Nathan Gelbart, Vorsitzender von Keren Hayesod Deutschland, über Spenden und geförderte Projekte in Israel, die Berichterstattung in deutschen Medien und Zivilcourage 

August 7, 2014 – 11 Av 5774
«Viel Unterstützung durch Einzelpersonen»

Herr Gelbart, können Sie uns kurz etwas zur Geschichte und zum politischen Profil von Keren Hayesod sagen?
Der Keren Hayesod – auf Deutsch «Gründungsfonds» – wurde zeitgleich mit dem völkerrechtlichen Mandat an das Vereinigte Königreich zur Gründung eines jüdischen Staates im Mandatsgebiet Palästina im Jahre 1920 gegründet. Es war klar, dass das rein politische, völkerrechtliche Mandat allein ohne finanzielle Unterstützung jüdischer Gemeinden in der Diaspora nicht umsetzbar war. Seit der Staatsgründung 1948 ist es Aufgabe des Keren Hayesod, weltweit Juden in Not zu retten und die jüdische Einwanderung nach Israel zu fördern. Vor allem werden Gemeinden mit einem hohen Anteil an Neueinwanderern unterstützt, um ihren Verbleib in Israel und ihre Chancengleichheit mit im Lande geborenen Israelis zu sichern.

Was sind gegenwärtig die Aktivitäten von Keren Hayesod in der Bundesrepublik?
Der Keren Hayesod reagiert aktuell auf die Ereignisse in der Ukraine und natürlich in Israel. Mit unserem Projekt «Selah» unterstützen wir die Einwanderung ukrainischer Juden, die seit den Spannun- gen mit russischen Separatisten besonders im Fadenkreuz ukrainischer Extremisten stehen. In Israel unterstützen wir die Renovierung von zivilen Luftschutzbunkern sowie die Stationierung neuer, mobiler Schutzeinrichtungen. Oftmals sind gerade ältere und behinderte Menschen nicht in der Lage, innerhalb von gerade einmal 15 Sekunden Schutz in unterirdischen Luftschutzbunkern zu finden.

Gibt es bezüglich des Spendenaufkom- mens in den letzten Jahren eine positive Entwicklung?
Friends in need are friends indeed – gerade in Krisenzeiten wie heute zeigt es sich, dass sich Israel auf einen großen Teil der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik verlassen kann. Leider nicht institutionell, aber individuell. Institutionen, die neben netten Worten für Israel ohne weiteres auch finanziell helfen könnten, halten ihre Groschen lieber für ihre aufgeblasenen Haushaltspläne bei- sammen. Natürlich ärgert das sehr. Dafür zeigen immer mehr Familien und Einzelpersonen Verständnis für die finanziellen Bedürfnisse ihrer Brüder und Schwestern in Israel.

In welchem Verhältnis stehen kleine zu großen Spenden?
Zum Glück erhalten wir beides. Ohne unsere langjährig angestammten Großspender und ihre diese Tradition fortsetzenden Erben gäbe es den Keren Hayesod in dieser Form in Deutschland nicht mehr. Aber wie bereits gesagt, immer mehr Einzelpersonen unterstützen den Keren Hayesod mit den in ihren Möglichkeiten stehenden Spendenbeträgen. Übrigens wächst auch der Anteil von Mitgliedern christlicher Gemeinden, die sich über un- sere Projekte immer mehr auch finanziell für die Menschen in Israel einsetzen. Eine emotional sehr gut tuende Entwicklung.

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Der amerikanische Professor Theodore Sasson von der Brandeis University schreibt in seinem 2014 erschienenen, englischsprachigen Buch «Der neue Amerikanische Zionismus», dass sich das Spendeverhalten von Juden in USA in den letzten Jahrzehnten und Jahren massiv geändert hat. Wurden beispielsweise 1975 noch 223 Millionen US-Dollar an zentrale Organisationen wie die Jewish Agency (UJA) gespendet und ‚nur‘ 60 Millionen direkt an israelische Nichtregierungsorganisationen (NGOs), so haben sich diese Zahlen bis 2007 vollkommen gedreht. 2007 wurden 330 Millionen an die Jewish Agency gespendet, aber 1,7 Milliarden US-Dollar gingen direkt an NGOs in Israel. Diese Zahlen sind aufgrund der Wirtschaftskrise 2008 wieder gesunken, aber das Verhältnis bleibt ähnlich. Natürlich werden die Zahlen für Deutschland und Europa sehr viel kleiner sein. Gibt es aber auch in Deutschland oder Europa einen ähnlichen Trend im Verhalten von Spendern in Bezug auf Israel?

Die Strukturen jüdischer Gemeinden in den USA und in Deutschland sind traditionell, wirtschaftlich, historisch und vor allem numerisch nicht mit Deutschland vergleichbar. Der Keren Hayesod stellt auch in den USA die größte jüdische Spendenorganisation und firmiert dort als «UJA United Jewish Appeal». Die Spenden gehen je zur Hälfte nach Israel und in die regionalen jüdischen Gemeinden innerhalb der USA. In Deutschland ist das anders. Jedoch werden die Spender wie die Finanzämter auch hier zu Recht genauer und akribischer: Es ist nachzuweisen, dass die Gelder bei dem vom Spender ausgewählten Projekt und Spendenzweck auch ankommen. Das leisten wir gerne, und es erhöht die Vertrauensbasis ungemein.

Denken Sie, man kann ernsthaft von einer «objektiven Berichterstattung» über Israel in den deutschen Mainstream-Medi- en sprechen?
Es gibt keinen Lackmustest für die Frage der «Objektivität». Auch bietet die sehr breite Medienlandschaft in Deutschland genug Anlässe für durchaus unterschiedliche Eindrücke.

Das Gespräch führte Clemens HENI

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