Wie begegnet ein deutscher Schuldirektor im Jahre 2017 dem Antisemitismus seiner türkischen und arabischen Schüler?  

Mai 5, 2017 – 9 Iyyar 5777
15 Fragen an den Schulleiter Uwe Runkel

Von Gerd Buurmann

Sehr geehrter Schulleiter der Friedenauer Gemeinschaftsschule Uwe Runkel,

„Du bist ein cooler Typ, aber du bist Jude, und ich bin Muslim. Wir können nicht befreundet sein.“

Das sind die Worte, die sich ein 14-jähriger Schüler an Ihrer Schule anhören musste! Der Junge wurde geschubst, getreten und mit der Faust in den Rücken geschlagen, weil er ein Jude ist. Mitte März 2017 wurde er sogar außerhalb der Schule an einer Bushaltestelle von zwei Schülern gewürgt und mit einer Spielzeugpistole bedroht, während andere Schüler zugeschaut und gelacht haben. All dies ist an einer deutschen Schule 70 Jahre nach dem Holocaust geschehen. Die Mutter des Jungen wusste sich letztendlich nicht zu helfen und nahm ihren Sohn von der Schule.

Nachdem der Junge die Schule verlassen hatte, erklärten Sie:

„Bei der Anmeldung des Schülers habe ich die Mutter darauf hingewiesen, dass wir keine Erfahrung mit jüdischen Schülern haben, die wie der 14-Jährige offen mit ihrer Religion umgehen.“

„Offen mit ihrer Religion umgehen“ heißt in diesem Fall, der Junge hatte im Ethikunterricht erklärt, Jude zu sein. Das reichte für einen Teil der Schülerschaft schon aus, um gegen den Jungen vorzugehen.

Mein Name ist Gerd Buurmann. Im Auftrag der JÜDISCHEN RUNDSCHAU habe ich ein paar Fragen an Sie:

1. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem ersten Schüler gemacht, der an Ihrer Schule offen zu seinem jüdischen Glauben steht?

2. Was haben Sie unternommen, um den jüdischen Jungen zu unterstützen und an Ihrer Schule zu behalten?

3. Würden Sie nach all den Erfahrungen wieder einen Juden, der offen zu seiner Religion steht, an Ihrer Schule aufnehmen?

4. Sehen Sie irgendwelche Versäumnisse auf Ihrer Seite, sowohl im Vorfeld als auch im Verlauf der Angelegenheit?

5. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Jugendlichen gemacht, die den jungen Juden gedemütigt und gequält haben?

6. Welche Konsequenzen gab es für die Schüler, die den jungen Juden gedemütigt und gequält haben?

In der Sekundarstufe Ihrer Schule liegt der Anteil an Schülern nichtdeutscher Herkunft bei 75 Prozent. Der Anteil türkischer und arabischer Schüler macht von den 75 Prozent etwas mehr als die Hälfte aus. Sie sagen: „Wir haben fünf Willkommensklassen mit Flüchtlingskindern.“

Wie Sie wissen, hat jeder Mensch in Deutschland heute Zugang zum Internet und kann so auch die arabischen Medien verfolgen. In vielen deutschen Wohnzimmern sind arabische Sendungen in den Flimmerkisten zu sehen. Im arabischen Fernsehen ruft das lustige Hamas-Häschen Assud die Kinder zum Krieg gegen Juden und Ungläubige auf. Zu seinem Hobby gehört es, Juden zu töten. Die Hamas Maus wiederum stachelt Kinder zum Hass gegen Juden auf und lässt sie Lieder über die heldenhafte Tat des Judenmords singen.

In einer Serie eines der erfolgreichen arabischen Sender wird gezeigt, wie Juden ein Christenkind schlachten, um aus seinem Blut Mazzebrot zu machen.

Die Serie lief zur besten Sendezeit im Feiertagsprogram. Sie war und ist auch heute noch in deutschen Wohnzimmern zu sehen. Im arabischen Fernsehpogrom ist der Hass gegen Juden Alltag.

7. Was sagen Sie zu diesen judenfeindlichen Sendungen?

8. Sprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern über judenfeindlichen Sendungen, die sie im Internet und im Fernsehen in ihrer Muttersprache konsumieren (können)?

9. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen der Propaganda von Neonazis und der alltäglichen Propaganda, der arabische und türkische Jugendliche in Deutschland ausgesetzt sind?

In einem Projekt der Alice-Salomon Fachhochschule aus dem Jahr 2005 wurden jugendliche Migrantinnen und Migranten im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg interviewt. Über Juden sagten sie:

„Die töten sogar ein kleines Baby, was gerade geboren ist.“
„Hitler gefällt mir. Tja der hat’s damals richtig gemacht.“
„Schade, dass nicht alle weg sind.“

Zwölf Jahre später finden sich diese und noch viel schlimmere Aussagen gegen Juden in Hülle und Fülle auf Facebook und anderen sozialen Medien. Unter anderem dieser Hass hat es ermöglicht, dass im heutigen Berlin auf offener Straße wieder dieser Satz von einer Horde gebrüllt werden kann: „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“

In Hannover wurden im Jahr 2010 Juden von muslimischen Kindern und Jugendlichen mit Steinen beworfen. In Offenbach wurde ein Rabbiner in einer Einkaufspassage von muslimischen Jugendlichen angegangen. Daher diese zehnte Frage:

10. Was unternehmen Sie gegen den islamisch motivierten Judenhass, der an Ihrer Schule grassiert?

Ihre Schule erklärt:

„Die Friedenauer Gemeinschaftsschule versteht sich als ‚inklusive Gemeinschaftsschule‘ von Schulbeginn bis Schulabschluss. Inklusion bedeutet für uns die Akzeptanz und Wertschätzung der Heterogenität aller Kinder, unabhängig von ihren Begabungen, Beeinträchtigungen, Geschlechterrollen, ihrer ethnischen, nationalen und/oder sozialen Herkunft oder anderen kategorialen Eigenschaften.“

11. Wie gehen Sie ganz persönlich mit Ihrem Versagen um, Judenhass an Ihrer Schule nicht frühzeitig erkannt und bekämpft zu haben, so dass ein Jude exkludiert, statt inkludiert wurde?

Am 4. April 2017 schrieben die Elternvertreterinnen Anja Kathrin Schultz, Julia Kuhne und Marika Saridou an den Tagesspiegel einen Leserbrief, in dem sich folgende Worte finden:

„Als Eltern von Grundschüler_innen der Schule möchten wir an dieser Stelle unser großes Missfallen über die erschreckend unreflektierte und einseitige Art der Berichterstattung äußern, die sich nachhaltig rufschädigend für eine äußerst engagierte Schule auswirkt.“

Ich habe daher diese zwölfte Frage:

12. Was missfällt Ihnen mehr – dass der Ruf Ihrer Schule geschädigt wird oder dass Ihre Schule eine der ersten deutschen Schulen nach dem Nationalsozialismus ist, auf der ein jüdischer Schüler derart terrorisiert wurde, dass er es nicht mehr ausgehalten hat?

In dem Elternbrief finden sich auch diese Worte:

„Seit Jahrzehnten existiert im Nahen Osten ein nicht enden wollender Konflikt zwischen Arabern und Juden. Eine Stadt wie Berlin, in der Menschen beider Religionen und Kulturen (und noch vieler mehr) leben – was unserer Meinung nach ein enormer Reichtum ist – kann vor den Auswüchsen internationaler Konflikte, wie des Nahostkonflikts, nicht verschont bleiben.“

Der sogenannte „Konflikt“ im Nahen Osten sieht wie folgt aus: Während Israel seit der Unabhängigkeitserklärung die Hand zum Frieden ausstreckt, ruft die arabische Seite zur Vernichtung aller Juden auf. Der „Konflikt“ zwischen Juden und Arabern ist somit heute in etwa so sehr ein „Konflikt“, der von beiden Seiten ausgeht, wie der „Konflikt“ zwischen Deutschen und Juden im Jahr 1933. Damals verließen die ersten jüdischen Kinder deutsche Schulen, so wie es im Jahr 2017 in ihrer Schule geschehen ist.

In der israelischen Unabhängigkeitserklärung steht:

„Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe mit dem selbstständigen jüdischen Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten.“

In der Gründungscharta der Hamas steht:

„Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten; bevor sich nicht die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, welche ausrufen: ‚Oh Muslim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt; komm und töte ihn!‘ (…) Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung.“

Das bringt mich zu der Frage, die auch die Elternvertretung in ihrem Brief an den „Tagesspiegel“ gestellt hat.

13. Wie kann eine Schule mit einer Schüler_innenschaft, die sich aus vielen Nationen zusammensetzt, davor gefeit sein, dass es zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen und Schülern kommt?

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein paar judenfeindliche Zitate präsentieren, die bisher in dem „Konflikt“ getätigt wurden:

„Ich unterstütze Deutschland in der Politik und Brasilien im Sport. Ich mag die Art wie Brasilien Fußball spielt, aber ich mag die Deutschen, weil sie die Juden hassen und sie verbrannt haben.“ (Wiam Wahhab, libanesischer Minister am 4. Juli 2010 auf Al-Jadid/New TV)

„Bevor Israel stirbt muss es gedemütig und erniedrigt werden!“ (Khaled Meshall, Vorsitzender der Hamas am 3. Februar 2006)

„Jeder, der ein Messer, eine Waffe oder ein Auto hat und damit nicht einen Siedler oder einen Juden angreift und mehrere zehn Zionisten tötet, gehört nicht zu Palästina!“ (Fawzi Barhoum, Hamassprecher am 30. Juli 2014)

„Juden sind fremdartige Bakterien, sie sind Mikroben ohne Beispiel auf dieser Welt. Möge Gott das schmutzige Volk der Juden vernichten, denn sie haben keine Religion und kein Gewissen! Ich verurteile jeden, der glaubt, eine normale Beziehung mit Juden sei möglich, jeden, der sich mit Juden zusammensetzt, jeden, der glaubt, Juden seien Menschen! Juden sind keine Menschen, sie sind kein Volk. Sie haben keine Religion, kein Gewissen, keine moralischen Werte!“ (Abdallah Jarbu, stellvertretender Minister für religiöse Stiftungen der Hamas am 28. Februar 2010)

„Überließen uns die Juden Palästina, würden wir dann beginnen, sie zu lieben? Natürlich nicht! Wir werden sie niemals lieben. Absolut nicht! (…) Dein Glaube bezüglich der Juden soll sein, erstens, dass sie Ungläubige sind und zweitens, dass sie Feinde sind! Und sie sind nicht nur Feinde, weil sie Palästina besetzt halten. Sie wären auch unsere Feinde, wenn sie niemals irgendetwas besetzt hätten! Wir werden die Juden als Feinde betrachten, selbst wenn sie uns Palästina zurück geben. Weil sie Ungläubige sind!“ (Qatar TV (Katar), 9. Januar 2009)

„In aller Kürze, so sind die Juden: Als Muslime ist unser Blut voller Rachsucht gegen sie und sie kann nur mit der Vernichtung der Juden gestillt werden, so Gott will.“ (Al-Aqsa TV (Gaza), 28. Februar 2008)

„Die größten Feinde eines jeden Muslims nach dem Teufel sind die Juden! Wer sagt das? Gott sagt das!“ (Al-Rahma TV (Ägypten), 9. Januar 2009)

„Immer wieder hat Gott Strafen über die Juden kommen lassen. Die letzte Strafe wurde von Hitler ausgeführt. Bei allem, was er ihnen angetan hat, und die Juden übertreiben bei der Beschreibung dieser Taten, hat Hitler die Juden nur an ihren gerechten Platz gesetzt. Es war die göttliche Strafe für sie!“ (Al-Jazeera TV (Katar) 30. Januar 2009)

Am 9 Oktober 2015 hielt der Kleriker Muhammed Salah „Abu Rajab“ folgende Predigt in der Al-Abrar Moschee in Rafah:

„Unsere erste Phase soll lauten: Stecht die Juden ab! Sie haben keine Chance! Die zweite Phase soll lauten: Wir werden die Juden nicht mehr vertreiben! Wir werden sie allesamt abstechen und abschlachten!“

Ich stelle daher noch diese Frage:

14. Was sagen Sie zu dieser Propaganda, die gewiss ebenfalls von einem Teil Ihrer Schülerinnen und Schüler gehört und verstanden wird?

Aber die wichtigste Frage ist:

15. Warum muss ein jüdischer Junge in Berlin an Ihrer Schule unter dem Krieg leiden, der gegen Israel geführt wird?

Mit der Bitte um Beantwortung der Fragen verbleibe ich,

Gerd Buurmann

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke