Die jüdische Autorin Yael Adler landet einen Bestseller mit einem Buch über unser größtes Organ  

November 3, 2016 – 2 Heshvan 5777
Mit Haut und Haar

Yael Adler ist Dermatologin und hat eine Praxis in Berlin. Sie wurde 1973 in eine jüdische Familie in Frankfurt am Main geboren. Vor Kurzem ist ihr Buch „Haut nah – Alles über unser größtes Organ“ im Droemer-Verlag erschienen. Über die Frage, warum der Einsatz von zu viel Shampoo und Pflegeöl an fahrlässige Körperverletzung grenzt, Botox Auswirkungen auf die zwischenmenschliche Kommunikation haben kann und warum sie ihren Patienten eine Reise nach Israel empfiehlt, sprach Jerome Lombard für die JÜDISCHE RUNDSCHAU mit der 43-Jährigen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Frau Adler, bei der Lektüre Ihres Buches „Haut nah - Alles über unser größtes Organ“ bin ich über folgenden Satz gestolpert: „Wer zu viel seift, stinkt!“. Klären Sie mich über dieses Paradox auf?

Yael Adler: Der moderne Mensch hat ein gesteigertes Bedürfnis nach Körperhygiene. Viele von uns seifen sich ein oder zwei Mal täglich beim Duschen mit möglichst bunten, schäumenden Duschgels und Shampoos ein. Diese sind meist parfümiert und hoch alkalisch. Wenn die Haut alkalisch geseift wird, vermehren sich Bakterien, die einen eher stinken lassen. So riskiert man, an Bromhidrose, besser bekannt als Stinkschweiß, zu erkranken. Die Haut braucht dann ganze sechs Stunden, um zum natürlichen, sauren Zustand zurückzukehren. Auch Hautinfektionen werden so begünstigt. Es sind vor allem Duftstoffe und Konservierungsmittel, die eine häufige Ursache für Hautirritationen, Juckreiz und Allergien sind. Auf Nummer sicher geht, wer sich stattdessen mit klarem Wasser duscht und nur die schwitzigen Körperareale sparsam mit einem pH-neutralen Duschgel wäscht.
 
Sie schreiben, dass es für unsere Haut nicht schlimm wäre, wenn man sich nur einmal in der Woche duschen würde.

Wenn wir unsere Haut fragen könnten, wie oft sie gewaschen werden will, würde sie wahrscheinlich einmal pro Woche sagen. Und damit würde sie vermutlich weniger Hautkrankheiten entwickeln als die Häute, die zwei Mal täglich ausgiebig abgeseift werden. Tatsache ist, dass bei der Körperpflege weniger mehr ist. Wenn wir die Haut nicht dauernd aggressiv reinigen, entfetten, peelen, und mit viel zu vielen Cremes zukleistern würden, gäbe es weniger Reizungen und Allergien. Kommen wir erst mal raus aus dem Pflege-Teufelskreis, stellen wir fest: Die Haut schafft viel mehr allein, als wir denken. Talg und Barrierefette der obersten Hautschicht etwa sind bessere Pflegecremes als jedes industriell gefertigte Produkt. 
 
Das werden Viel-Duscher und Freunde der intensiven Körperpflege gar nicht gerne hören. Zumal Sie das Verwenden von Körperölen, die es in den Drogeriemärkten in unterschiedlichsten Ausführungen zu kaufen gibt, in „Haut nah“ als fahrlässige Körperverletzung beschreiben.

Die große Beliebtheit von Ölen als Pflegemittel ist medizinisch bedenklich. Die pflegende Wirkung von purem Öl ist ein Mythos. Wir alle kennen doch die scharfe Reinigungsfunktion von Öl aus dem Alltag. Denken wir an Abschminktücher oder an Mittel zur Schuppenentfernung. Alles ölhaltige Produkte. Ein anderes Beispiel: Leckere Oliven beim Italiener. In Öl schwimmende Oliven über den gesamten Abend immer wieder genossen und die Lippen trocknen stark aus. Es ist natürlich immer auch eine Frage der Dosis: Das Verwenden von Öl für die gelegentliche Wellness-Massage ist kein Problem, wobei ich auch hier zu einer Fettlotion raten würde. Masseure haben das längst für sich entdeckt, da sie beim dauernden Umgang mit puren Ölen Handekzeme entwickeln.
Stattdessen kann man sein Lieblingsöl ja vom Apotheker in eine Cremebasis einarbeiten lassen, dann pflegt es ohne unsere hauteigenen Fette auszuwaschen.
 
 
Mit Mythen rund um Körperkult und Hautpflege aufzuräumen, ist der rote Faden in Ihrem Buch. Sie widmen sich ausführlich dem Thema Botox. Wie stehen Sie als Dermatologin zu dem angeblichen Hautstraff-Wundermittel?

Ursprünglich ist Botox als Mittel gegen verkrampfte Muskulatur mit spastischen Lähmungen oder gegen Schiefhals entwickelt worden. Hier wirkt es wahre Wunder. In die Ästhetik ist Botox eher als Nebeneffekt gekommen, als man Verkrampfungen des Augenmuskels heilen wollte und dadurch gleich auch die Falten um die Augen verschwunden sind. Falten sind per se nichts Schlechtes, sie geben einem Gesicht Charakter. Vor dem übermäßigen Gebrauch von Botox ist in jedem Fall abzuraten. Ein durch und durch gebotoxtes Gesicht schränkt die Mimik der Person so stark ein, dass man grotesk aussieht und die Umwelt die Mimik auch nicht mehr lesen kann. Das kann zu Problemen bei der zwischenmenschlichen Kommunikation führen. Auch das Empathieempfinden für andere kann reduziert werden. Dennoch kann man mit diskret eingesetztem Botulinumtoxin auch ganz erstaunliche Effekte erzielen. In der Zornesfalte etwa entkrampft es das Grimmig- Schauen, man wirkt offener und freundlicher. 
 
Ihr Buch hat es im Oktober auf den ersten Platz der Spiegel-Bestsellerliste für Sachbücher geschafft. Es liegen Anfragen für Übersetzungen in 15 Sprachen vor. Auch als Hörbuch kann man sich mit Ihnen über die Haut informieren. Hat sie der Erfolg überrascht?

Der Erfolg freut mich sehr. Die Haut ist meine Leidenschaft und ich habe ein Sendungsbewusstsein, dass jeder über sich und seinen Körper Bescheid wissen sollte und nur so auch mündige Entscheidungen zu seiner Gesundheit treffen kann. Dennoch war ich auch skeptisch, wie das Buch nicht nur von Laien, sondern auch in der Fachwelt aufgenommen werden würde. Manches ist schließlich recht flockig formuliert. Doch auch von Kollegen habe ich viele positive Rückmeldungen bekommen. Das hat mich sehr erleichtert. Ich denke, die Zusammenstellung und die Mischung der Themen sind das, was mein Buch besonders macht. Ich spreche nicht nur über die Haut, sondern auch über Sex, Psyche, Ernährung, Krampfadern und darüber, was das alles mit unserer Haut zu tun hat. Auch Antiaging, Schönheit, Tatoos, Skurriles und ein paar Tabus kommen nicht zu kurz. Ich möchte diese unterschiedlichen medizinischen Bereiche miteinander verknüpfen.
 
Sie sind seit 19 Jahren Ärztin. Nach Ihrem Abschluss haben Sie sich auf die Dermatologie spezialisiert. Hat Ihre jüdische Herkunft einen Einfluss auf Ihre Berufswahl gehabt?

Ich bin nicht religiös und wurde aufgeklärt erzogen. Jüdische Traditionen waren in meiner Jugend aber immer präsent. Mein Vater ist Professor für Jüdische Studien und meine Mutter ist Literaturwissenschaftlerin. Auch wenn das Judentum bei uns Zuhause eher wissenschaftlich-philosophisch diskutiert wurde, haben wir es auch aktiv gelebt. Meine Großmutter väterlicherseits war Medizinerin und hat die Schoah nur wegen ihres Berufs überlebt. Einen Beruf zu erlernen, den man im Zweifel überall ausüben kann, ist eine sehr jüdische Erfahrung. Anderen Menschen zu helfen, und das sehe ich als die zentrale Aufgabe eines Arztes an, verstehe ich als wichtigen jüdischen Wert. (…)

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