Die Allgäu-Orient-Rallye kreuzte 2014 auch Israel – ein Gespräch mit Eugene Veinard 

Juli 2, 2014 – 4 Tammuz 5774
«Morgenlandfahrer»

Von Bayern und Württemberg aus streben sie nach Amman – mit Wagen, die schon Lack verloren haben. Sie lassen sich ein auf unweg- sames Gelände, Wüste, Staub und technische Ausfälle. Hunderte Motor-Enthusiasten zählt die mit jedem Jahr beliebtere Allgäu- Orient-Rallye. Beliebt ist die Tour auch ob ihrer fairen Rahmenbedingungen und der Unkompliziertheit der Teams. Seit Jahren verläuft ein Teil der Orient-Route nun auch durch Israel – willkommen in der Communi- ty freiwilliger «Draufgänger».

Gern sagt man den Südwestdeutschen einen eigenen Hang zur Romantik, konservative Le- bensauffassungen, ausgeprägte Sparsamkeit, aber auch ein Faible für Autos und große Reise- lust nach. Und unbesehen solcher Klischees fin- den sich genügend Damen und Herren, um fern- ab der Heimat den ultimativen Kick zwischen Canyons, Wüstenlandschaften, Palmen und Küstenlandschaften zu suchen – das selbstver- ständlich mit möglichst viel PS. Wir nennen sie einfach die «Morgendlandfahrer» – hart ver- packte Abenteurer verschiedensten Alters, die sich auf vier oder neuerdings auch zwei Rädern quer durch den Vorderen Orient schlagen, bis ihnen der König von Jordanien die Ehre erweist. Doch geht es den meisten wohl weniger um Prei- se, Ehrerbietung und «Schaufahren». Dabei sein, die Routen teilen, Natur erleben und ein paar kulturelle Brücken schlagen – das scheint der gemeinsame Nenner. Übrigens zur Technik: Bei der Allgäu-Orient-Rallye (AOR) werden nur Fahrzeuge zugelassen, die mindestens 20 Jahre alt und trotzdem geländegängig sind. Jüngere Fahrzeuge dürfen nur mit, wenn sie weniger als 1111 Euro wert sind. Anfangs waren nur Auto- mobile zugelassen, doch nach einer Reihe von enthusiastischen Motorradfahrer-Bewerbungen sind nun auch die «Zweirädrigen» mit im Bun- de. Aber auch deren «Gefährte» müssen min- destens 20 Jahre auf dem Gestell haben.
Was sich auf den ersten Blick wie ein stren- ges, vielleicht auch «typisch deutsches» Reg- lement anhört, macht auf den zweiten viel Sinn und geht konzeptionell sehr gut in den Teams auf. Und denen wird es – schließlich handelt es ich um eine der strapaziösesten Rallye-Touren rund um den Globus – auch nicht allzu bequem

Unverzichtbar für die Fahrer: Das AOR-Roadbook.

Unverzichtbar für die Fahrer: Das AOR-Roadbook.

gemacht. «Travel Charme», Beauty-Koffer, Gymnastik-Studio und Gesichtsmaske waren gestern. Wer immer sich auf die Allgäu-Ori- ent-Rallye einlässt, hat Staub und Sand, Hitze und Kälte, Technik-Kollapse und Irrfahrten als häufige Begleiter dabei – ein engmaschiges Team-Work bleibt da unverzichtbar.
Aber der Reihe nach: Bevor es alljährlich zu einer AOR-Tour von Oberstaufen aus losgeht, werden die Teilnehmer auf verschiedene Teams verteilt, jedes von ihnen fasst drei Autos und sechs Menschen. GPS ist nicht erlaubt, und man darf keine Autobahnen benutzen. Unterwegs kommen die Teilnehmer mit verschiedenen sozialen und wohltätigen Projekten in Berüh- rung. Im finalen Zielort Amman werden die altgedienten, hart erprobten, aber meist immer noch zuverlässigen Wagen verkauft, und das er- wirtschaftete Geld kommt wohltätigen Zwecken zugute. 666 Teilnehmer in 333 Autos – und dazu noch einige Motorradfreaks – fuhren in diesem Frühjahr in Oberstaufen ab, überwanden die Al- pen gen Süden, querten den Balkan und erreich- ten die Türkei. Im Anschluss wurden die Wagen auf Fährschiffe in Iskanderun «verfrachtet», während Fahrer und Beifahrer sich rasch ins Flugzeug nach Israel setzten. Am 19. Mai 2014 begann der «israelische Part» der Tour. Für sein Gelingen sorgten unter anderen die Israelische Botschaft in Deutschland, die Gemeinderäte von Gilboa und des Jordan-Tals, die israelische Firma «Cross Country Motosport Produc- tion» – welche die Logistik der Rallye manag- te –, und die (ebenfalls israelische) Firma Tiran, welche die Autos von Iskanderun per Fährschiff nach Haifa transportierte. Eugene Veinard, ein bekannter israelischer Photojournalist, hat sich die AOR-Rallye schon mehrfach aus der Nähe angeschaut. Seine Spe- zialitäten sind Autotourismus und Autosport. Eugene gab seine Eindrücke im Interview ex- klusiv für die «Jüdische Rundschau» wieder.

Eugen, woher kam denn in diesem Jahr das Gros der aktiven Rallye-Teilnehmer?

Die meisten von ihnen waren Deutsche, Österreicher und Schweizer. Eines der Teams be- stand aus Damen der Schöpfung, die allesamt eine doppelte Staatsbürgerschaft – israelisch und deutsch –, und sie fuhren unter dem be- zeichnenden Namen «Israel Rallye Queens». Aufgefallen ist mir auch die bunt zusammen gewürfelte Berufsstruktur der Starter. Ich habe mich mit einigen Fahrern unterhalten, die schon seit langem in High Tech-Branchen ar- beiten, andere sind einfach Kleinunternehmer oder Arbeiter. Es entwickeln sich bei der AOR aber keine Hierachien und Statuskämpfe. Was verbindet, ist die Leidenschaft für den Autotou- rismus. In meinem Rallye-Album habe ich mir dazu erfreut notiert: «...eine riesige Welle der Freude, allgemeine Güte, in einigen Minuten schon fühlst du mit ihnen gemeinsam die inne- re Leichtigkeit, erhaben und glücklich.»
Viele der AOR-Aktiven verbringen übrigens nicht nur den jährlichen Urlaub zusammen, sondern gehen auch an anderen freien Tagen gemeinsam auf die Strecke. Und verblüfft war ich, wie gut die meisten Autos doch für diese Riesentour präpariert waren.

Fast 700 Deutsche tourten gleichzeitig durch die israelische Wüste.

Fast 700 Deutsche tourten gleichzeitig durch die israelische Wüste.

Es scheint so, alles hättest du in der Teamar- beit mit den Deutschen so gut wie nur positive Erfahrungen gemacht....

von Constantine Lyutyuk

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