Gusch Etzion-Bewegung im Fadenkreuz der Terroristen  

April 7, 2016 – 28 Adar II 5776
Und du bist einer von ihnen!

Von Chaya Tal

In unserer Karavansiedlung haben wir eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe für alle Einwohner. Diese ist auch recht lebendig, und auch öfters mal nützlich, wenn man sich untereinander austauschen kann.

Als Ende Februar die Nachricht von Jochanan, meinem Nachbarn, mit der Bitte um ein Gebet für Genesung verschickt wurde, wusste ich schon zuvor, dass es ein Attentat gegeben hatte, wieder einmal bei uns an der Gusch-Etzion-Kreuzung, um die Mittagszeit. Es ist immer dasselbe Prinzip – Araber mit Messer versucht, an der Bushaltestelle wartende Menschen anzugreifen.

Dieses Mal war etwas „schief gelaufen“ – den Nachrichtenmitteilungen entsprechend rannte der Attentäter auf die Gruppe Wartender mit einem Messer in der Hand zu, doch wurde er sehr schnell von den Sicherheitskräften, die jede Haltestelle auf der Kreuzung bewachen, entdeckt. Auch einer der Wartenden entdeckte den Terroristen: Eliav Gelman, 30 Jahre, aus der benachbarten Siedlung Karmey Tzur. Eliav, Vater zweier kleiner Kinder und Reserveoffizier in einer Einheit der israelischen Luftwaffe, war gerade unterwegs nach Hause von einer Reserveübung und trug eine Waffe bei sich. Er zückte die Waffe, als er den Angreifer auf sich zulaufen sah, und schoss. Dasselbe taten auch die Soldaten.

Der Terrorist wurde niedergeschossen, mittelschwer verletzt. Doch Eliav wurde ebenfalls verletzt, denn er geriet in die Schusslinie der Soldaten – zwei Kugeln trafen ihn am Oberkörper.

Nach der moralischen Leitlinie der israelischen Armee und der medizinischen Versorgungsdienste wird bei Verletzten kein Unterschied gemacht, ob es sich dabei um Opfer oder Täter handelt, um Angreifer oder um Verteidiger. Beide werden gleichermaßen entsprechend ihrer Verletzungen versorgt und ins Krankenhaus gebracht. Der Terrorist wurde evakuiert. So auch Eliav.

Kurze Zeit später gaben die Nachrichten bekannt: Der Terrorist, ein 26-jähriger Mann, von Beruf Lehrer (!), aus den Südhevronbergen, wurde behandelt und hatte überlebt. Eliav verstarb an den Schusswunden.

Diese Art von Tragik hatte es schon zwei Mal während der letzten „Messerintifada“ gegeben; einmal war es ein offenbar geistig verwirrter Mann in einem Jerusalemer Bus, der etwas von „Isis“ schrie und mit einem Werkzeug fuchtelte und in diesem Kontext erschossen wurde – die Untersuchungsergebnisse hatten dies ergeben. Ein anderes Mal wurde ein eriträischer Zuwanderer nach einem Attentat auf dem Zentralbusbahnhof in Beer Schewa, der versehentlich für den Attentäter gehalten wurde, erschossen.

Und jetzt, Eliav, gestorben an den Kugeln der eigenen Kameraden, während er dabei war, ein Attentat auf Unschuldige abzuwehren.

In meiner Whatsapp-Gruppe fand ich heraus, dass es sich bei Eliav um den Ehemann der Schwester meiner Nachbarin Chenit handelte, hier aus der Karavansiedlung. Diese Nachricht reichte mir, um trotz des späten Arbeitsschlusses in Jerusalem zur Beerdigung zu reisen, welche am selben Abend auf dem lokalen Friedhof des Kibbutz Kfar Etzion stattfinden sollte.

Eliav. Ich kannte ihn nicht, aber trotz der üblichen Trauer um ein weiteres Terroropfer wollte ich Anteil am Schicksal meiner Nachbarin zeigen, deren Schwester es getroffen hatte. Alle sind sie jung. Was sind schon 30 Jahre und zwei kleine Kinder? Das Leben sollte vor ihnen stehen.

Ich wartete auf einen Anhalter an der Autobahnkreuzung 60 im Stadtteil Gilo, Jerusalem, Richtung Gusch Etzion. Kaum eine Minute war vergangen, da hielt ein Fahrzeug an. „Kfar Etzion“, sagte einer der jungen Männer mit Kippa im Wagen. Der Kibbutz, wo die Beerdigung stattfinden sollte. Ich stieg ein, es dauerte noch, bis er die Windschutzscheibe gereinigt bekam. Unterdessen fragte ich seinen Beifahrer und noch eine Zugestiegene, ob sie zur Beerdigung von Eliav fahren würden. Sie bejahten.

Wir fuhren los. Die beiden unterhalten sich vorne, plötzlich sagt der Fahrer: „Erst heute Mittag habe ich ihn zur Gusch-Kreuzung gefahren. Von hier aus, von Gilo. Ich habe ihn dort abgesetzt und bin heimgefahren. Ich kenne ihn aus dem Reservedienst. Am vorigen Abend haben wir noch miteinander gechattet. Ich kenne ihn nicht wirklich gut, aber wir waren zusammen in der Reserve.“

Und er erzählt mir, die ich sprachlos bin von so einer unerwarteten Information, wie er kurz nach dem Absetzen von Eliav aus den Nachrichten von dem Anschlag erfuhr, und dann gab man auch den Namen des Opfers frei. Er war geschockt.

Ich bin es auch. Es ist mehr als nur eine „kleine Welt“, die hier zum Vorschein kommt. Mehr als nur Nachbarschaft. Alle sind wir irgendwo, irgendwie miteinander verbunden. Der Reservekamerad. Der Verwandte der Nachbarin. Der Bekannte der Freunde aus einer Stadt. Der Kollege, der Kollege des Kollegen, der Sohn der Bekannten. Wenn man hier lebt, muss man sich unwillkürlich fragen, wen es als nächstes trifft, unwillkürlich zittern bei jeder Anschlagsmeldung, wird mir der Name des Opfers bekannt sein? (…)

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