Der Autor Boris Fernbacher hat ein umfangreiches Werk über die verschiedensten jüdischen Musikrichtungen veröffentlicht 

Juli 6, 2018 – 23 Tammuz 5778
Vom Jerusalemer Tempel nach New York: 3.000 Jahre jüdische Musikgeschichte

Von Matti Goldschmidt

Boris Fernbacher, Jahrgang 1963, arbeitet freiberuflich als Klavierlehrer und Journalist und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit jüdischer Musik, Kultur und Geschichte. Nun legt er ein mit 482 Seiten äußerst umfangreiches Buch vor, das im Wesentlichen eine Sammlung seiner Artikel ist, die von ihm, mitunter gekürzt oder auch ergänzt, bis dato in der Online-Enzyklopädie Pluspedia veröffentlicht waren. Gleich im Vorwort macht es der Autor dem potentiellen Leser allerdings nicht gerade leicht: So sollten etwa musiktheoretische Kenntnisse des Lesers vorhanden, Intervallbezeichnungen wie ein Terz oder eine Quinte zuordenbar sein. „Zum Verständnis der im Buch enthaltenen Notenbeispiele sollte man zumindest ein einstimmiges Lied oder einen Klaviersatz lesen können“ – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wolle man ein Notenblatt lesen. Jedoch, unter den zwanzig Kapiteln gibt es so viel zu lesen, dass auch ein musikalisch ungebildeter Leser auf seine Kosten kommen kann, so zumindest die Meinung des Rezensenten. Allerdings mit der Einschränkung, dass eine rote Linie in der Anordnung der Beiträge nicht zu finden ist – was insofern ein kleiner Vorteil wäre, dass man jeden einzelnen Beitrag vollkommen isoliert lesen kann, um das Buch gegebenenfalls für ein paar Wochen wieder zur Seite zu legen.

Was ist jüdische Musik?
So unterschiedlich die Anordnung der Beiträge ist, so unterschiedlich sind auch die einzelnen Themen, die behandelt werden, vergleicht man etwa Beitrag I über das Leben der Brüder Al-Kuwaity, im Irak als Stars gefeiert, in Israel nahezu übersehen und unbekannt, mit dem Beitrag II über Synagogalmusik oder Beitrag Nummer III, der eigentlich eine Antwort auf eine der Gretchenfragen überhaupt geben sollte: Was ist jüdische Musik? Dieser Frage sollte konsequenterweise gleich eine weitere Fragen folgen, nämlich: Kann jüdische Musik irgendwie definiert, eingegrenzt oder auch von „nicht-jüdischer Musik“ abgegrenzt werden? Oder: Kann ein Nichtjude überhaupt jüdische Musik spielen?

Wenn also der in Berlin gebürtige Musikologe Curt Sachs (1881-1959) feststellt, dass jüdische Musik diejenige Musik sei, „die von Juden für Juden als Juden gemacht“ wird, dann erkennt der Musikologe Fernbacher ganz richtig, dass in dieser Definition rein musikalische Kriterien gänzlich unberücksichtigt bleiben und „der Begriff allein über die Person des Produzenten und Rezipienten der Musik bestimmt wird“. Außerdem würde Sachsens Definition implizieren, dass die Befähigung zur Komposition jüdischer Musik genetisch vererbbar sei (was eine „rassistische Komponente“ beinhalte) und nicht über die Musikausbildung bzw. -praxis erwerbbar wäre. Ob allerdings eine weitere Definition aus einem Musiklexikon der Problematik näherkommt, mag bezweifelt werden, indem nämlich jüdische Musik als eine Musik bezeichnet wird, „die formalen, stilistischen oder semantischen Zeichen jüdischen Verhaltens [sic!] oder jüdischer Kultur miteinander in Verbindung setzt“.

Fernbacher wählt einen anderen Ansatz, nämlich den Bereich Personalien oder vage kulturelle Bezüge zu verlassen, sondern eine Definition über ausschließlich musikimmanenter Kriterien zu finden. Dabei bespricht er jeweils ein Werk von vier nichtjüdischen Komponisten (Bruch, Ravel, Schostakowitsch und Strawinsky) und fand beispielsweise im textlichen Bereich durchaus „etliche Bezüge zur jüdischen Geschichte und Kultur“; auch auf rein musikalischer Ebene konnten, etwa neben Anleihen an die Instrumentation jüdischer Volksmusik, einige typisch jüdische Elemente wie die Verwendung einer am synagogalen Rezitationsstil verwendeten Metrik oder die Verarbeitung traditioneller jüdischer Melodien gefunden werden. Zu einer finalen Antwort allerdings ließ sich Fernbacher selbst nicht hinreißen und schloss dieses Kapitel mit einem Zitat des Musikkritikers Seth Rogovoy, Autor des im Jahre 2000 erschienenen Buches „The Essential Klezmer: A Music Lover’s Guide to Jewish Roots and Soul Music“, der zu jüdischer Musik etwas emotionslos sagte: „Ich weiß es, wenn ich sie höre!“ (…)

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