Herr Marcus, das Limmud-Festival 2014 war wieder ein großer Erfolg mit so war es zu lesen rund 400 Teilnehmern und ca. 150 Veranstal- tungen. Wie «ausgebrannt» ist das Team der Freiwilligen jetzt?
Es waren sogar 180 Veranstaltungen! Natür- lich ist die Organisation eines solches Events mit viel Arbeit über mehrere Monate hinweg verbunden und wir alle genießen in diesen Wochen ein wenig mehr Ruhe also noch vor ein paar Wochen. Aber nach Limmud ist vor Limmud und von ausgebrannt kann man nicht wirklich sprechen im Gegenteil, die Begeiste- rung für Limmud entfacht sich irgendwie im- mer wieder, und fast jedes Gespräch, was wir über das alte Festival führen, endet mit einer Flut von Ideen für 2015.
Einige Gesichter im Limmud-Team sind ja altbekannt, man könnte schon von den bewähr- ten «Veteranen» sprechen. Kommt immer wieder ein «frischer Schwung» an Aktivisten hinzu? Werden es vielleicht sogar mehr Helfer?
Wir können uns jedes Jahr über neue und alte Gesichter im Organisationsteam freuen, und es ist genau dieser Mix, der die unschätzbar wertvolle Erfahrung mit dem Elan der Neuen verbindet. Und auch auf dem Festival haben wir stetig neue Freiwillige, was für uns übrigens eines der schönsten Formen des Lobs für unser Engagement ist, dass wir uns vorstellen kön- nen. Limmud kommt nur durch Freiwilligkeit auf allen Ebenen zu Stande, es ist Kern dessen, was wir tun. Auch nach diesem Festival haben sich jetzt schon Freiwillige für 2015 gemeldet, und wenn im Herbst nach den Hohen Feierta- gen die neue Festivalsaison beginnt werden es bestimmt noch ein, zwei mehr sein.
Wir befinden uns gerade wieder in nicht so besonders sicheren Zeiten. Haben die Anschläge und Zwischenfälle in Brüssel und bei Paris am 24. Mai auf die Atmosphäre am Werbellinsee «abgefärbt»?
Glücklicherweise nicht. Wir nehmen das Thema sehr ernst und stehen schon seit Jahren in engem Kontakt mit dem Landeskriminalamt und der Polizei vor Ort, ebenso erhalten wir im Vorfeld des Festivals wichtige Unterstützung, etwa seitens der Sicherheit der Jüdischen Ge- meinde Berlin oder durch private Initiativen. Zudem haben wir einen eigenen Sicherheits- dienst während des Festivals auf dem Gelände, und bisher ist es noch zu keinen Zwischenfäl- len gekommen. Bei all dem sind wir vor allem aber auch froh, dass die Teilnehmer nicht viel von diesen Maßnahmen merken und jüdisches Leben auch während des Festivals vollkommen normal stattfinden kann.
Die grundsätzliche Limmud-Idee ist ja, im Prinzip alle jüdischen Gruppierung egal wie «ultra»-liberal oder «erz»-konservativ, wie zionistisch oder auch Israel-kritisch, wie as- similiert oder auch eigenständig, für ein paar Tage «in ein Boot» zu bringen und auf Augen- höhe kommunizieren, voneinander zu lernen. Wie hat das 2014 funktioniert? Gab es auch irritierende Begegnungen?
Das funktionierte auch 2014 sehr gut, denn letztendlich erkennen die Teilnehmer den großen Gewinn, der im gegenseitigen Respekt füreinander und der Diskussion um der Sache willen liegt, um ein voneinander Lernen zu ermöglichen. Denn bei Limmud geht es nicht um ein Überzeugen. Wir alle haben Anteil daran, gemeinsam diesen Ort zu schaffen, an dem wir zusammen kommen und voneinander lernen können. Irritationen sind dabei in gewisser Weise fast schon erwünscht, in dem Sinne, dass sie Anlass zum Lernen und Entdecken von Neuem und zur Erweiterung des eigenen, jüdi- schen Blickwinkels sein können.
Gab es Gruppen, die zum Limmudfestival eingeladen waren, die aber bewusst abgesagt haben?
Nein, sicherlich nicht bewusst. Wenn es Absagen gab oder gibt, sind es Terminprobleme oder ähnliches. Vor allem aber finden sich bei Limmud so viele Individuen, dass eigentlich jede Gruppe auch vertreten ist. Was entpuppte sich dieses Jahr, von der Masse der Besucher und der allgemeinen Resonanz her gesehen, als die absoluten Highlights?
Der «Let‘s Start Davening» Kabbalat Shab- bat begeisterte zum Beispiel viele Teilnehmer, die dieses Format eines Musical Shabbat aus Berlin kennen oder bei Limmud zum ersten Mal erlebt haben. Auch im Programm gab es viele Highlights, da fällt es schwer, etwas her- auszunehmen. Moshe Lavee von der Uni Hai- fa hat über die Kairoer Genizah Forschung berichtet und eine sehenswerte kleine Aus- stellung dazu mitgebracht, Shmuley Boteach sprach über «Kosher Lust» was natürlich sehr clever darauf ausgelegt ist, Leute anzuziehen. Es gab Filmworkshops von Frank Stern, etwa zu Religion und Gender oder Tradition und Identität im israelischen Film, und Matan Ho- dorov, ein in Israel bekannter Journalist von Channel 10, hat über diverse Themen aus dem Bereich Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit in Israel und der Diaspora gesprochen. Dane- ben sind es die vielen Möglichkeiten, außerhalb des üblichen Rahmens in einer großen Ge- meinschaft sein Judentum selbstverständlich ausleben zu können, wie etwa das gemeinsame Schabbat-Dinner oder die Havdalah, aber auch die Konzerte oder Partys, die von Teilnehmern als Höhepunkte des Festivals gesehen werden.
Gab es eine Veranstaltung/Begegnung/ein Event, dass Sie ganz besonders beeindruckt hat?
Ich empfand speziell die gemeinsame Ha- wdalah unter freien Himmel am Schabbat- Ausgang als einen dieser Momente, die einem bewusst werden lassen, was Limmud sein kann. Wenn nämlich eine riesige Gruppe von Juden unterschiedlichster Ausrichtungen oder Hin- tergründe eben als Juden zusammen kommen und für einem Moment sich im Licht der Ker- zen wiederfinden dann sind sie das gegenwär- tige Glied einer langen Kette von Tradition und Erfahrungen, dann ist ein jeder Teil
Das Gespräch führte Ari ZUCKER
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