- und namenlos bleiben. Wieso kennt kaum jemand die zwölf Toten vom Breitscheidplatz, wohingegen die zwölf Opfer der NSU-Mörder mit staatlichen Ehrungen überhäuft, ja sogar Straßen nach ihnen benannt wurden? Dass die 11-jährige Ebba aus Stockholm, ein bildhübsches, fröhliches Mädchen mit langen dunkelblonden Haaren, auf dem Nachhauseweg von einem Dschihadisten, der es nach Zeugenberichten mit seinem Lastwagen gezielt auf Frauen und Kinder abgesehen hatte, buchstäblich zerstückelt wurde; dass ein Foto von ihren sterblichen Überresten, die wie nasser Müll auf dem Asphalt klebten, auf islamistischen Webseiten kursierte und dort mit begeisterten Kommentaren und vielen „Likes“ versehen wurde – wer weiß das schon, und wen regt es auf?

Solche Hintergrundinformationen muss man sich mühsam aus in- und ausländischen Quellen zusammensuchen. Die unbestätigten Gerüchte hingegen, wonach eine ägyptische Studentin, die in Cottbus angefahren wurde, im Sterben liegend, von Insassen des Unfallwagens fremdenfeindlich beleidigt wurde, gingen vor wenigen Tagen wie ein Lauffeuer durch alle wichtigen deutschen Medien. Natürlich ist das verabscheuenswürdig, wenn es wahr sein sollte, aber stimmen hier wirklich die Gewichtungen in der Berichterstattung? Wieso werden Menschen, deren Leben durch islamistische Anschläge ausgelöscht wurden, wie Opfer dritter Klasse behandelt?

Der Grund dafür ist wohl die Tabuzone, die in der deutschen Öffentlichkeit rund um den Islam errichtet wurde, um diesen vor Kritik zu schützen. Sobald irgendetwas geschieht, was ein ungünstiges Licht auf ihn werfen könnte, schwärmen die Nachtwächter seiner Lobbyverbände samt ihrer medialen Unterstützer aus und stimmen die immer gleiche Leier an: das Geschehene habe nichts mit dem Islam zu tun, man müsse bitte jeden Generalverdacht gegenüber Muslimen vermeiden, dürfe ihnen nicht zumuten, wegen Extremisten unter Rechtsfertigungsdruck zu geraten, und solle im Übrigen ruhig weiterschlafen.

Dabei lässt sich durchaus über die Frage streiten, ob Terroranschläge fanatischer Muslime das Ansehen des Islams tatsächlich beschädigen, oder ob sie nicht vielmehr den ohnehin schon ins Monströse übersteigerten „Respekt“ vor ihm und eine verbreitete perverse Bewunderung für seine „Vitalität“ und „Kraft“ noch verstärken. Andere Vorkommnisse sind da womöglich imageschädigender. In den letzten Wochen waren dies in Deutschland etwa der „Moscheereport“ des Journalisten Constantin Schreiber, in dem er festgestellt hat, dass in 13 zufällig ausgewählten Moscheen die Imame durchweg zur Abgrenzung von der deutschen Gesellschaft aufriefen oder sogar gegen „Ungläubige“ hetzten; das Verfassungsreferendum in der Türkei, bei dem in Deutschland lebende Türken zu einem höheren Prozentsatz für die Einführung von Erdogans diktatorisches Präsidialsystem stimmten als ihre Landsleute in der Türkei selbst; der Antisemitismusbericht des deutschen Bundestages, der konstatierte, dass Juden in Deutschland sich immer stärker durch den importierten Judenhass muslimischer Zuwanderer bedroht fühlen.

Auf Wacht gegen „Islamophobie“
Daraufhin klingelten in manchen Redaktionen die Alarmglocken. Denn für eine einflussreiche Kaste deutscher Meinungsmacher steht nicht das Ereignis selbst im Mittelpunkt; sie beschäftigt vor allem die Frage, ob die Berichterstattung darüber Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten sein könnte oder geeignet wäre, „Islamophobie“ (übrigens ein Kampfbegriff der iranischen Mullahs, um jegliche Kritik am Islam zu pathologisieren) zu verstärken. Aus einer ideologisch verzerrten, auf die NS-Vergangenheit fixierten deutschen Binnenperspektive wähnt sie Muslime von permanenter Diskriminierung bedroht, betrachtet sie sogar als „neue Juden“ und übernimmt kritiklos die von den Islamverbänden gepflegte Opferrolle. Diese Kaste gibt vor, die „Vielfalt“ der Gesellschaft wahren zu wollen, scheint eine solche jedoch allein an der möglichst großen Anzahl bunter Kopftücher zu messen. Aus ihrer Sicht brannte es im April – abgesehen von der Aufregung um die islamistischen Anschläge – dreimal lichterloh.

Eine, die in derartigen Notsituationen immer zuverlässig zur Stelle ist und sich wie eine gute Glucke vor ihre Schützlinge stellt, ist Andrea Dernbach. Was ihr Kollege Daniel Bax in der verbohrten Betonvariante bei der „taz“ betreibt, das leistet sie beim „Tagesspiegel“ wesentlich geschickter und geschmeidiger. Nur nach der Kölner Silvesternacht 2015, dem Super-GAU aller „Islamophobie“-Wächter, wagte sie sich zu weit aus der Deckung, als sie den belästigten und vergewaltigten Frauen unterstellte, sie versuchten, mit ihren Anzeigen bei der Polizei aus rassistischen Motiven Abschiebungen von Nordafrikanern zu beschleunigen. Prompt erhielt sie massiven Gegenwind. Seitdem agiert sie vorsichtiger.

„Tagesspiegel“-Journalistin Andrea Dernbach streitet für das Image des Islams
Trotzdem weiß der aufmerksame Leser sofort, wenn die für „Migration, Minderheiten, Bürgerrechte und Geschlechterpolitik“ zuständige Tagesspiegel-Redakteurin sich zu Wort meldet: Es muss wieder etwas passiert sein, was den guten Ruf des Islams gefährdet und Ressentiments gegen Muslime nährt. In allen drei genannten Fällen war Dernbach sofort zur Stelle. Um die Aufregung über den „Moscheereport“ einzudämmen, diagnostizierte sie erwartungsgemäß einen „fatalen Generalverdacht“ und behauptete, Reportagen wie die von Constantin Schreiber setzten die „gutwilligen“ Muslime unter Druck und stärkten die Position der Radikalen: „Seht her, man hasst uns Muslime, ihr strengt euch umsonst an.“

Sarrazin sei schuld am Pro-Erdogan-Votum
Nach der negativen Reaktion der deutschen Öffentlichkeit auf das reaktionäre Wählervotum einer 60 bis 70-prozentigen Mehrheit der von den Türken in Deutschland und anderen Ländern Westeuropas abgegebenen Stimmen, die aus ihren freien Aufnahmegesellschaften heraus faktisch die Entstehung einer Diktatur in der Türkei förderten, ließ sie den Migrationsforscher Haci-Halil Uslucan seine Gründe für die „besondere Sensibilität“ der Türken in Deutschland ausbreiten: die hier erlittene „objektive Diskriminierung“ sowie die Sarrazin-Debatte von 2010, welche daran schuld sei, dass die angeblich starke Identifikation der hier lebenden Türken mit Deutschland erheblich nachgelassen habe.

In Reaktion auf die Vorstellung des Antisemitismusberichts der Bundesregierung zitierte Dernbach die LINKE-Politikerin Petra Pau, wonach Judenfeindlichkeit kein Problem von Muslimen und Arabern sei. Auch der antisemitische Vorfall an einer „Schule ohne Rassismus“, wo offenbar muslimische Jugendliche einen jüdischen Mitschüler mobbten, zeige, „wie schwer sich die deutsche Gesellschaft insgesamt im Umgang mit Antisemitismus tut“. Zum Abschluss des Artikels hebt sie hervor, dass die AfD sich auf ihrem Kölner Parteitag geweigert habe, sich von Antisemitismus zu distanzieren.

Gerade der letzte Artikel verdeutlicht exemplarisch Dernbachs Arbeitsweise. Macht die ursprüngliche Meldung noch auf ein Problem der muslimischen Community aufmerksam, verschiebt sich nach ihrer Bearbeitung die Verantwortung stets wie von Zauberhand auf „die Gesellschaft insgesamt“ oder gleich auf die Rechtspopulisten. Erreicht wird dieser Effekt in der Regel nicht durch direkte Parteinahme, sondern durch eine entsprechende Auswahl von „Experten“ und Interviewpartnern, deren Meinung dann – scheinbar journalistisch sauber – nur zitiert wird.

Welches Denken hinter der Methode Dernbach steckt, erhellt ein älterer Artikel, in dem sie darlegt, wieso es in Deutschland – etwa bei von muslimischen Gangs verübten Gewalttaten – keinen „deutschenfeindlichen Rassismus“ geben kann: „Rassismus war immer der Vorwurf der Unterdrückten an die Adresse der Unterdrücker, der Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse gegen deren Nutznießer. Er erzählt von Macht. Dass Migranten in einer Machtposition gegenüber autochthonen Deutschen wären, würde wohl auch Ministerin Schröder nicht behaupten.“

Mit anderen Worten: Bevor die sich stetig verschärfenden Probleme mit islamisch konnotiertem Antisemitismus und Ressentiments gegen „Ungläubige“ in Deutschland auch als solche benannt werden dürfen, müssen wir warten, bis die muslimischen Einwanderer gegenüber der autochthonen Bevölkerung in der Mehrheit sind und auch die ihnen dann zustehenden Machtpositionen besetzen. Bis dahin folgt Andrea Dernbach einer klaren Agenda: der bedingungslosen Verteidigung des (eingewanderten) Morgenlandes.

Oliver Zimski ist Übersetzer, Sozialarbeiter und Autor. 2015 erschien sein Kriminalroman "Wiosna – tödlicher Frühling".

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