Von Dr. Elvira Grözinger
Das jüdische Prag in Böhmen ist weithin bekannt, auch hier bei uns – die Synagogen, der Friedhof, der Golem und Franz Kafka. Wer aber kennt schon das jüdische Mähren und Olmütz (tschechisch Olomouc, jiddisch Olmitzi)?
Zwischen Aussig und Olmütz liegt Theresienstadt/Terezin, das international bekannteste von Nationalsozialisten errichtete Ghetto auf heute tschechischem Gebiet. Auch Olmützer Juden mussten nach Theresienstadt. Mit der Besetzung des Landes 1939 wurde die jüdische Gemeinde zerschlagen und ihr Eigentum enteignet. 3.498 Juden wurden in Konzentrationslager deportiert. Es haben nur etwas 200 die Schoah überlebt.
Eine aus Olmütz stammende Überlebende erzählte mir einmal von der Schönheit der barocken Stadt. Nun konnte ich mich davon selbst überzeugen. Mit einer Einladung an die Universität Olmütz habe ich nun acht Tage lang die Stadt und das jüdische Leben dort kennengelernt und am Beginn der diesjährigen Jüdischen Kulturtage teilgenommen, die dieses Jahr der ehemaligen Olmützer Synagoge gewidmet sind.
Juden wurden dort 1140 erstmals von einem Rabbiner urkundlich erwähnt, 1278 erhielten sie von dem König Rudolf I. die Privilegien. Die mittelalterliche Judengasse mit etwa 20 Häusern befand sich in der heutigen Universitätsstraße neben dem ehemaligen bischöflichen Konvikt, nun Teil der Universität. Davon ist nur das Judentor geblieben. Die Geschichte der Juden von Olmütz war wechselhaft. Nach den antijüdischen Hetzpredigten von Johannes Capistranus 1554 hat König Ladislaus Postumus Juden aus den meisten mährischen Königs- oder Lehnstädten, darunter Olmütz, vertrieben, sie mussten in kleine Gemeinden abwandern, ihrer Immobilien bemächtigte sich die Stadt. Erst 1848 durften sie wieder zurück.
1892 wurden die Stadtmauern abgetragen, um Platz für weitere Bebauung zu schaffen, was auch den Juden zugutekam, denn nun konnten sie eine Synagoge bauen im damals modernen orientalisch-byzantinischen Stil, die 1897 eingeweiht wurde. In der Nacht auf den 16. März 1939 wurde der Prachtbau auf dem heutigen Palachovo-Platz, heute ein Parkplatz, aber von tschechischen Nazis angezündet und von den Besatzern abgerissen. Heute befindet sich neben dem Platz das universitäre Ursula-und Kurt-Schubert-Zentrum für Jüdische Studien. Die Studierenden sind so mit der Geschichte unmittelbar konfrontiert. In den Räumen der Jüdischen Gemeinde ist eine Dauerausstellung zur Geschichte der Synagoge zu sehen.
1945 haben Überlebende die Gemeinde neu gegründet, während des Kommunismus war sie jedoch nicht aktiv. Erst am 1. April 1991 wurde sie in Olmütz wiederbelebt, hat 162 Mitglieder und ist mit für benachbarte mährische Kleinstädte zuständig. Ein Betsaal mit Kidduschraum und Büros befindet sich in einer Etagenwohnung eines Mehrfamilienhauses und braucht keine Bewachung. Einen Rabbiner gibt es dort nicht (es amtieren in ganz Tschechien nur drei!), aber einen Kantor und einen jungen energischen Vorsitzenden, Petr Papušek – ein Rabbiner reist zu besonderen Anlässen an. So war auch der tschechische Oberrabbiner anwesend bei der Feier der Rückgabe der Olmützer Thorarolle durch den der Rettung der tschechischen Thorarollen gewidmeten Memorial Scrolls Trust, deren Vertreter angereist waren. Es sind ca. 1.600 gerettete Rollen der vernichteten tschechischen Gemeinden, welche 1942 mit anderen in das geplante Jüdische Museum nach Prag kamen, später von den Kommunisten gegen Devisen an die Londoner Westminster Synagoge veräußert wurden, und nun als Leihobjekte an Synagogen auf der ganzen Welt verliehen werden.
Die kleine Olmützer Gemeinde ist mit ihrer Infrastruktur in das Stadtleben eingebunden, lebendig, aktiv, koscher und traditionstreu, wovon sich die ausländischen Überbringer und Gäste bei dem fröhlichen Gottesdienst am Freitagabend mit anschließendem Kiddusch überzeugen konnten.
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