Wie die Medien mit vorsätzlich falschen Begriffen Meinungen manipulieren, die Unschuldsvermutung für den israelischen Ministerpräsidenten verneinen und den amerikanischen Präsidenten dämonisieren. 

März 8, 2019 – 1 Adar II 5779
Von „Ultraorthodoxen“ Juden und „Kämpfern“ für den IS

Von Jaklin Chatschadorian

Istanbul, Anfang der 60er Jahre. Die Familie meiner Mutter hat Besuch aus der alten Heimat Sivas, der ehemals armenischen Provinz Sebastia in Zentralanatolien, empfangen. Dabei ist auch Döndü Yaya (Großmutter Döndü). Sie war um die 70 Jahre alt und hatte den Völkermord an den Armeniern überlebt, vieles gesehen und vieles zu erzählen. Diesmal war es Zeit, der alten Dame eine Freude zu machen und die Gastgeber wollten ihr selbstverständlich etwas Besonderes darbieten: Ein Open-Air-Kinoerlebnis! So zogen sich alle schick an und freuten sich auf einen großartigen Filmabend, man nahm seinen Platz ein. Krieg und Liebe standen auf dem Programm. Der Film, der ziemlich ruhig begonnen hatte, wurde immer spannender und plötzlich wurde zum Angriff geblasen. Bewaffnete Männer rannten nebeneinander aufgestellt auf den Feind, genauer die Zuschauer, zu.

Döndü Yaya stockte der Atem. Die Sekunden der Angriffsszene schreckten sie hoch und sie trommelte die Lieben um sie herum zusammen: „Steht auf! Steht auf! Rennt um Euer Leben! Der Krieg, sie jagen uns wieder.“ Mit Engelszungen erklärte man ihr das Wesen des Lichtspieltheaters und der Abend nahm zwar ein kurzes, aber dennoch schönes Ende bei einem Tee.

Heute befasst sich die Medienwirkungsforschung genau mit diesem Phänomen. Zwar hat man die Wirkung von filmischen Abenteuern auf das menschliche Gemüt bereits erforscht. Vor allem aber versucht man sich die bisherigen Erkenntnisse politisch zunutze zu machen.

Politische Themen werden nicht mehr nur präsentiert. Der Empfänger der Nachricht, ob Bürger, Leser, Zuschauer oder Zuhörer, erhält speziell aufbereitete Nachrichten und verliert damit seine ursprüngliche Deutungshoheit. So wird die Meldung in bestimmte Raster eingebettet und mit ausgesuchten Begriffen, die eine bestimmte Konnotation innehaben, versehen. Einzelne Informationen werden hervorgehoben oder bleiben unerwähnt und lösen damit automatisch bzw. unbewusst die gewünschte Bewertung aus. Ausgewählte Schwerpunkte werden gesetzt, von anderen Mediendienstleistern – etwa der Einfachheit halber – ungeprüft übernommen uvm. Öffentlich-rechtliche Medienanstalten, etablierte Magazine, Tageszeitungen und populäre Journalisten genießen mit Blick auf den Wahrheitsgehalt und die Qualität ihrer Nachrichten einen Vertrauensvorschuss. Je einseitiger und routinierter die Medienauswahl beim Empfänger ausfällt, umso erfreulicher das Denkergebnis.

Die Aufregung um die Empfehlungen der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling ist kostbar. Schließlich ist das Thema durch eine glückliche Fügung mit der notwendigen Kritik auf die Tagesordnung getreten. Doch wissen wir alle auch, es geht nicht um eine Person oder eine Sendeanstalt. Der Medienskandal um Claas Relotius, ein mehrfach ausgezeichneter Journalist, der nunmehr für das Erfinden von politisch gewollten Nachrichten steht, ist noch nicht wirklich kalt. Auch die Neuen Deutschen Medienmacher (NDM) sind hier zu nennen. Dieser Zusammenschluss von Medienschaffenden, der sich für „Vielfalt“ in den Medien einsetzt, hat bereits 2015 ein Glossar mit „Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland“ herausgegeben. Man setzt sich also nicht für die Vielfalt an verschiedenen Meinungen im Sinne der Meinungsfreiheit ein, sondern für die Widerspiegelung der gesellschaftlichen Vielfalt in der Berichterstattung durch empfohlene Sprachvorlagen. Welch Oxymoron! So bietet das Glossar etwa an, auf den Begriff „Clan“ zu verzichten, weil dieser in der Kriminalitätsberichterstattung eine andere Herkunft impliziere. Alternativ könne schlicht von einer großen Familie die Rede sein. Der Ehrenmord wiederum sei letztlich nur ein Beziehungstat, eine Familientragödie oder ein Eifersuchtsdrama, wie sie auch in einem standarddeutschen Umfeld vorkommen könne. Dass damit archaische Strukturen und Motive schön- bzw. weggeschrieben werden, die Kultur und/oder Religion rein gehalten wird, ist gewollt.

Kämpfer“ statt Terrorist

Sie kennen den Unterschied zwischen dem Freiheitskämpfer und dem Terroristen. Ein Freiheitskämpfer ist jemand, der sich im Kampf gegen eine ungesetzliche Macht, für die Freiheit seines unterdrückten Volkes befindet. Diese Bezeichnung drückt meist eine gewisse Sympathie für den Kämpfer und sein Ziel aus. Ist doch der Kampf, anders als der Angriff, positiv konnotiert, steht für Einsatz, Mühe und Ziel. Dem Terroristen hingegen gilt diese Sympathie nicht. Mit Blick auf Israel stellt sich diese Frage selbstverständlich besonders oft. Der Konsument deutscher, im Besonderen öffentlich-rechtlich finanzierter, Medien fragt sich vermutlich nicht einmal, warum Mitglieder der Hamas oder gar Jassir Arafat als Freiheitskämpfer gelten, zumal der Fatah-Gründer sich mit einem Friedensnobelpreis schmücken darf. Seit wann aber haben wir es nicht mehr mit den Terroristen oder Schergen des Islamischen Staates (IS), sondern mit IS-Kämpfern zu tun?

Rechts“ ist in Deutschland kein neutrales Wort

Benjamin Netanjahu, immerhin amtierender Ministerpräsident einer Demokratie, sieht sich derzeit mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Zwar sprach sich der zuständige Generalstaatsanwalt grundsätzlich für eine Anklage aus. Formal fehlt jedoch noch die Anhörung des Beschuldigten. Die „Tagesschau“ titelt „Rechte Parteien in Israel unterstützen Netanjahu“. Sicherlich, die Parteien an der Seite Netanjahus sind rechts zu verorten. Wir wissen aber auch, welche Hysterie diese Zuschreibung in Deutschland inzwischen auslöst. Auch der „Spiegel“ spielt dieses Spiel und will mit der Headline „Ende einer Ära?“ fast schon die Beerdigung des „ewigen Amtsinhabers“ ausrichten. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ interessiert nur, wenn es um Ehrenmord oder Clan-Kriminalität geht. Dann wird selbstverständlich penibel darauf geachtet das Adjektiv „mutmaßlich“ zu benutzen. Nach den Empfehlungen der NDM sollte man sogar die wesentlichen Informationen zur Einordnung der Tat unterschlagen.

US-Präsident Donald Trump kennt diese Art der stiefmütterlichen Liebe. Ihm ist es – immer noch – zu verdanken, dass Kim Jong Un auf Raketentests verzichtet. Dass der neueste Gipfel an dieser Stelle ergebnislos zu Ende ging, ist richtig, auch unerfreulich, mitnichten aber das Ende der Gespräche. Gleichwohl schlägt dem Mann eine deutsche Empörung mit geballter Faust entgegen. Außenminister Heiko Maas spricht im „Morgenmagazin“ nicht nur sein Bedauern aus. Der Iran-Helfer erweckt den Eindruck, die erhoffte Denuklearisierung Nordkoreas sei endgültig zu begraben.

Die Türkei aber darf sich freuen. Obgleich der Realisierung einer Macht nach dem Vorbild Hitlers, inklusive einer Außenstelle in Deutschland, hat weder die Wut der deutschen Medien noch die der deutschen Politik den nationalislamistischen Führer getroffen. Er ist stets und lediglich „der Präsident der Türkei“. Schließlich ist er Muslim, nicht Islamist, nicht Terrorist und hat auch keine ultraorthodoxe Anhängerschaft. Anders als der Amerikaner oder gar der Zionist ist er nicht Inhaber der verschwörerischen Weltmacht, hat trotz Plänen bis ins Jenseits weder etwas mit Wahlfälschung noch mit Endlos-Diktatur, zu tun, ihm ist Korruption fremd und eine Mauer baut er nicht.

Zumindest ist er in der Lage, jeden, der so etwas behauptet, schnell genug zu verhaften.

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