Von Judith Bergman (Redaktion Audiatur)
Während US-Präsident Donald Trump unter den ersten war, die Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zum Wahlsieg gratulierten – wie auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, Zyperns Präsident Nicos Anastasiades und Honduras’ Präsident Juan Orlando Hernández, um nur einige zu nennen – hielten sich die größten und mächtigsten Länder der Europäischen Union, Frankreich, Großbritannien und Deutschland zurück.
Vielleicht wollten sie die Bildung der nächsten israelischen Regierung abwarten. Vielleicht fiel es ihnen schwer, jemandem zu gratulieren, dessen Meinung über Politik im Nahen Osten sie so sehr widersprechen. Diese drei Länder diktieren schließlich die Politik in der EU, einer Organisation, deren Außenbeauftragte Federica Mogherini kürzlich an einem Treffen der Arabischen Liga teilnahm, wo sie erklärte:
„Der erste Punkt, die erste Top-Angelegenheit auf unserer Agenda: Israel und Palästina. Wir müssen weiterhin sehr eng miteinander zusammenarbeiten, weil wir dasselbe Gefühl der Priorität, dasselbe Gefühl der Dringlichkeit, dieselben Sorgen und dieselben Ziele haben: zu bedeutenden Verhandlungen über die Zwei-Staaten-Lösung zurückzukehren, die die einzig tragfähige, realistische Lösung ist.“
Sie versicherte der Arabischen Liga zudem:
„Und Sie wissen, dass Sie auf die Europäische Union zählen können, was die palästinensische Angelegenheit betrifft. Wir teilen genau dieselben Ansichten und es ist in diesem Augenblick lebenswichtig, dass wir dabei zusammenarbeiten.“
In den Vereinigten Staaten beklagten zahlreiche Demokraten Netanjahus Wiederwahl; einige erklärten, dass diese die Aussichten auf Frieden im Nahen Osten eintrübe, während einige Demokraten wie Beto O’Rourke und Bernie Sanders, die sich Hoffnungen auf die Präsidentschaft machen, die Israelis schon Tage vor der Wahl beschimpft hatten, indem sie Netanjahu einen „Rassisten“ nannten. „Die Beziehungen zwischen den USA und Israel gehören zu den wichtigsten Beziehungen, die wir auf dem Planeten haben“, sagte O’Rourke, „und wenn diese Beziehung erfolgreich sein soll … dann muss sie über einen Ministerpräsidenten hinwegkommen, der rassistisch ist.“
Auch jüdische Gruppen in den USA zeigten sich alarmiert ob der demokratischen Entscheidung, die die Israelis getroffen hatten. Rabbi Rick Jacobs, Präsident der Union für Reformjudaismus, sagte: „Wir sind insbesondere besorgt über die von Ministerpräsident Netanjahu gemachten Äußerungen, in denen er die Annexion jüdischer Siedlungen im Westjordanland forderte, ein unilateraler Schritt, der eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich machen und den jüdischen demokratischen Staat unhaltbar machen würde.“ Neun amerikanische jüdische Gruppen gingen noch einen Schritt weiter und bettelten den US-Präsidenten an, Netanjahu daran zu hindern, sein Versprechen der Annexion einzulösen.
All diese Äußerungen von „Sorge“ um die Zwei-Staaten-Lösung und den demokratischen Charakter Israels enthüllen einen Abgrund von Ignoranz darüber, wie die Wirklichkeit vor Ort in Israel aussieht und vor allem darüber, wie die meisten Israelis denken. Israel hat mit überwältigender Mehrheit für den Likud gestimmt, der mit 36 Sitzen sein bestes Ergebnis seit 2003 verzeichnen konnte. Selbst die hart geprüfte Stadt Sderot, die an der Grenze zum Gazastreifen liegt und seit dem Rückzug Israels aus Gaza die meisten Raketenangriffe zu ertragen hatte, hat in hohem Maße für Netanjahu gestimmt, der Likud erhielt hier 43,5 Prozent der Stimmen. (…)
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