Warum ist das Grab Rachels bei Betlehem für die Juden so wichtig?  

Januar 6, 2017 – 8 Tevet 5777
Mame Rochel

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Wir leben zurzeit in einer Welt, in der nichts mehr selbstverständlich ist. Als im Jahre 2010 die UNESCO Kewer Rachel (das Grab von unserer Vormutter Rachel), das sich nicht weit von Beit Lechem (Bethlehem) befindet, zur Moschee erklärt hat, hat man das für einen schlechten Witz gehalten. Leider war das erst der Anfang einer beispiellosen Delegitimierungs-Kampagne gegen Israel auf allen internationalen Ebenen.

Lasst uns aber fragen: wie gut kennen wir unser Erbe? Welche Bedeutung hat Kewer Rachel im Judentum? Warum kommen so viele Juden aus aller Welt zum Beten an ihr Grab?
Gerade jetzt lesen wir in der Thora in den Wochenabschnitten die Geschichte dieser bemerkenswerten Frau und mit Hilfe von Überlieferungen und Kommentaren unserer Weisen können wir ihr Leben betrachten und gestellte Fragen beantworten.

Rachel als Hirtin
Zum erstem Mal treffen wir Rachel in der Thora, als Jakov in Haran ankommt (Bereschit 29).
Im Vers 9 wird erwähnt, dass Rachel mit der Herde gekommen ist, weil sie eine Hirtin war. Das ist eine bemerkenswerte Information, denn das bedeutet, dass Lawan (ihr Vater) sehr arm war und keine Söhne hatte. Nur wegen höchster Not konnte man ein Mädchen zur Hirtin machen (es war damals nicht angebracht, dass ein Mädchen alleine ins Feld geht).

Schönheit von Rachel
Im Vers 17 erwähnt die Thora, dass Rachel sehr schön ist: „...Rachel aber war schön von Gestalt und schön von Angesicht.“ Der große Kommentator Raschi bemerkt dazu, dass Rachel schöne Gesichtsform und gute Hautfarbe hatte.
Das ist eine sehr wichtige Information. Auch über Sarah und über Rivka schreibt die Thora, dass sie schön waren. Und das ist eigentlich komisch. Denn die Thora ist kein Männer-Magazin, das sich auf oberflächliche Schönheit konzentriert. Eigentlich sollte die Thora andere Eigenschaften in den Vordergrund stellen: Hilfsbereitschaft, Gütigkeit, Ausgeglichenheit.
Dazu erklären unsere Weisen, dass bei den Tzaddikim (Gerechten) das Äußere immer das Innere wiederspiegelt. Deshalb, wenn die Thora erwähnt, dass Rachel schön war, deutet die Thora darauf hin, dass Rachel auch innerlich schön war, d. h. also sehr gute Charaktereigenschaften hatte (wir werden später sehen, dass das auch stimmt).

Hochzeit
Obwohl Jakov Rachel heiraten sollte, hat sich ihr Vater Lawan es anders vorgestellt. Der Schwindler Lawan schafft es, dass Rachels weniger schöne Schwester Leah dem Jakov als Frau gegeben wird.
Jakov und Rachel kannten den Lawan sehr genau und hatten bereits vermutet, dass Lawan Tricks versuchen würde. Deshalb haben Jakov und Rachel besondere Zeichen abgesprochen, die dem Bräutigam helfen sollten sicher zu sein, dass unter der Chupa tatsächlich Rachel und nicht jemand anderes steht.
Doch als es dazu kam, dass Leah unter die Chupa gehen sollte, konnte Rachel nicht zulassen, dass ihre ältere Schwester beschämt wird. Deshalb hat Rachel die abgesprochenen Zeichen an Leah weitergegeben. Mehr als das: Unsere Weisen sagen, dass Rachel auf Nummer sichergehen wollte und sich nach der Chupa unter dem Bett von Jakov und Leah versteckt hat, um statt Leah zu sprechen, damit Jakov auf keinen Fall auf die Idee kommt, dass er nicht Rachel geheiratet habe.

Von dieser Episode lernen wir, dass Rachel zur ultimativen Selbstopferung bereit war, nur um ihre Schwester nicht bloßzustellen.
Und sie hat viel riskiert: es war bekannt, dass Jitzhak zwei Söhne hat (Esav und Jakov) und Lawan zwei Töchter (Leah und Rachel). Deshalb sagten Leute, dass Esav Leah heiraten sollte und Jakov Rachel. Deshalb war die Gefahr groß, dass nachdem nun Jakov Leah bekommen hatte, Rachel zur Esavs Frau werden könnte – was natürlich ein Alptraum gewesen wäre.

Eifersucht von Rachel
Im Vers 30:1 lesen wir, dass Rachel auf Leah eifersüchtig war (weil sie selbst keine Kinder bekommen konnte). Raschi bemerkt dazu gleich, dass Rachel vor allem auf gute Taten von Leah eifersüchtig war. Rachel war sich sicher, dass ihre Schwester noch gerechter als sie ist, deshalb hat sie den Verdienst gehabt, Söhne für Jakov zu gebären.
Das ist wichtig zu wissen, denn sonst könnte dieser Vers Rachel in ein schlechtes Licht rücken.

Gespräch mit Jakov
In den Versen 30:1-3 lesen wir, dass Rachel von Jakov Söhne fordert, sonst würde sie sterben. Diese Forderung klingt merkwürdig und Raschi erklärt, was Rachel damit meint: „Dein Vater hat anders gehandelt, er hat für deine Mutter gebetet, damit sie Kinder bekommt. Und du machst das nicht.“
Jakov weist sie sehr scharf zurück (und unsere Weisen kritisieren ihn dafür: man darf nicht so mit einer verzweifelten Frau sprechen).
Dann bietet Rachel ihre Magd Bilha dem Jakov als Frau an. Das macht sie der Sarah nach: so wie Sarah dem Avraham Hagar zur Frau gab und dann selbst Jitzhak geboren hat, hoffte auch Rachel dadurch ihre Kinder zu bekommen.
Das ist auch ein Akt der Selbstopferung: wenn sie früher das Ehebett nur mit Leah geteilt hat, jetzt kommt noch die dritte Konkurrentin dazu.

Geschichte mit Dudaim (Liebesäpfel)
In den Versen 30:14-15 lesen wir die Geschichte über die Dudaim. Reuven, der Sohn von Leah, hat im Feld Dudaim gefunden, die als Aphrodisiakum bekannt waren. Rachel bittet Leah ihr diese Blumen zu geben. Leah antwortet darauf sehr scharf: „…ist das ein Geringes, dass du mir meinen Mann genommen hast? Und willst du auch die Liebesäpfel meines Sohnes nehmen?“
Rachel hätte hier sagen können: „Moment mal! Ich habe dich gerettet, ich habe dir die Zeichen bei der Heirat gegeben, und jetzt sagst du mir so was? Wie kannst du nur, du undankbare Schwester!“ Aber Rachel sagt das nicht, obwohl es ihr sehr wehgetan hat. Sie konnte sich überwinden, was wiederum ihre Größe zeigt.
Sie bietet Leah für diese Dudaim die Nacht mit Jakov an, die er eigentlich mit Rachel verbringen sollte.
Das ist noch eine wichtige Stelle: unsere Weisen sagen, deswegen wurde Rachel nicht mit Jakov begraben, weil sie auf eine Nacht mit dem gerechtem Jakov verzichtet hat. Das war viel wert und das war ihr Fehler.

G'tt segnet Rachel
Im Vers 30:22 lesen wir, dass G'tt sich an Rachel erinnert hat und ihr die Möglichkeit gab Kinder zu bekommen: „Aber G’tt gedachte an Rachel und G’tt erhörte ihr Gebet und machte sie fruchtbar.“
Unsere Weisen sagen „gedachte“ - G'tt hat sich daran erinnert, wie Rachel Leah die Zeichen gab, und „erhöhte ihr Gebet“ – Rachel hat viel gebetet, dass Esav sie nicht heiratet.
Nur Dank ihrer unglaublichen Selbstopferung bei der Heirat von Leah und Jakov hat sie doch die Möglichkeit verdient, Kinder zu haben.

Geschichte mit Terafim
Im Kapitel 31 lesen wir, wie Jakov mit der Familie von Lawan geflohen war.
Während Lawan weg war, hat Rachel seine Götzen (Terafim) mitgenommen. Da stellt sich die Frage, wozu sie das eigentlich tat.
Unsere Weisen sagen, dass sie ihren Vater vom Götzendienst abwenden wollte.

Warum auch immer Rachel das gemacht hat, es wurde ihr zum Verhängnis:
als Lawan Jakov einholte, hat er gleich geklagt, warum seine Terafim gestohlen wurden. Darauf sagte Jakov (31:32): „Was aber deine Götter betrifft, bei welchem du sie findest, der soll nicht am Leben bleiben!“
Unsere Weisen sagen, dass die Wörter eines Tzaddiks sehr starke Kraft haben. Und genau wegen dieses Fluches ist Rachel bald gestorben.

Beerdigung von Rachel.
Im Kapitel 35 lesen wir von Rachels Tod bei der Geburt von Binjamin. Es wird erwähnt, dass sie „am Wege nach Ephrata“ begraben wurde.
Stellt sich die Frage: warum eigentlich am Wege? Warum nicht in einer Stadt? Das kommentiert Raschi nicht.
Später jedoch wird auf diese Geschichte eingegangen:
Am Anfang vom letzten Wochenabschnitt des Buches Bereschit lesen wir über das Sterben von Jakov. Kurz vor seinem Tod nimmt er den Schwur von seinem Sohn Josef (der auch Sohn von Rachel war), dass Josef ihn nicht in Ägypten begraben wird, sondern in der Machpella-Höhle, in der schon Avraham und Sarah, und Jitzhak und Rivka begraben sind. (…)

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