Ein zweiter entlarvender Blick auf die „Spiegel“-Kolumnistin Margarete Stokowski, deren Buch bei einem anti-israelischen Verlag erscheint  

Dezember 7, 2018 – 29 Kislev 5779
Bedingt anti-rassistisch

Von Thomas Stern

Die „Spiegel“-Kolumnistin und Autorin Margarete Stokowski hat eine kontroverse Diskussion ausgelöst, nachdem sie eine ursprünglich geplante Lesung in der Münchener Buchhandlung Lehmkuhl mit der Begründung absagte, dass dort unter anderem auch Bücher von „rechten und rechtsextremen Autor*innen“ zum Verkauf angeboten werden.
Stokowski erntete sowohl Kritik von Kommentatoren, die ihre Entscheidung als Ausdruck von Zensurgeist und Engstirnigkeit betrachteten, als auch Zuspruch von solchen, die ihr antirassistisches Engagement und Prinzipienfestigkeit attestierten, und sie gegen erstere Einordnung in Schutz nahmen.

Ein Aspekt, der dabei jedoch vernachlässigt wurde, ist die Frage, wie konsequent Stokowski sich an die von ihr selbst proklamierte Richtlinie hält, und inwieweit sich ihr bisheriges Verhalten damit in Einklang bringen lässt.

Sozialisten als Antisemiten
Im vergangenen Jahr steuerte Stokowski ein Vorwort zu einer Ausgabe von „Die Freiheit in der Liebe“ bei, einem Werk des französischen Sozialisten Charles Fourier (1772-1837). Dass Fourier – wie viele Frühsozialisten – dezidiert antisemitische Einstellungen vertrat, ist hier zwar anmerkenswert, aber nicht so relevant, wie es zunächst scheinen mag – bezieht sich Stokowski doch in ihrer Stellungnahme zur Lesungsabsage explizit nur auf „aktuelle“ Autoren und Autorinnen, und gibt als einen der beiden Gründe für ihre Haltung an, diesen keine finanzielle Unterstützung zukommen lassen zu wollen (ein Problem, das bei einem Autor des 18./19. Jahrhunderts selbstverständlich nicht auftritt). Auch der andere von ihr genannte Grund, die Vermeidung der „Normalisierung rechten Denkens“, wird hier nicht anschlägig, da die Äußerungen Fouriers, in denen sein Antisemitismus zum Ausdruck kommt, nicht aus dem betreffenden Buch stammen.

Gilad Atzmon bei der „Edition Nautilus“
Interessanter im Kontext der aktuellen Kontroverse ist der Verlag, in dem das Buch erschienen ist. Hierbei handelt es sich um „Edition Nautilus“, einen prominenten Kleinverlag aus Hamburg, der sich auf „linke“ Literatur spezialisiert hat. Im Programm von Nautilus findet sich unter anderem auch ein Werk des berüchtigten Antisemiten Gilad Atzmon. Atzmon, ein britischer Autor und Jazzmusiker, hat sich mit Aussagen wie „Ich werde nicht sagen, ob es richtig oder falsch ist, eine Synagoge niederzubrennen; ich kann sehen, dass es ein rationaler Akt ist“ oder „Wir müssen anfangen, den Vorwurf, dass das jüdische Volk versucht, die Welt zu kontrollieren, sehr ernstzunehmen“ hervorgetan, und steht Holocaustleugnern nahe – so dass sich selbst einige der radikalsten Antizionisten mit aller Deutlichkeit von ihm distanziert haben. Bei dem Werk im Nautilus-Verlag handelt es zwar nicht um sein Sachbuch „The Wandering Who?“, in dem sein Antisemitismus besonders explizit zum Ausdruck kommt, sondern um den Roman „My One and Only Love“, dieser ist aber durchaus von Atzmons politischen Ansichten durchdrungen (und wird denn auch von Nautilus als „eine scharfe Abrechnung mit der israelischen Kultur und Politik“ beworben.)

Anti-israelisches Verlagsprogramm
Des Weiteren ist im Nautilus-Verlag „Israels Invasion in Gaza“ erschienen, ein Buch von Norman Finkelstein – einem Unterstützer von antisemitischen Terrororganisationen wie Hamas und Hisbollah.
Dass das Nautilus-Programm daneben zahlreiche Bücher von BDS-Advokaten (wie Laurie Penny, Gilbert Achcar, Eve Ensler, David Graeber) enthält, fällt da schon fast nicht mehr ins Gewicht, sollte aber (zumal, da die BDS-Bewegung vom Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung als antisemitisch eingeordnet worden ist) auch nicht unerwähnt bleiben.

Nun verbindet die Veröffentlichung eines Textes in einem bestimmten Verlag (auch wenn es sich bloß um ein Vorwort zum Werk eines anderen Autoren handelt) einen Autor enger mit diesem Verlag, als eine Lesung in einer Buchhandlung ihn mit dieser verbindet; ebenso geht die „Edition Nautilus“ mit der Herausgabe von extremistischen Autoren zweifellos eine engere Verbindung zu diesen ein, als die Buchhandlung Lehmkuhl mit deren bloßem Verkauf (dies trifft umso mehr zu, da der Geschäftsführer von Lehmkuhl, Michael Lemling, sich vom Inhalt der „rechten“ Bücher distanziert, und ihren Verkauf mit reinem Recherche-Interesse rechtfertigt).

Die Nähe, in die sich Stokowski durch ihre Zusammenarbeit mit Nautilus zu Autoren wie Atzmon und Finkelstein begeben hat, ist also deutlich größer als die, in die sie sich mit einer bloßen Lesung bei Lehmkuhl zu gewissen „rechten“ Autoren begeben hätte.

Die einzige Möglichkeit für Stokowski, ihre Zusammenarbeit mit Nautilus und ihre Absage der Lehmkuhl-Lesung miteinander zu vereinbaren und dabei konsistent und konsequent zu bleiben, wäre demnach, Atzmon und Finkelstein als deutlich weniger problematisch als die bei Lehmkuhl angebotenen „rechten“ Autoren zu bewerten. Und da eine solche Argumentation angesichts des Extremismus und der Anstößigkeit ihrer Positionen mehr als fragwürdig erscheint, muss sie sich wohl oder übel den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen – oder, präziser gesagt, den Vorwurf, Rassismus zu tolerieren oder ignorieren, solange er von der eigenen (in ihrem Fall, „linken“) Seite ausgeht.

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