Sacha Stawski ist der vielleicht umtriebigste jüdische Aktivist Deutschlands  

Mai 11, 2016 – 3 Iyyar 5776
Der deutsch-jüdische Tausendsassa

Die JÜDISCHE RUNDSCHAU traf den Tausendsassa Sacha Stawski, den Mann hinter der Plattform „Honestly Concerned“ und Organisator der größten Pro-Israel-Veranstaltungen Europas, um mit ihm über seine bewundernswerte Arbeit zu sprechen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Hallo Sacha, wie würdest du die heutige Stellung von Israel in der deutschen Öffentlichkeit zusammenfassen?

Sacha Stawski: Leider betrachte ich die Situation im Moment mehr als kritisch. Die breite Öffentlichkeit ist Israel gegenüber sehr voreingenommen und sieht Israel als brutalen Aggressor und Besatzer. Man ist es müde über den Konflikt zu hören; Empathie für israelische Opfer gibt es kaum noch. Medial werden Terroristen, die bei Anschlägen zu Tode kommen, als Opfer dargestellt. Israelische Opfer werden oft gar nicht erst benannt. Und in absoluten Zahlen betracht, werden bei Anschlägen und Anschlagsversuchen durch israelische Verteidigungsmaßnahmen getötete Terroristen mit israelischen Opfern verglichen.
Gleichzeitig dient Kritik an der angeblichen Siedlungspolitik oder an einzelnen israelischen Politikern oder Verteidigungsmaßnahmen als Steilvorlage für antizionistische Verallgemeinerungen und um die Existenz des israelischen Staates insgesamt in Frage zu stellen. Dies gebündelt mit der stärker werdenden Boykottbewegung (BDS), die dann auch noch mit so genannten „Menschenrechtspreisen“ gestärkt werden, trägt nicht zu einer Besserung der Gesamtsituation bei.

In der Öffentlichkeit haben sich einige Klischees festgesetzt, die faktisch falsch sind und wegen der steten Medienberichterstattung nur schwer zu bekämpfen sind.
Hier ein paar Beispiele: Die Zweistaatenlösung ist keineswegs alternativlos, wie auch sonst nichts in der Politik. Die Siedlungen sind keineswegs ein Hindernis für den Frieden, denn sonst müsste der Gazastreifen heute ein Hort des Friedens sein. Netanjahu wird vorgeworfen, den Friedensprozess zu blockieren, trotz Baustopp in den Siedlungen. Es wird ignoriert, dass ausgerechnet Abbas jegliche Gesprächsangebote ausschlägt und auch noch unerfüllbare Bedingungen allein an die Aufnahme von Verhandlungen knüpft. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Es wird oft behauptet, Deutschland sei einer der besten und treusten Freunde Israels, insbesondere die jetzige Regierung und die Kanzlerin Angela Merkel. Auf der anderen Seite konnte man durch Wikileaks sehr unfreundliche Attacken Deutschlands auf Israel nachverfolgen. Wie würdest Du das Verhältnis und die Sicht der jetzigen deutschen Regierung auf Israel und seine Regierung beschreiben?

Sacha Stawski: Ganz nüchtern betrachtet, ist die Haltung der deutschen Regierung immer noch positiver als die anderer Länder, Schwedens etwa, Frankreichs und sogar der USA.
Es ist Merkel zu verdanken, dass Deutschland auch aus eigenem militärischen Interesse heraus Israel mit U-Booten und Korvetten beliefert, die jene Erdgasfelder schützen sollen, die in Zukunft auch Deutschland mit Gas, anstelle des russischen Erdgases beliefern sollen.
Spionage, Abhören von Telefonen und Ähnliches beruht offenbar auf Gegenseitigkeit. Man sollte aber auch da die Proportionen wahren. Würden die Israelis nicht auch in Deutschland schnüffeln, hätten sie neulich nicht vor einem vermutlich verheerenden geplanten Anschlag im Fußallstadion von Hannover warnen können.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Israel könnte Deutschlands Erdgaslieferant Nummer 1 werden? Das ist keine Sache, über die groß berichtet wird...

Sacha Stawski: So eine Meldung passt absolut nicht ins Weltbild der deutschen Medien und Öffentlichkeit, was Israel betrifft, und ist nicht schlagzeilenträchtig genug. Zeitungen wollen Schlagzeilen und Klischees, die sich gut verkaufen lassen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Was haben die deutschen Medien an Israel?

Sacha Stawski: Die sind ein schwieriges Pflaster. Nur Kennern und Eingeweihten fällt auf, wie absurd manche Berichte sind. Da wird aus Trümmerlandschaften in Gaza berichtet, während die Villen der Herrschenden, die mit israelischen Waren prall gefüllten Einkaufszentren und die ständige Belieferung des Gazastreifens mit Tausenden Lastwagen einfach unter den Tisch fällt. Es muss halt die Vorstellung eines israelischen Boykotts des Gazastreifens aufrecht erhalten bleiben.
Oder kürzlich eine Reportage über Hebron unter israelischer Besatzung, berichtet von Torsten Teichmann bei Deutschlandradio. In dem Bericht wird kein einziger „Palästinenser“ befragt. Geführt werden da Schriftsteller allein durch die winzige jüdische Enklave im alten jüdischen Viertel, geführt vom einschlägigen israelischen Aktivisten Jehuda Schaul. Die Gruppe tut keinen Schritt auf die arabische Seite der Stadt, wo 200.000 Araber bestenfalls von der eigenen Polizei unterdrückt werden, fern von israelischen Besatzern. Berichtenswert ist halt nur, was sexy ist, also jüdische Unterdrücker und nicht „Palästinenser“, die gegen ihre eigenen Leute vorgehen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Woher kommt das? Ist die Nachfrage bei den Lesern/Zuschauern nach einem „bösen Israel“ so groß oder sind es die Journalisten und Redakteure, oder gar die Presseagenturen?

Sacha Stawski: Das ist eine schwierige Frage. Ich gehe mal davon aus, dass Gil Jaron, Inge Günter, Peter Münch und alle anderen keine Anweisung erhalten, die Wirklichkeit zu verdrehen oder bestimmte Themen auszusparen. Einige haben eine klare Weltanschauung, die sich in ihren Berichten widerspiegelt. So kann der linksgerichtete Gil Jaron PM Netanjahu nicht ausstehen. Inge Günther kommt aus der Frankfurter Szene, als sie dort zusammen mit Joschka Fischer noch Steine auf die Polizei geworfen hat. Und Peter Münch von der SZ hat wohl einfach nur einen „gesunden“ Hass auf Juden und Israel, wie er bei vielen Menschen in Deutschland verbreitet ist.
Entsprechend schreiben diese Kollegen, wie es offenbar eine Mehrheit der Deutschen gerne erfährt. Bei manchen Kollegen, wie dem inzwischen nach Rom versetzten „Juden“ Richard C. Schneider konnte man wunderbar beobachten, wie er mal korrekt und verständnisvoll über die Israelis berichtet und dann wieder völlig einseitige Berichte ablieferte, wohl um seinen Posten behalten zu können. Warum wird eigentlich nur bei Schneider betont, dass er „Jude“ sei, während wir bei anderen Kollegen nicht wissen, ob sie protestantisch, katholisch oder sonstwas sind?

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Wenn ich richtig verstehe, müssen deutsche Israelkorrespondeten u.a. „negativ genug“ über Israel berichten, um die antiisraelischen Vorstellungen ihrer Redaktionen zu erfüllen und ihren Posten zu behalten?

Sacha Stawski: Ja, tatsächlich. Sonst laufen sie leider Gefahr ihre Stellen zu verlieren. Beispiele dafür gibt es zu Genüge, egal ob wir von einem Ulrich Sahm, oder zuletzt von einem Daniel Killy sprechen, um nur zwei beim Namen zu nennen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Und da stellt sich natürlich die Frage, was man tun kann? Inwieweit kann man überhaupt etwas verändern? Wen kann man erreichen und wen nicht?

Sacha Stawski: Falsche Fakten kann man gelegentlich mit kurzen sachlichen Leserbriefen beheben, nicht aber die geäußerten Meinungen. Wir versuchen eben mit unseren Mitteln, ein anderes Bild von Israel vorzustellen, mit ILI und dem „Deutschen Israelkongress“ vor allem das Israel außerhalb des Konfliktfeldes: die Hightech-Industrie, die israelischen Erfindungen, touristische Attraktion und vieles mehr; mit „Honestly Concerned“ die harten politischen Fakten und Hintergründe. Es gibt da kein Geheimrezept. Alles bedeutet harte Arbeit und Beständigkeit.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Du bist die treibende Kraft hinter „Honestly Concerned“ (HC), dem „I like Israel“ (ILI)-Newsletter, den jährlichen Israeltagen und dem größten Europäischen Pro-Israel-Event und das zu großen Teilen ehrenamtlich. Wie machst du das alles, und bleibt noch Zeit für Privates?

Sacha Stawski: Über Jahre hinweg, habe ich diese Arbeit ehrenamtlich gemacht. In den letzten Jahren, in denen mein Engagement zu einer wortwörtlichen Rund-um-die-Uhr-Beschäftigung geworden ist, ist aus diesem Engagement mein Vollzeitjob geworden; ein schweres Brot, da beide Vereine gemeinnützig sind und bislang keine staatlichen Fördergelder bekommen, oder dauerhafte Unterstützer haben.
So kämpfen wir jeden Monat um neue Fördermitglieder und appellieren immer wieder an die Großzügigkeit eines jedes Einzelnen, um uns eine dauerhafte Fortsetzung unseres Engagements und einen weiteren Ausbau unserer Tätigkeiten zu ermöglichen: mehr Veranstaltungen, mehr regionale Arbeit, verbesserte Vernetzung, neue Hintergrundmaterialien und Broschüren, ein Ausbau unserer Leserbriefaktionen und Petitionen, usw., usw.. Es gibt so vieles mehr, was wir noch gerne tun würden…

Gerade weil diese Arbeit im Zeitalter des Internets eine Rund-um-die-Uhr Beschäftigung ist, ist mir die Zeit mit meinen Kindern, in der wir auch viel unternehmen, wie auch mit meiner Freundin, heilig und da kann ich dann auch mal abschalten. Und natürlich habe ich auch ein Privatleben, aber es ist bei dem Aufwand neben meiner beruflichen Tätigkeit nicht immer einfach und zu oft häufen sich die Beschwerden über meine (Nicht-)Erreichbarkeit…

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Wer unterstützt dich, wie kann man helfen und wo würdest Du Dir mehr Unterstützung wünschen?

Sacha Stawski: Für ILI-News zum Beispiel haben wir eine Reihe von treuen Mitarbeitern, die im Laufe der Woche die Texte vorbereiten und zusammenstellen. Das ist sehr viel Arbeit, fast unvorstellbar, wenn man nur das Endergebnis mit den kurzen, auf wenige Sätze gestutzten Beiträgen sieht. Da stecken sehr viele Stunden aufopfernder Arbeit dahinter und wir können hier wie in allen anderen Bereichen Hilfe immer dringend benötigen.
Genauso suchen wir akut nach Freiwilligen, die uns beim „4. Deutschen Israelkongress“ unterstützen können, insbesondere bei der Mobilisierung von Teilnehmern, Ausstellern und vor allem natürlich auch Sponsoren. Letzteres ist natürlich ein ganz entscheidendes Thema insgesamt für alle unsere Tätigkeiten…

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Honestly Concerned e.V. (HC) und „I like Israel“ e.V. (ILI) setzen sich gegen Antisemitismus ein. Das ist auch ein erklärtes Ziel der deutschen Regierung. Unterstützt Deutschland die Arbeit von HC und ILI?

Sacha Stawski: Kurze Antwort: Nein!

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Hast du Anhaltspunkte warum nicht?

Sacha Stawski: Einzelne Projekte werden unterstützt, aber nicht Organisationen als Ganzes, die vor allem politische Arbeit machen, wie wir das tun.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Du begibst dich oft ins Kreuzfeuer zwischen Antisemiten, Leuten die nichts (Positives) von Israel hören wollen, Politikern, u.a. auch antizionistischen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde. Woher nimmst du die Kraft? Was genau passierte, dass du dich so einsetzt? Gibt es ein besonderes Ereignis, einen besonderen Gedanken, der Deinen Einsatz ins Rollen brachte? Kurz: Wie fing Alles an?

Sacha Stawski: Ja, am Anfang, im Jahr 2000, standen die unsäglichen Angriffe von Möllemann auf Ariel Scharon und Michel Friedman. Damals war mir klar, dass wir deutsche Juden antworten und Farbe bekennen müssen, um in Deutschland überleben zu können.
Wir könnten auch die Koffer packen und nach Israel ziehen oder gar „zurück nach Auschwitz“ gehen, wie es manche „palästinensische“ Propagandisten fordern. Das ist für uns und auch für mich keine Alternative.
Mit unserem Arbeitseinsatz, darunter der Organisation eines Israelkongresses haben wir manchen Kritikern hoffentlich klargemacht, dass wir kein Freiwild sind und uns nicht niedermachen lassen. Wir müssen dann halt damit leben, als „Israel-Lobby“ verunglimpft zu werden. Man kann sich wohl nicht vorstellen, dass wir Juden oder Israel-Freunde mit gleicher Berechtigung wie die Parteien oder die Kaninchenzüchtervereine unsere Anliegen vortragen und in der Öffentlichkeit offen und klar vertreten.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Gibt es einen Punkt, wo du sagen würdest: „Es ist hoffnungslos, jetzt ist doch die Zeit zum Kofferpacken und zum Auswandern nach Israel gekommen“? Was müsste dazu passieren?

Sacha Stawski: Eine schwierige Frage. Bei allem, was ich jeden Tag lese und erlebe, ist die Grenze zum Kofferpacken eigentlich schon lange überschritten und die Tendenz ist über die Jahre so viel schlimmer geworden, dass ich eigentlich schon lange weg sein müsste. Die Salonfähigkeit von dem, was heute unwidersprochen an Antisemitismus im Alltag akzeptiert wird, ist nicht mit dem vergleichbar, was wir bei den Anfängen unserer Arbeit bereits als skandalträchtig betrachtet hatten. Ein Jürgen Möllemann würde heute kaum noch Schlagezeilen mit einem antisemitischen Pamphlet machen, wie er es damals tat.
Rechter Stimmenfang gehört heute genauso zum Alltag, wie es kaum noch Grenzen zwischen sogenannter „Israelkritik“ und antizionistischer Hetze gibt. Im Gegenteil. Heute demonstrieren sogar die Anhänger des Al-Kuds-Tages, die explizit gegen das Existenzrecht Israels sind, gegen Antisemitismus. Welch ein Hohn!
Doch noch haben wir erfreulicherweise nicht das Level von Paris oder Malmö erreicht, z.B. was die körperlichen Übergriffe betrifft, und noch lohnt es sich gegen den auf uns zukommenden Tsunami anzugehen und zu versuchen diesen zumindest zu verlangsamen. Außerdem muß ja noch jemand hier bleiben, um den Millionen von Flüchtlingen, die zum großen Teil mit antisemitischen Klischees groß geworden sind, auf der einen Seite, und den Horden von Pegida und fehlgeleiteten AfD-Anhängern auf der anderen Seite etwas entgegen zu setzen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Was wünscht Du Dir für die Zukunft – für Israel, für Deutschland?

Sacha Stawski: Ich hoffe, dass beide Länder an ihrem jetzigen Kurs des gegenseitigen Respekts und der engen Kooperation festhalten, bzw. diesen in vielfältiger Weise weiter ausbauen und verinnerlichen – und zwar nicht nur auf „gezwungener“ politischer Ebene, sondern vor allem auch auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen auf Ebene der einfachen Bevölkerung.
Ich wünsche mir weniger Ideologie oder Antisemitismus in den Medien, weniger als angebliche „Kritik“ getarnte Hetze, und einfach einen normalen Umgang mit Israel wie mit den meisten anderen Ländern der Welt. Damit allein wäre schon viel erreicht. Ich erwarte nicht einmal eine besondere „Liebe“ zu Israel, sondern einfach nur eine sachgerechte faire Behandlung und kein Herausheben des jüdischen Staates, wie etwa im Falle der Kennzeichnung von Waren aus Siedlungen. Warum gelten diese Regeln nicht genauso für die West-Sahara, Nordzypern oder Tibet?

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Lieber Sacha, vielen Dank für das Interview und für Deinen Einsatz und weiterhin viel Erfolg.

Das Interview führte Ulrich Jakov Becker.

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