Eine evangelische Pfarrerin in Jerusalem irritiert durch ihre politischen Äußerungen
  

Mai 5, 2017 – 9 Iyyar 5777
Pfarrerin Gabriele Zander darf mit Genehmigung des Deutschen Presserates „israelfeindlich“ genannt werden

Von Marisa Kurz

Die evangelische Pfarrerin Gabriele Zander hat sich beim Deutschen Presserat darüber beschwert, dass ich sie in dem Artikel „Die Frau Pfarrerin in Jerusalem“ (JÜDISCHE RUNDSCHAU / November-Ausgabe 2016) als „israelfeindlich“ bezeichnet habe. In dem Zeitungsartikel schildere ich, wie ich einen Vortrag der Pfarrerin empfunden habe, dem ich im Rahmen einer Studienreise in Israel beiwohnen musste. In dem Vortrag sprach sie über ihre Erfahrungen in Israel und nahm – ganz wie es die deutsche politische Korrektheit gebietet – eine einseitige pro-„palästinensische“ Position ein.

Frau Pfarrerins Vortrag ließe sich dem Tenor nach mit „die Juden nehmen den armen Palästinensern ihr Land weg“ zusammenfassen: Israelis bauen angeblich illegale Schutzzäune und verletzen die Rechte von „Palästinensern“. Besonders originell war die Aussage, dass ihr keine Fälle von Christenverfolgung durch Muslime in der Region bekannt seien.

Sie konnte nicht den Eindruck vermitteln der israelischen Politik wertneutral gegenüberzustehen. „Israelfeindlich“ lautete mein Fazit. Frau Zander war und ist mit dieser Bezeichnung nicht einverstanden. Sie muss sich gefragt haben, wie viele Leser der JÜDISCHEN RUNDSCHAU den betreffenden Artikel gelesen und sie in der Darstellung erkannt haben – in der sie namentlich gar nicht genannt war. Die Antwort lautete wohl: zu wenige. Ob Gabriele Zander schon einmal etwas vom sogenannten Streisand-Effekt gehört hat, der das Phänomen beschreibt, dass durch den Versuch eine unliebsame Information aus der Öffentlichkeit zu entfernen, die Information einem noch größeren Personenkreis erst recht bekannt wird?

Kurz entschlossen griff die evangelische Pfarrerin zur christlichsten aller Methoden: Sie tat alles, um mich bei der Redaktion und bei anderen Stellen zu diskreditieren. „Gerne wüsste ich außerdem noch, was Marisa Kurz auszeichnet, einen solchen Artikel bei Ihnen zu veröffentlichen“, wollte sie von der Redaktion wissen. Außerdem gab sie zu bedenken, dass in ihren Augen „die Tatsache, dass am Ende der Reise der einzige Verbündete der Autorin ein Lokalpolitiker der FPÖ war“ gegen mich spräche.

Frau Zander forderte eine Entschuldigung und eine Gegendarstellung von der JR. Interessanterweise stellte Pfarrerin Zander den von mir beschriebenen Sachverhalt in keinster Weise anders dar als ich. Frau Zander streitet die von mir zitierten Aussagen nicht etwa ab, sondern legte in ihrem Schreiben an die Redaktion diesbezüglich sogar noch einmal nach:

„Sorgen bereitet mir allerdings tatsächlich der fortdauernde Siedlungsbau, der internationalem Völkerrecht zuwiderläuft, was ich im Gespräch auch artikuliert habe. Ich teile diese Meinung mit vielen Israelis, mit unserer Bundesregierung, mit EU- und UN-Gremien. Kurz vor dem Besuch der Reisegruppe hatte es Schmierereien an der Dormitio-Abtei durch jüdische Extremisten gegeben, und einige Monate zuvor einen Brandanschlag auf die Brotvermehrungskirche in Tabgha. Ich denke, es ist legitim, dass solche Vorfälle beunruhigen.“

Derart einseitige Aussagen sollen nicht israelfeindlich sein? Zudem hatte sich Frau Zander bei unserem Treffen auf Nachfrage wenig beeindruckt gezeigt von der Tatsache, dass bei Demonstrationen in Deutschland der Schlachtruf „Juden ins Gas“ zu hören gewesen war. Darf man diese Frau „israelfeindlich“ nennen? Nun, jedenfalls sahen weder die Redaktion der JÜDISCHEN RUNDSCHAU noch ich einen Grund uns wie gefordert bei Frau Zander zu entschuldigen.

Doch die in dem Artikel namentlich nicht genannte Pfarrerin Zander ließ nicht locker. Sie schaltete ihren Bekannten Herrn Dr. Meron Mendel, seines Zeichens Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, ein. Er bescheinigte Frau Zander in einem Beschwerdeschreiben an die JÜDISCHE RUNDSCHAU vollumfängliche Israelfreundlichkeit. Mir dagegen unterstellte er – ohne mich zu kennen und ohne irgendetwas über mich zu wissen – niedere Beweggründe:

„Die Autorin, deren Texte auf einschlägig islamfeindlichen Websites wie ‚Islamnixgut‘ oder der AfD Bremen empfohlen werden, die sich nicht scheut, menschenfeindliche Kommentare des AfD-Politikers S. auf Facebook zu teilen – diese Autorin wendet sich in Ihrer Zeitung einmal nicht pauschal gegen ‚die Muslime‘, sondern gegen eine vermeintlich israelfeindliche Pfarrerin…“

Ob ich oder irgendein anderer Autor dafür haftbar gemacht werden kann, wenn ein Onlineblog ohne Impressum, die AfD, die SPD, der Vatikan oder sonst wer einen Artikel verlinkt, ist fraglich. Der vermeintliche AfD-Politiker ist übrigens bei der ALFA, ein kritisch denkender Mathematiker und treusorgender Familienvater – ihm Menschenfeindlichkeit zu attestieren, ist einfach nur schäbig.

Wenn ich Herrn Mendels Schmähbrief lese, den er als Direktor der Bildungsstätte Anne Frank auf dem offiziellen Briefpapier der Stiftung geschrieben hat, schäme ich mich. Ich schäme mich für Herrn Mendel, der den Namen von Anne Frank für einen billigen Diskreditierungsversuch missbraucht. Hätte ausgerechnet sie gewollt, dass Menschen, die gegen Antijudaismus aufstehen, in ihrem Namen beschimpft werden?

Auch wenn Frau Zander und Herr Mendel zugeben, dass ich die Aussagen der Pfarrerin korrekt wiedergegeben habe, wollen sie bestimmen, zu welcher Bewertung ich kommen darf. Sie akzeptieren keine Meinungen von „falschen“ Menschen, die sich mit den „falschen“ Teilnehmern einer Reisegruppe abgeben, deren Texte auf den „falschen“ Websites verlinkt werden, die die „falschen“ Kommentare auf Facebook teilen und über die „falschen“ Themen schreiben. Die Wahrheit ist in ihren Augen nicht mehr die Wahrheit, wenn sie von den „falschen“ Menschen ausgesprochen wird.
Dass sie nicht bemerken, wie wenig christlich und wenig antifaschistisch ihre Methoden sind, lässt ahnen wie selten ihre Worte und Taten bisher von anderen hinterfragt wurden.

Als auch die ultima ratio der Argumentationsstrategien (Schulkindern bekannt als das „Mein Freund sagt auch, dass du doof bist“-Argument) die JR nicht umstimmen konnte, legte Frau Zander noch einmal nach. Am 10. November 2016 reichte sie Beschwerde beim Deutschen Presserat ein:

„In der Beschreibung meiner Person als israelfeindlich sehe ich einen Verstoß gegen Ziffer 9.
In der Bezeichnung Pfaffen die Verunglimpfung einer Berufsgruppe, in der Bezeichnung ‚Palästinenser‘ in Anführungszeichen die Infragestellung der Existenz einer Nationalität.
Der Artikel gibt die subjektive Sicht einer Reiseteilnehmerin wider (sic), ohne anderen Perspektiven Raum zu geben.
Ziffern 1, 2, 3, 4, 9“

In den Augen der Frau Pfarrerin hat mein Artikel den Pressekodex verletzt (www.presserat.de/pressekodex/pressekodex). Sie bezieht sich auf die Ziffern 1, 2, 3, 4 und 9: die Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde, die Sorgfalt, die Richtigstellung, die Grenzen der Recherche und den Schutz der Ehre. Das ist starker Tobak, deshalb arbeite ich ihre Unterstellungen der Reihe nach ab:

„Israelfeindlich“.
Frau Zander bezieht sich hier auf den Pressekodex Ziffer 9 „Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.“ Tatsächlich aber bestreitet sie nicht, dass ich ihre Äußerungen korrekt wiedergegeben habe. Sie ist lediglich verärgert, dass der Sachverhalt überhaupt thematisiert wurde und ich zu einer „falschen“ Bewertung gekommen bin.

„Subjektive Sicht“.
Ich finde die Idee problematisch, subjektiv geprägte journalistische Darstellungsformen zu sanktionieren, weil eine dargestellte Person sich „nicht gut getroffen fühlt.“ Das wäre nur dann angemessen, wenn es sich um unwahre, verleumderische oder beleidigende Aussagen handeln würde, was hier ganz sicher nicht der Fall war.

„Pfaffen“.
Verunglimpft es Geistliche, wenn man sie als Pfaffen bezeichnet, wie es Luther selbst auch getan hat?

„Infragestellung der Existenz einer Nationalität“.
Weil ich in meinem Beitrag „Palästinenser“ in Anführungszeichen gesetzt habe, stelle ich nach Frau Zanders subjektiver Wahrnehmung die „Existenz einer Nationalität in Frage“. Das ist der empörendste Punkt in ihrer Beschwerde. Die Bezeichnung „Palästinenser“ für die arabische Bevölkerung ist nicht etwa historisch begründet, sondern eine umstrittene Wortneuschöpfung aus den 1960er Jahren, die aus politisch-ideologischen Gründen eingeführt wurde. Es ist erschreckend, dass Frau Zander als Vertreterin einer noch immer einflussreichen Institution sich anmaßt, in dieser extrem komplexen Frage ihre persönliche Meinung als maßgebend zu definieren und Abweichungen von ihrer subjektiven Position in der Art eines Straftatbestandes zu formulieren. Dass es Aufgabe des Presserates wäre, hier als Jury zur Bewertung politischen oder wissenschaftlichen Denkens zu fungieren – wie von Frau Zander gefordert – erscheint ebenso absurd. Wenn im Jahr 2017 wieder eine Kirche – wenn auch eine andere als im Mittelalter – vorgeben könnte, welche Werte und Erkenntnisse Menschen kommunizieren dürfen und welche nicht, wäre das erschreckend.

Letztlich ist auch Frau Zanders Versuch, den Presserat zu zwingen, in einer offenen politischen und wissenschaftlichen Diskussion Stellung für ihr Anliegen zu beziehen, gescheitert. Mein Artikel enthielt keine falschen Tatsachenbehauptungen oder Schmähungen. Die Meinungsfreiheit, eines der höchsten Rechtsgüter mit Verfassungsrang in diesem Land, erlaubt es mir, Frau Zanders öffentliche Aussagen kritisch zu bewerten. Deshalb hat der Deutsche Presserat entschieden, dass mein Artikel nicht gegen den Pressekodex verstößt.

Es bleibt abzuwarten, welche „Maßnahmen“ Frau Zander als nächstes ergreift, um ihre political correctness zu demonstrieren. Anstatt mich zu beleidigen, könnte sie doch z.B. beim Besuch des Tempelberges aus Respekt vor dem muslimischen Gastgeber ihr Kreuz ablegen. Ich werde Sie jedenfalls auf dem Laufenden halten, was die hochmoralische Frau Pfarrerin künftig umtreibt. Bis dahin können wir nur stumm schweigen und hoffen, irgendwann so gute Menschen wie sie und ihre Freunde zu werden.

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