Die Deutsch-Israelische Gesellschaft kämpft für eine gerechtere Berichterstattung über Israel
  

Oktober 6, 2017 – 16 Tishri 5778
Das Israelbild in deutschen Medien

Von Dr. Nikoline Hansen

Dass das Israelbild in den deutschen Medien selten ausgewogen ist, erkennt jeder, der sich mit Israel und dem Nahostkonflikt auseinandergesetzt hat. Insbesondere im öffentlich-rechtlichen Bereich besteht ein akuter Handlungsbedarf, wie zuletzt der Umgang mit der Dokumentation über Antisemitismus in Europa zeigte, bei der – nachdem man sich zur Ausstrahlung gezwungen sah – der Versuch unternommen wurde, den Zuschauer mit einem sehr fragwürdigen „Faktencheck“ zu entmündigen.

Wenn es um Israel geht, folgt die Berichterstattung immer dem beliebten Denkmuster: Israel ist ein Apartheidsstaat, der „palästinensisches“ Land besetzt hält und die armen Einwohner von Gaza unter unwürdigen Bedingungen gefangen hält. Bebildert werden derartige Berichte mit steinewerfenden Kindern, die israelischen Soldaten und Panzern gegenüberstehen – ein beliebtes Motiv, das von „palästinensischer“ Seite gerne immer wieder inszeniert wird. Viele Menschen hinterfragen diese Art der Berichterstattung nicht, da sie seit Jahrzehnten daran gewöhnt sind und die „palästinensische“ Propaganda die komplexe Thematik scheinbar schlüssig darstellt.

Deshalb war es der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) e.V. ein Anliegen, sich mit dem Thema zu befassen und Journalisten zu einer Podiumsdiskussion einzuladen, um darüber zu reden wie die Berichterstattung gegebenenfalls verbessert werden kann. Das Podium im Kleinen Sendesaal im Haus des Rundfunks war hochkarätig besetzt und diskutierte nach einem Impulsreferat des DIG-Präsidiumsmitglieds und Journalisten Daniel Killy unter der Moderation von Reinhard Borgmann, Leiter politische Magazine des rbb (Kontraste).

Illustre Diskussionsrunde
Killy führte in seinem Impulsreferat besonders eklatante Beispiele an und stellte fest, dass regelmäßig die gleichen Bilder verwendet würden, die auch mithilfe der Wortwahl und eines tiefgehenden Verständnisses für die Täter die Tatsachen auf den Kopf stellen. Zur Lösung des Problems schlug er vor, man möge eine Art LTI nach dem Vorbild Klemperers für die Israelberichterstattung entwickeln, um derartigen Verzerrungen künftig besser entgegenwirken zu können. Dieser Vorschlag stieß auf wenig Gegenliebe, auch wenn Michael Wolffsohn etwa sehr deutlich hervorhob, dass eines der Probleme die feindselige Einstellung gegenüber Israel in der Berichterstattung sei. Dabei führte er einige Entgleisungen an, die er aus der Berichterstattung von „Spiegel Online“ zitierte.

Rainald Becker, ARD-Chefredakteur stellte fest, es ginge bei der Berichterstattung nicht darum Israel anzuklagen, es handele sich lediglich um Beschreibungen, die so empfunden würden und „das Leben in Gaza ist nicht schön“ – das mag dem einen oder anderen nicht gefallen, aber das sei immer so. Sodann beklagte er sich darüber, dass den Medien die Schuld am Erstarken der AfD gegeben würde und er plädierte dafür, das vielfältige Gesamtangebot zu betrachten. Immerhin gab er zu: „Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler“. Nun ist das sicher richtig, allerdings stellt sich die Frage, weshalb die Fehler in der Berichterstattung über Israel für Kenner der Materie so augenfällig sind, und weshalb das in den Redaktionen nicht auffällt.

Vielleicht liegt das an einem Unterschied in der Herangehensweise: Denn ob man sich tatsächlich an etwas orientiert, also einen Standpunkt mit Leben füllt oder ihn lediglich zitieren kann, macht einen großen Unterschied. Exemplarisch für eine weitgehend positive Berichterstattung, wenn es um Israel und den Nahostkonflikt geht, saß Julian Reichelt, Vorsitzender der Bild-Chefredaktionen, auf dem Podium, der darauf hinwies, dass Springer die Grundsätze der Israelberichterstattung in seinen hausinternen Statuten festgeschrieben habe. Zitieren könne er sie aus dem Kopf nicht, aber er versicherte glaubhaft, dass er nach diesen Grundsätzen leben würde. Kollegin Birgit Wentzien, Chefredakteurin beim Deutschlandfunk sprang ein, sie hatte die Statuten dabei und verlas sie. Reichelt bekräftigte, dass Antisemitismus für ihn Antimenschlichkeit sei, eine tatsächlich mangelnde Empathie für das Existenzrecht Israels, das ja so oft als Staatsräson zitiert wird. Wenn es um die Berichterstattung gehe, würden die israelischen Soldaten allerdings selten als Verteidiger gesehen, die sich einem Überlebenskampf stellen. Wenn über Bangladesch oder Gaza berichtet werde, geschehe dies mit Empathie, wenn es um Israel gehe sei die Berichterstattung kritisch und antimenschlich.

Es ist dies tatsächlich ein Phänomen, das inzwischen sogar im neuen Duden Einzug gehalten hat: für kein anderes Land existiert ein Wort, nur „israelkritisch“ existiert dort als Wort, nicht aber „russlandkritisch“. Bei der Lust an Eskalation und Entgleisung, wie Wolffsohn es ausdrückte, zeige sich der doppelte Standard, der sich in der medialen Ungleichbehandlung gegenüber anderen Ländern ausdrücke – eines der „drei D“, deren Definition die Journalisten von Wolffsohn erbaten:

Delegimitierung des Existenzrechts, Dämonisierung als Besatzungsregime, doppelter Maßstab und Diskriminierung. Birgit Wentzien beklagte solche bewussten Tabubrüche und Entgleisungen im Hinblick auf die Israelberichterstattung und entgegnete auf Wolffsohns Frage, wie solche Berichte durchgelassen werden könnten, mit der Bemerkung „Es war schwierig und ist nicht gut gegangen.“ Wolffsohn plädierte für eine Entideologisierung und empfahl, über den „israelischen Tellerrand“ hinaus die gesamte Nahostregion in den Blick zu nehmen, denn oftmals entstünden verzerrte Bilder durch mangelndes Wissen.

Becker beklagte die schlechte schulische Bildung und damit fehlende Allgemeinbildung bei angehenden Journalisten, es gebe erschreckende und wachsende Defizite.
Killy verwies darauf, dass es wichtig sei eine Sensibilität für die verwendete Sprache und manipulierte Fotos zu entwickeln. Das in den deutschen Medien präsentierte Bild von Israel habe dazu geführt, dass eine große Mehrheit der deutschen Gesellschaft glaube, es sei gefährlich nach Israel zu reisen. Dabei gebe es in weiten Teilen des Landes ein freundschaftliches Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion – etwas, über das nicht berichtet wird.

Die „Nahostexperten“
In der anschließenden Diskussion wurde auch die Frage der sogenannten „Nahostexperten“ erläutert, die immer wieder zu Wort kommen und die gleiche einseitige Sichtweise präsentieren. Es handele sich stets um Regierungskritiker, die zu Rate gezogen würden. Becker erwiderte darauf, das Problem mit Experten sei: „Erstens gibt es zu viele und zweitens sind die meisten keine.“ Und: „Nicht jeder Experte ist ein Glücksgriff“.

Aufgeworfen wurde auch die Problematik der freien Journalisten, die Berichte aus Gaza liefern. Im Gegensatz zu Israel ist die Berichterstattung in Gaza strikt reglementiert; wenn ein Journalist nicht im Sinne der Regierung berichtet, darf er nicht mehr einreisen und ist damit seinen Job los – ein Problem, das bei der Übernahme der Berichterstattung gerne außer Acht gelassen wird. Besonders eklatant war dies in dem „Bericht“ der Tagesschau über Wassermangel in Gaza, wo schlichtweg auf die Faktenprüfung oder Anhörung der anderen Seite verzichtet wurde.

Trotz aller Probleme plädierte Reichelt gegen eine Reglementierung in der Berichterstattung über Israel, er bezog sich auf das Grundgesetz und stellte fest, dass ein gesellschaftlicher Prozess stattfinden müsse, der durch vielfältige Medien in einer funktionierenden Demokratie in Gang kommen könne. So war die Diskussion ein guter Anfang, um eine Sensibilisierung für das Thema zu erreichen. Und es wird die Aufgabe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft bleiben, der „Israelkritik“ in den deutschen Medien weiter entschieden kritisch entgegenzutreten.

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