Vor allem in Unterfranken siedelten sich in der frühen Neuzeit zahlreiche Juden an  

März 4, 2016 – 24 Adar I 5776
Was Franken so attraktiv gemacht hat

Von Pat Christ

An über 200 Orten des heutigen Unterfranken lebten im Jahr 1817 jüdische Familien. Damit gehörte Unterfranken zu dem am dichtesten jüdisch besiedelten Gebiet Frankens. Innerhalb Deutschlands wiederum fällt Franken durch eine historisch hohe jüdische Siedlungsdichte auf. Die Gründe finden sich in den Judenvertreibungen aus Altbayern, der Suche nach Kaisernähe und der damaligen Herrschaftsstruktur, erläutert Rotraud Ries, die das in Würzburg etablierte Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken leitet.

Bereits um 1100 hatten sich Juden in Würzburg niedergelassen. Vermutlich waren sie aus Worms und anderen rheinischen Städten wegen der dortigen Massaker von 1096 hierher geflohen. Im Rheingebiet war es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen jüdische Bürger gekommen, als sich die Kreuzfahrer von Frankreich aus auf den Weg ins Heilige Land machten.

Viele der Vertriebenen siedelten sich Ries zufolge in Würzburg an, da die Bischofs- und Handelsstadt verkehrsgünstig am Main lag. 1120 wurde die erste Mainbrücke gebaut. Das intensivierte Handel und Verkehr, die Stadt wurde laut der promovierten Historikerin als Siedungsort für Juden noch einmal attraktiver. Vor 1350 gab es in Unterfranken nachweislich 35 jüdische Siedlungen. Die meisten lagen an Flussläufen.

Grabsteine, die 1987 im Würzburger Stadtteil Pleich entdeckt wurden, zeigten auf, dass die Stadt zwischen 1147 und 1349 ein Zentrum jüdischer Religion, Kultur und Bildung von europäischem Rang war. International renommierte Rabbiner wirkten hier oder ließen sich hier ausbilden. Darunter waren der aus Mainz stammende Halachist Eliëser ben Nathan, sein Schwiegersohn Joel ben Jizchaqhal-Levi, dessen Sohn Elieser ben Joel hal-Levi, Jizchaq Or-Sarua, Meïr ben Baruch von Rothenburg und El’asar ben Mosche had-Darschan.

Nach dem Pogrom aufs Land
Die positive Entwicklung stoppte mit dem „Rintfleisch-Pogrom“ 1298. Der Pogrom begann, als in der kleinen fränkischen Stadt Röttingen Gerüchte über eine Hostienschändung aufkamen. Angeführt von einem Adeligen namens Rintfleisch zogen „Judenschläger“ durch ganz Franken und verübten ein Massaker an den örtlichen Gemeinden. Die Verfolgungswelle forderte zwischen 4.000 und 5.000 Opfer. 1336 und 1349 kam es zu weiteren schweren Verfolgungen. Die urbane Phase des fränkischen Judentums war damit zu Ende, so Ries: „Das jüdische Leben verlagerte sich aufs Land.“

Prinzipiell siedelten sich Juden im Mittelalter gern in der Nähe des Kaisers an, denn der war ihr oberster Schutzherr. Einzelne Juden standen schon seit Heinrich IV. unter besonderem Schutz. Friedrich II. dehnte den Schutz auf alle jüdischen Untertanen aus. Im Privileg von 1236 sichert er ihnen Schutz des Eigentums und Freiheit im Handel zu.

Weil sie die Nähe der im Süden residierenden Kaiser suchten, kam es hier zu deutlich mehr Ansiedlungen als im Norden des Alten Reichs. Allerdings gab es gleichzeitig auch landesfürstliche Rechtsansprüche gegenüber den Juden. Im 16. Jahrhundert verlor die kaiserliche Judengesetzgebung gegenüber landesfürstlichen Schutzordnungen und Judenbriefen an Bedeutung.

Nun war Franken damals anders als andere Regionen stark herrschaftlich zersplittert, die einzelnen Herrscher standen untereinander in politischer Konkurrenz. Der gegen hohe Abgaben eingehandelte Judenschutz war für sie eine willkommene Einnahmequelle. Außerdem schätzten sie Juden als Händler und finanzkräftige Kreditgeber. Herrscher betrieben also oft aus fiskalischen Gründen eine äußerst judenfreundliche Politik.

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