Ein Besuch bei Berlin einzigem koscheren „fleischigen“ Restaurant  

Dezember 8, 2017 – 20 Kislev 5778
Zu Gast bei „Milo“

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Eigentlich ist das jüdische Leben in Berlin aus Sicht der orthodoxen Juden im Vergleich zu der Situation in anderen Städten Deutschlands ziemlich gut: es gibt mehrere orthodoxe Synagogen verschiedener Ausrichtungen, mehrere Mikwaot, koschere Supermärkte, jüdische Schulen und Kindergärten. Solch eine Vielfalt kann keine andere Stadt in diesem Land vorweisen.

Wenn es jedoch um koschere Restaurants oder Cafés geht, sieht es nicht so rosig aus. In dieser Stadt mit einer relativ großen jüdischen Gemeinde und vielen jüdischen Touristen aus aller Welt, gibt es (nach der Schließung des Restaurants „Gabriel“ im Gemeindehaus Fasanenstraße vor mehreren Jahren) nur ein einziges koscheres „fleischiges“ Restaurant: Das „Milo“.

Gerade deshalb, weil diese Gaststätte die einzige ihrer Art in Berlin ist, lohnt es sich sie näher kennenzulernen: Das Restaurant „Milo“ befindet sich im Beit Chabad in der Münsterschen Straße 6 und ist bereits seit mehr als 5 Jahren in Betrieb.
Hinter dem ungewöhnlichen Namen steckt eine spannende Geschichte: der Großvater des Shmuel Zach, des Besitzers dieses Restaurants, hieß ebenfalls Shmuel mit Vornamen und lebte vor dem Krieg in Berlin. In den Dreißigern hat er rechtzeitig erkannt, woher bzw. wohin der neue Wind in Deutschland weht, nahm seine Familie und floh nach Palästina.

Dort eröffnete er in Jerusalem ein „Berliner“ Café mit dem Namen „Alaska“, das schnell berühmt wurde. Als sein Enkel nach vielen Jahren nach Deutschland kam und in der Heimat seines Großvaters eine Gaststätte öffnete, benannte er sie nach ihm („Milo“ ist der Diminutiv von Samuel).
Auch wenn dieses Restaurant keine Konkurrenz in Berlin hat, so versucht Herr Zach, der gleichzeitig auch Chef-Koch ist, doch ein hohes Niveau zu halten und für guten Service zu sorgen.

Schon die Reservierung eines Platzes im Restaurant übers Internet sorgt für gute Laune: die Internet-Seite der Gaststätte ist sehr übersichtlich, die Reservierungs-Form ist einfach und der ganze Vorgang dauert nur wenige Minuten. Anschließend bekommt man sofort die Bestätigung per Email mit einer guten Beschreibung des Standortes. Außerdem wird dem Gast die Möglichkeit gegeben die Leitung des Lokals per Email oder telefonisch zu kontaktieren.

Das Restaurant selbst, das sich im 1. OG des Chabad-Hauses befindet, ist nicht groß, aber sehr gemütlich. Zur angenehmen Beleuchtung passt leise israelische Hintergrund-Musik.
Die Portionen sind großzügig, so dass man schon mit ein paar Scheiben Brot, Suppe und Vorspeise satt werden kann. Jedoch bietet das „Milo“ natürlich noch viel mehr und schon beim Lesen der Speisekarte bekommt man Appetit. Auch die Preise sind für die örtlichen Verhältnisse angemessen: ein gutes Mittagessen mit drei Gängen kann man für etwa 40 Euro genießen.

Herr Zach, der vor einem Jahr noch einen erfahrenen Chef-Koch in sein Team geholt hat, ist sehr freundlich und man merkt ihm sofort an, dass dieses Restaurant sein Herzensprojekt ist.
Nur von den täglichen Besuchern alleine würde die Gaststätte jedoch nicht überleben können. Im heutigen Deutschland kann es sich praktisch keine jüdische Einrichtung erlauben, sich einfach in einem Gebäude auf offener Straße ohne Bewachung zu niederlassen. Deshalb können jüdische Restaurants und Cafés fast ausschließlich in bewachten Gemeindezentren und Synagogen existieren, denn die Kosten für eigene Sicherheitsleute würden das betriebswirtschaftliche Aus bedeuten.

So befindet sich auch das „Milo“ im gutgeschützten Chabad-Haus unter ständiger Bewachung durch Polizei und eine Sicherheitsfirma. Die Kehrseite dieses „Luxus“ ist, dass das Lokal von der Straße nicht zu sehen ist und daher kein Kunde spontan vorbeikommt. Das gleiche Problem haben übrigens auch andere koschere Restaurants in einigen deutschen Großstädten: alle befinden sich entweder in Gemeindezentren oder in deren unmittelbaren Nähe.

Deshalb ist die Wirtschaft auf Catering-Dienstleistungen, Kidduschim am Schabbat und Veranstaltungen angewiesen. Zum Glück ist in der Berliner Chabad-Gemeinde immer etwas los: Im „Milo“ werden gelegentlich Bar/Bat Mitzwot, Beschneidungen, Opschernische, und manchmal sogar Geburtstage gefeiert. In fünf Jahren seines Bestehens hat „Milo“ außerdem geholfen fünf große Hochzeiten zu feiern – worauf Reb Shmuel sehr stolz ist.

Es ist ein wenig betrüblich, aber der häufigste „Anlass“, der im Restaurant veranstaltet wird, ist „Seudat Hawra’a“ – eine Kondolenz-Mahlzeit für die Trauernden. Besonders unter russischsprachigen Juden aus der ehemaligen Sowjetunion wird dieser Brauch sehr geachtet und eine große Mahlzeit für alle Verwandten und Bekannten hergerichtet.

„Seudat Hawra’a“ ist gleichzeitig auch die anspruchsvollste Veranstaltung für die Mitarbeiter des Restaurants: es passiert immer plötzlich, so dass man kaum im voraus planen kann und innerhalb von nur ein bis zwei Tagen muss alles vorbereitet werden muss. Oft kommen zu diesem Anlass auch die Gäste, die normalerweise in angesagten und teureren nicht-koscheren Restaurants essen, und die man kaum noch beeindrucken kann. Deshalb müssen Köche und andere Mitarbeiter bei diesen Seudot oft über sich hinauswachsen, um den hohen Erwartungen gerecht zu werden.

Solche Simches ziehen normalerweise viele Gäste an und die würden in den kleinen Saal des Restaurants, der für 40-50 Plätze ausgelegt ist, nicht hineinpassen. Dafür gibt es einen Festsaal im 2. OG des Gebäudes, wo bis zu 170 Gäste Platz finden können.
Auch „nach außen“ wird geliefert. Jüdische Touristen, die koscher essen möchten, können sich die Speisen aus dem „Milo“ zu ihrem Hotel überall in Berlin und Umgebung liefern lassen. Es muss keine große Gruppe sein, auch schon für eine einzige Person wird geliefert.

Auch am Schabbat und während der jüdischen Feiertagen ist das Restaurant geöffnet. Jeden Freitagabend gibt es einen kleinen Kiddusch für 40 bis 50 Personen im Restaurant selbst und am Schabbatmittag gibt es einen größeren Kiddusch für ca. 100 Personen im Festsaal. Für diese Kidduschim kommen die Baalej Batim der Chabad-Gemeinde auf. Auch die Gäste der Stadt können sich für die Schabbat- und Jom Tov-Seudot anmelden und vorausbezahlen, und damit ein echtes „Oneg“ haben. (…)

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