Der österreichische Kanzler ist ein Beispiel für den sachlichen und empathischen Umgang mit dem wichtigsten Verbündeten in der westlichen Welt. 

März 8, 2019 – 1 Adar II 5779
Kurz-Besuch bei Trump

Von Peter Sichrovsky

In der Fülle der Kommentare, Interviews und Beiträge, die zu dem Treffen Kurz-Trump veröffentlicht wurden, unterschied sich das Interview mit Armin Wolf in der ZIB2 als angenehme, wohltuende und informative Alternative. Wolf stellte Fragen, nicht ganz unkritisch, so wie er eben jemanden interviewt, und gab Kurz die Möglichkeit ausführlich zu antworten, ohne ihn zu unterbrechen oder zu korrigieren. Und Kurz nützte die Chance, sprach ruhig über Gemeinsamkeiten und auch Widersprüche, ohne jedoch den US-Präsidenten zu kritisieren, ohne respektlos zu werden oder sich auf einer moralischen Ebene überlegen zu fühlen – das ist schon der wichtigste Unterschied zwischen ihm und den meisten europäischen Politikern.

Die einzige Kuriosität der Interviews war die Frage von Wolf, warum er den russischen Präsidenten Putin mehrere Male pro Jahr getroffen hatte und den US-Präsidenten nur einmal, worauf der Bundeskanzler ziemlich selbstsicher antwortete, dass der russische Kollege eben öfters mit Kurz reden wollte.

In den Tagen vor dem Treffen sahen die Fachleute, Journalisten und Ex-Politiker ihre Chance gekommen, mit weisen Sprüchen den US-Präsidenten zu beschreiben und zu interpretieren, das Treffen zu kommentieren und Kurz mit guten Ratschlägen auf das Gespräch vorzubereiten.

Die ehemalige österreichische Botschafterin in den USA, Eva Novotny, etwa gab dem Kanzler die Weisung, sich nicht als politischer Vermittler anzupreisen, da sie fürchte, er werde sich damit nur lächerlich machen. Dann fügte sie noch hinzu, dass sie sich nicht sicher sei, ob Trump überhaupt wisse, wo Österreich liege, und sie annehme, dass Trump ohnehin nur von sich selbst reden werde.

Dass die pensionierte Fachfrau, die seit Jahren nicht mehr in den USA lebt, diese Ratschläge aufgrund von TV-Sendungen und Zeitunglesen zusammenstoppelt, blieb unerwähnt in dem Interview, und ebenso wenig wurde hinterfragt, wie sie zu all diesen Vermutungen kommen würde. Doch es passt zu den Beschreibungen anderer Politiker, die, wenn sie über den US-Präsidenten sprechen, längst den Unterschied zwischen infantiler Beleidigung und intelligenter Kritik nicht mehr sehen oder nicht verstehen wollen, und untereinander wetteifern mit krampfhaft originellen Statements.


Warum war Obama nie in Österreich?

Nicht beantworten konnte die internationale Expertin Eva Novotny die Frage, warum denn Ex-Präsident Obama nie in Österreich war, obwohl er Prag und Bratislava besucht hatte. Hier scheint die Behauptung, dass das Treffen mit Kurz nur auf Intervention angeblich rechts-konservativer Berater des US-Präsidenten zustande kam, nicht ganz hinzuhauen, wenn es den mit der Administration Obamas angeblich befreundeten politischen Kreisen Österreichs nie gelang, den US-Präsidenten nach Österreich zu holen. Aber wer weiß, vielleicht wusste auch der nicht, wo Österreich liegt…

Ähnlich äußerte sich der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Schieder, der in Kategorien wie „gut“ und „schlecht“ den US-Präsidenten einfach als „schlechtesten“ Präsidenten der USA der letzten Jahrzehnte abkanzelte, und nach Vorbild Merkels oberlehrerhaft über den Präsidenten sprach, als hätte der eine Lateinarbeit abgegeben mit zu vielen Fehlern.

Den Höhepunkt der Peinlichkeiten leistete sich jedoch der ORF, der im selben Augenblick als der US-Präsident Bundekanzler Kurz begrüßte, die Live-Sendung einfach abdrehte und die Korrespondentin des ORF vor dem Weißen Haus zu Wort kommen ließ – angeblich alles nur zufällig und ohne Absicht dahinter. (…)

Zuerst erschienen bei Schlaglichter.at

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