Wie ein antisemitischer Islamist nach seiner Ermordung posthum zum Liberalen befördert wird  

November 9, 2018 – 1 Kislev 5779
Wer war Jamal Kashoggi?

Von Thomas Eppinger 
(www.schlaglichter.at)

15 Männer mit saudischen Diplomatenpässen landen in Istanbul, sie kommen in zwei Privatjets. Ihr Limousinen-Konvoi trifft kurz vor Jamal Kashoggi im saudischen Konsulat ein. Dort wird Kashoggi getötet und sein Leichnam zerstückelt, die Limousinen fahren ab. Wenn das saudische Herrscherhaus dazu den Auftrag gab, war es einer der öffentlichsten Morde eines Geheimdiensts der Geschichte, ausgeführt in einem Land, das man nicht gerade „befreundet“ nennen kann. Was entweder eine enorme Machtdemonstration oder eine noch größere Dummheit wäre. In den ersten Berichten, die den Tod Kashoggis bestätigten, war von der versehentlichen Überdosierung eines Betäubungsmittels bei einem Entführungsversuch die Rede, inzwischen heißt es, er sei bei einem Kampf ums Leben gekommen. Ob die ganze Wahrheit je ans Licht kommt, ist ungewiss.

Die „Washington Post“ veröffentlichte Kashoggis letzten Kommentar mit einer besonderen Würdigung: „Diese Kolumne offenbart perfekt seine Hingabe und Leidenschaft für die Freiheit in der arabischen Welt. Eine Freiheit, für die er anscheinend sein Leben gegeben hat.“ Jamal Kashoggi, gefallen im Kampf für Recht und Freiheit? Wie so oft im Nahen Osten liegen die Dinge nicht so einfach wie sie scheinen.

Islamist in liberaler Tarnung – und ein Freund Bin Ladens
Vor seinem selbstgewählten Exil in den USA war Kashoggi einer der einflussreichsten Männer in Saudi-Arabien. In der Medienlandschaft des Königreichs, in der nichts ohne die Billigung des Herrscherhauses erscheint, wurde Kashoggi zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten des Landes und stieg zu einem engen Vertrauten des 2015 verstorbenen Königs Abdullah und des saudischen Prinzen auf.

Er sei außerordentlich gut vernetzt gewesen, berichtet die „New York Times“, „der gelassene Mann schien in den letzten drei Jahrzehnten jeden zu kennen, der etwas mit Saudi-Arabien zu tun hatte“. Der Aufstieg Kashoggis habe mit dessen Freundschaft zu Osama bin Laden begonnen, in Zeiten des Dschihads der Afghanen gegen die Sowjetunion. Den Tod Osamas habe Kashoggi mit den Worten beklagt: „Ich bin vor einer Weile weinend zusammengebrochen, mit einem gebrochenen Herz deinetwegen, Abu Abdullah [Bin Ladens Spitzname]. Du warst schön und tapfer in diesen schönen Tagen in Afghanistan, bevor du dich Hass und Leidenschaft ergeben hast.“

Kashoggi sei schon in frühen Jahren den Muslimbrüdern beigetreten, und habe während seiner Karriere im Dienst der Monarchie seinen persönlichen Hang zur elektoralen Demokratie und einem Politischen Islam nach den Vorstellungen der Muslimbruderschaft verborgen. „Obwohl er später aufhörte, an Treffen der Bruderschaft teilzunehmen, verharrte er bei deren konservativen, islamistischen und oft antiwestlichen Rhetorik, die er einsetzen oder verbergen konnte, je nachdem, mit wem er Freundschaft schließen wollte.“

Zeige mir Deine Freunde, und ich sage Dir, wer Du bist!
Laut der Zeitschrift „Haaretz“ war Kashoggi zudem ein enger Freund von Assam Tamimi, einem unermüdlichen und vehementen Unterstützer der Hamas. Tamimi lebt in London und moderiert eine Sendung im arabischsprachigen TV-Sender Al-Hiwar. Er hat immer wieder die „palästinensischen“ Selbstmordattentäter gepriesen und lobte die Hamas als „Verteidiger der Wahrheit“, die Opfer zum Wohle aller Muslime gebracht hätten. Tamimi zufolge sei die Hamas der wahre Vertreter des „palästinensischen“ Volkes. Bei einer Demonstration zum Al-Quds-Tag verlangte er die „Entfernung des Krebsgeschwürs Israel“, in Interviews mit der BBC bekräftige er seine Bereitschaft, als „Märtyrer“ in einem Selbstmordattentat gegen Israelis zu sterben. Mit Tamimi verbrachte Kashoggi die letzten Stunden vor seinem Flug in die Türkei.

Der „Kampf gegen Israel“ sei im Zentrum seiner islamistischen Agenda gestanden, so „Haaretz“, er hätte selbst eine leidenschaftliche Ode an die Hamas verfasst und unter einem „gemäßigten Islam“ unter anderem die Lehren von Yusuf al-Qaradawi verstanden. Qaradawi ist ein einflussreicher Hassprediger aus Katar, der im Sender Al-Jazeera den islamischen Terrorismus propagiert. 2004 hatten mehr als 2.500 muslimische Intellektuelle aus 23 Ländern die UNO in einer Petition aufgefordert, die „Theologen des Terrors“ vor ein internationales Tribunal zu stellen und ihnen zu verbieten, mit Religion zur Gewalt anzustiften. Qaradawi wird in dieser Petition namentlich erwähnt, die Unterzeichner beschreiben ihn als einen der „Scheichs des Todes“. Im Jahr davor hatte Qaradawi eine Fatwa erlassen, die ausdrücklich das Töten von schwangeren israelischen Frauen und deren ungeborenen Kindern erlaubt, weil die Kinder als Erwachsene zur Israelischen Armee gehen könnten.

Ein Mann, der Jahrzehnte lang als enger Vertrauter des Hauses Saud diente; ein eifriger Unterstützer des „palästinensischen“ Terrors, der eng mit Hasspredigern befreundet war; ein Protagonist des politischen Islam der Muslimbruderschaft; ein Muslim, der einen Islam, in dem zum Mord an schwangeren Jüdinnen samt deren ungeborenen Kindern aufgerufen wird, für moderat hält – das klingt nicht gerade nach einem Liberalen, der für die Freiheit sein Leben gegeben hat.

Jamal Kashoggi war weder liberal noch fortschrittlich, zu keinem Zeitpunkt verfolgte er das Modell einer pluralistischen Demokratie. Seine Ziele waren die Auslöschung Israels und die Errichtung einer islamischen Theokratie mit „demokratischen“ Mitteln. (…)

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke