Benno Simoni über Gründung und Ziele der Unabhängigen Synagogengemeinde Berlin «Bet Haskala» 

Juli 2, 2014 – 4 Tammuz 5774
«Wir leben hier nicht im luftleeren Raum»

Im März 2014 haben einige Dutzend Berliner Juden die Unabhängige Synagogengemeinde Berlin (USB) «Bet Haskala» gegründet. Sie versteht sich als liberaler Zusammenschluss, offen für alle Jüdinnen und Juden und zu- gleich interessiert an interkulturellem Aus- tausch. An der Spitze dieser Neugründung steht der pensionierte Lehrer und Germanist Benno Simoni (65) mit einem fünfköpfigen Vorstand.

Herr Simoni, die Jüdische Gemeinde Berlin zählt heute schon acht verschiedene Synagogen, dazu noch ein paar kleinere religiöse Gruppen mit eigenen Räumlichkeiten und Lokalitäten. Was hat Sie und Ihre Freunde bewogen, mit «Bet Haskala» noch eine weitere Gemeinde hinzuzugründen?

Vorab möchte ich betonen, dass wir keine Konkurrenzeinrichtung für welche Synagoge oder Gruppierung auch immer darstellen. Bet Haskala war bei der Gründung ist ein Zusam- menschluss ehemaliger Mitglieder von «Sukkat Schalom» am Hüttenweg, die ihren eigenen Weg finden wollten – und zwar einen sehr libe- ralen und gleichzeitig sehr unabhängigen. Inzwi- schen sind weitere Mitglieder aus dem jüdischen Umfeld Berlins hinzugekommen. Bei uns sind jede Frau, jeder Mann und jede Familie willkom- men, die eine liberale jüdische Gemeinschaft sucht, in welcher weniger angeboten, sondern vielmehr direkt mitgestaltet wird. Als wir vor wenigen Wochen unseren ersten Pessach-Seder veranstaltet haben, da stand in der Einladung: «Wir wollen keinen Seder für Euch, sondern einen Seder mit Euch.» Und so eine Botschaft, glaube ich, die wird auch verstanden.

Hat es denn Kritik von der Berliner Gemein- deleitung gegeben?

Bei mir persönlich hat sich noch niemand beschwert. Aber ich glaube, dass zumindest diejenigen mit etwas Weitblick, die auch mal einen Blick über die Grenzen der Stadt oder des Landes hinaus riskieren, verstehen, dass es eine ganz normale Sache ist, wenn sich immer mal wieder kleine jüdische Gruppierungen selbst- ständig machen und dann ihren eigenen Plänen und Visionen folgen. Das muss für die anderen, die lieber in etablierten Strukturen verbleiben, nicht einmal nachteilig sein – solange man mit- einander vernetzt bleibt und sich nicht selbst isoliert. Und dies, seien Sie versichert, wäre das allerletzte, was uns in den Sinn käme.

Wir wollen natürlich auch weiterhin mit der Berliner Gemeinde in Kontakt bleiben, und si- cherlich gibt es auch weiterhin einige gemeinsa- me Berührungsflächen. Wichtig ist da einfach nur die gegenseitige Akzeptanz, ich finde, das klingt besser und ist mehr als Toleranz.

Für einige der ersten Veranstaltungen nutzt «Bet Haskala» die Räumlichkeiten am Hüt- tenweg, dort wo auch «Sukkat Schalom» einst ihr Domizil hatte. Wollen Sie sich dort auf län- gere Sicht einrichten?

Das ist eher nicht unsere Absicht, denn die Berliner Jüdinnen und Juden, die wir vorrangig ansprechen wollen und die sich vielleicht bald in größerer Zahl für unser Projekt interessie- ren werden, die wohnen eher am Wedding, in Prenzlauer Berg, Mitte, Kreuzberg, Neukölln.
Die künftige Synagoge – wenn wir dann ein- mal soweit sein werden –, die muss nicht un- bedingt in dieser Umgebung stehen, aber das eigentliche Gemeindezentrum sollte es schon.

Die «jüdische Szene» in der Hauptstadt ist während der letzten 20 Jahre recht vielgestaltig geworden. Wer könnte sich Ihrer Meinung nach denn noch für «Bet Haskala» interessieren?

Ich möchte da keine Prognosen abgeben, und noch einmal: Willkommen sind alle Jüdinnen und Juden dieser Stadt, die sich für ein liberales Judentum interessieren und die Gemeinschaft auch aktiv gestalten uns leben wollen. Ich könn- te mir sehr gut vorstellen, dass dies auch ein interessantes Angebote für manche der mittler- weile zu Tausenden in Berlin lebenden Israelis wäre. Wie es scheint, haben viele der nach Ber- lin gekommenen Israelis kein sonderlich starkes Faible für Religion, aber gerade an Feierta- gen und zu manchem Schabbat suchen sie eben doch auch eine Synagoge auf und möchten ein Stück jüdische Gemeinschaft auch fernab der Heimat leben. Und da werden sie bei uns genau an der richtigen Adresse sein.

Manche liberalen Gemeinden sind dafür bekannt, sich auch in das kommunale Leben ihrer Umgebung gehörig einzumischen, aber eben auch den Kontakt zu anderen, vor Ort präsenten Religionsgemeinschaften zu suchen. Schwebt Ihnen so etwas auch vor?

Ja, das soll ein fester Bestandteil unserer Arbeit sein. Wir wollen nicht nur den jüdisch- christlichen Dialog, sondern auch den jüdisch- christlich-muslimischen Trialog. Und damit tragen wir nur den Gegebenheiten Rechnung. Wir leben hier nicht im luftleeren Raum. Ich selbst habe schon an Trialog-Veranstaltungen teilgenommen, das war in verschiedenen Städ- ten Deutschlands. Ich denke, solcherart Be- gegnungen zwischen Christen, Muslimen und Juden sind auch in Berlin ganz wichtig. Genau deswegen haben wir auch schon an den Bür- germeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, geschrieben, und ihn um Unterstützung für ein solches Projekt gebeten. Und wir haben ver- schiedene muslimische Gemeinden bewusst auch zu unserer Eröffnungsfeier eingeladen.

Wäre es denn für «Bet Haskala» nicht insgesamt einfacher gewesen, sich einer der etablierten liberalen Synagogen in Berlin an- zugliedern – beispielsweise der Synagoge Pesta- lozzistraße in Charlottenburg oder der Synago- ge Rykestraße im Prenzlauer Berg?

Das Gespräch führte Carlo LAHN

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