Monika Grütters will keine Rückgabe der Qumran-Rollen an Israel garantieren, falls diese in Deutschland ausgestellt werden sollten.  

Dezember 8, 2017 – 20 Kislev 5778
Qumran-Rollen: Wem gehört die jüdische Geschichte?

Von Alexandra Margalith

Inzwischen wissen wir, dass man in Deutschland auf eine Ausstellung der Qumran-Rollen aus Israel wird verzichten müssen. Grund dafür ist, dass die deutsche Regierung, anders als zum Beispiel Österreich, die Niederlande oder Frankreich, die Rückgabe der Rollen an die israelische Regierung nicht garantieren will.

Die Begründung, nach welcher man der israelischen Regierung aus Deutschland die geforderte Immunitätszusage nicht erteilen könne, weil die Rollen in dem „besetzten“ Westjordanland aufgefunden worden waren, ist ebenso bedenklich wie fragwürdig:

Zunächst wird dadurch völlig verkannt, dass ein Teil der Rollen völlig legal erworben wurde. So wurden zum Beispiel die ersten vier Rollen, die ihren Weg aufgrund von Spannungen in der Region über syrische christliche Geistliche bereits in den 1950er Jahren in die USA gefunden hatten, dort im Auftrag des Staates Israel durch Professor Sukenik, Archäologe an der Hebräischen Universität in Jerusalem, gegen Zahlung einer Summe von 250.000 US-Dollar erworben. Weitere Rollen erstand sein Sohn, Yigael Yadin, noch nach dem 6-Tage-Krieg 1967.

Allerdings hatte auch die jordanische Regierung einen Teil dieser Rollen erworben und im Rockefeller-Museum in Ost-Jerusalem aufbewahrt. Dieses Museum fiel natürlich nach dem 6-Tag-Krieg unter israelische Kontrolle.

Die Rollen sind in weiten Teilen auf Hebräisch verfasst
Weder dieser Umstand noch die Tatsache, dass auch die übrigen, später entdeckten Qumran-Rollen in einem Gebiet gefunden wurden, das international als umstritten gilt, ändern auch nur das Geringste daran, dass es sich bei den Rollen, die auf das antike Judentum zurückgehen und in weiten Teilen auf Althebräisch verfasst sind, um jüdisches und somit israelisches Kulturgut handelt. Mehr noch, in den Augen sehr vieler ist das ein eindeutiger Hinweis auf die allzu gern und oft geleugnete jüdische Präsenz – auch und gerade in diesen Gebieten.

Dass die Besitzverhältnisse in den Augen der Bundesbeauftragten für Kultur, Frau Monika Grütters, ungeklärt seien, ist fast schon ironisch. Immerhin hatte Frau Grütters, wie jüngst bekannt wurde, im Fall Gurlitt unter dem Verdacht der Raubkunst nach einer Hexenjagd auf einen alten kranken Mann eine ca. 1.500 Werke umfassende Kunstsammlung beschlagnahmen lassen. Die danach ins Leben gerufene „Task Force“ konnte nach vier Jahren lediglich bei fünf Werken feststellen, dass es sich tatsächlich um Raubkunst handelte, bei einem sechsten ist dies höchstwahrscheinlich ebenso der Fall. Dieses völlig überzogene und exzessive Vorgehen begründete Frau Grütters mit der Verpflichtung Deutschlands, dafür zu sorgen, dass die Werke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgeführt werden sollten.

Monika Grütters
Und nun stellt ebendiese Dame das rechtmäßige Eigentum des jüdischen Volkes und des jüdischen Staates an den Relikten seiner eigenen Ursprünge in Frage. Mehr noch, sie zieht in Erwägung, dass von „palästinensischer“ oder jordanischer Seite legitime Ansprüche auf diese Rollen erhoben werden könnten.

Die Geschichte eines Landes und eines Volkes ist die Grundlage für seine Vergangenheit und seine Zukunft. Die jüdische Verbindung zu den Qumran-Rollen anzuerkennen, käme noch keiner Anerkenntnis der jüdischen Verbindung zum Westjordanland gleich, dem Fundort der Rollen, obschon man, wenn man denn für historische Tatsachen offen ist, darin einen Hinweis eben darauf erkennen kann.

Hingegen wirft die Haltung von Frau Grütters und den weiteren zuständigen Personen die Frage auf, an wen man die Rollen im Zweifel herauszugeben hätte. Denn letztlich ist es nicht an einer Bundesbeauftragten für Kultur, darüber zu befinden, wem die Rollen und somit dieser wesentliche Teil der jüdischen Geschichte gehören. Sie hätte sich, so wie die Beauftragten anderer Länder, darauf beschränken können und müssen, der Öffentlichkeit dieses Kulturgut zugänglich zu machen. Eben das wollte Frau Grütters nicht tun. Sie entschied sich vielmehr dafür anzuzweifeln, dass diese Rollen sich überhaupt im rechtmäßigen Eigentum des Staates Israels befinden.

Zumindest ist uns nun eine deutsche Task Force in Israel erspart geblieben.

Über die Autorin:
Alexandra Margalith schreibt regelmäßig für das Online-Magazin SCHLAGLICHTER. Sie hat in München Rechtswissenschaften studiert, ist in Israel als Anwältin und Notarin zugelassen und hat sich in einer Kanzlei in Tel-Aviv mehr als 13 Jahre intensiv mit deutsch-israelischen Wirtschafts- und Rechtsbeziehungen befasst, davon 7 Jahre als Partnerin. Sie befasst sich intensiv mit dem Nahostkonflikt und dem Antisemitismus in Europa, lange vor dem Holocaust bis heute, und verfolgt dazu die hebräische, deutsche, englisch- und französischsprachige Presse.
Seit 2012 lebt Frau Margalith aus beruflichen Gründen mit ihrem Mann in Irland.

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