Über 1.000 Juden überlebten den Holocaust auf Korsika  

Juli 7, 2017 – 13 Tammuz 5777
Wie die Omerta Leben rettete

Von Tal Leder

Durch die Schweigepflicht der Omerta – dem Ehrenkodex der Mafia, der tief in der Kultur Korsikas verankert ist – riskierten viele Korsen ihr Leben, um über 1.000 Juden vor den Deportationen durch die Nazis zu retten.

Korsika, die “Insel der Schönheit”, ist nach Sizilien, Sardinien und Zypern die viertgrößte Insel im Mittelmeer. Seit 1768 gehört sie zu Frankreich. Von den Genuesen abgekauft, unterdrückt und kolonialisiert, lehnte sich dieses kleine stolze Volk seit dieser Zeit immer wieder gegen seine Besatzer auf. 

Die Korsen, die sich nie als Teil Frankreichs sahen und sein Festland bis heute “Kontinent” nennen, hatten stets ein sehr angespanntes Verhältnis zur “Grande Nation”. Schon seit Jahrzehnten streben sie nach Autonomie. Am stärksten wird dies von der bewaffneten Nationalen Befreiungsfront Korsikas FLNC vorangetrieben, die seit ihrer Gründung 1976 auch vor blutigen Terrorakten nicht zurückschreckt und von der einheimischen Bevölkerung durch die “Omerta”-Tradition geschützt wird. 

Omerta, der “Ehrenkodex des Schweigens”
Vor allem bei Mafia-Organisationen in Süditalien und auf einigen Mittelmeer-Inseln, einschließlich Korsikas ist sie heilig wie eine Religion. Die korsische Mafia ist durch ihre kriminellen Machenschaften berüchtigt.  
Während des Zweiten Weltkrieges aber hatte die Kultur der Omerta etwas durchaus Positives. Als im November 1942 zunächst italienische und später auch deutsche Truppen die Insel besetzten, war die Omerta dem korsischen Widerstand sehr nützlich, um viele Juden vor dem Holocaust zu schützen, die vor dem Nazi-Terror auf die Insel geflohen waren. 

Nach der Niederlage Frankreichs im Westfeldzug Nazi- Deutschlands im Juni 1940 und der Errichtung des kollaborierenden Vichy-Regimes, organisierte die neue Regierung unter Marschall Pétain eine Volkszählung unter seiner jüdischen Bevölkerung, zu denen auch die Juden gehörten, die aus anderen europäischen Ländern wie z.B. Polen und Russland nach Frankreich geflohen waren. Die Volkszählung diente dem Zweck die so registrierten Juden im nächsten Schritt zu verfolgen und dann mit den Zügen in die Todeslager zu schicken. 

Viele Juden, die vor dem Nazi-Terror fliehen wollten, fanden Zuflucht bei hilfsbereiten Franzosen auf dem Festland, die sie versteckten. Andere wiederum kämpften in der Résistance. 

Über 1.000 Juden gingen nach Korsika, wo sie gleichermaßen von der Bevölkerung und den Behörden beschützt wurden. 

Im Gegensatz zum Wirken der Résistance für jüdische Flüchtlinge wurde die heroische Rettung durch die Bevölkerung der bergigen Mittelmeerinsel kaum bekannt. Vor einigen Jahren erst hatten Historiker Dokumente aus Frankreichs Vichy- Regierungsarchiven entdeckt, die beweisen, dass die Korsen trotz amtlicher Aufforderung fast keine Juden an die Behörden der kollaborierenden Franzosen übergeben wurden. Die korsischen Behörden erklärten der Vichy- Regierung immer und immer wieder, dass es noch nie Juden auf Korsika gegeben habe und diese dauernden Beteuerungen überzeugten die Verfolger irgendwann tatsächlich. 

Doch wie die jüngsten Forschungen gezeigt haben sah die Wirklichkeit damals ganz anders aus. Tatsächlich lebten während des Krieges tausende von Juden, die den Nazis entkommen waren, auf Korsika. Sie wurden von den Dorfbewohnern, inklusive Bürgermeistern und Beamten, in den abgelegenen Gebieten der Inseln versteckt.

Nur eine einzige Person wurde gemeldet. Er hieß “Ignaz Schreter” und war 1938 von Deutschland aus nach Frankreich geflohen. Im Herbst 1942 wurde er in kurzer Abwesenheit des Präfekten Paul Balley – der hunderten von Juden half – von seinem unwissenden Vertreter auf Korsika verhaftet, der Schreter als Kommunisten denunzierte. Er wurde in die französischen Lager von Rivesaltes und Drancy und nach Sobibor geschickt, wo er getötet wurde.

Immer wieder versuchten Nazi-Kollaborateure Menschen aufzuspüren, die sie für jüdisch hielten. Doch die korsischen Behörden ließen sich davon nicht beeindrucken und wiesen die Anfragen mit der Antwort “...wir haben keine Juden gefunden” immer wieder zurück. (…)

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