Oktober 7, 2016 – 5 Tishri 5777
Jüdische Frauen in Europa: Auf der Suche nach Alternativen

Von Dr. Nikoline Hansen

Die mittlerweile 8. „Bet Debora“-Tagung europäischer Rabbinerinnen, Kantorinnen, jüdischer Aktivistinnen, Künstlerinnen und Gelehrter stand unter dem Motto „Jewish Women in Europe: Creating Alternatives“. Vom 1.-4. September trafen sich jüdische Frauen und Männer in Breslau zum gegenseitigen Gedankenaustausch, Feiern und um ihre Arbeitsergebnisse oder Ideen zu präsentieren. Tagungsort war unter anderem die Synagoge „Zum Weißen Storch“, die mit Hilfe der Bente-Kahan-Stiftung innerhalb weniger Jahre zu einem lebendigen Kulturzentrum in Breslau geworden ist. Ein besonderer Tagungsort, der zeigt, dass jüdisches Leben auch in Polen wieder eine Chance bekommt.

Denn im 18. Jahrhundert hatte das jüdische Leben auch in Breslau eine Blütezeit erlebt, wovon nicht nur der Neubau der großen Synagogen zeugte: 1829 wurde die Synagoge „Zum Weißen Storch“ eingeweiht, die schon bald zu klein war, sodass 1872 die „Neue Synagoge“ der liberalen Gemeinde gebaut wurde und die alte Synagoge fortan der orthodoxen Gemeinde als Gebetshaus diente. Dank der direkten Nachbarschaft zu Wohnhäusern entging sie 1938 dem Pogrom der Nationalsozialisten, wurde allerdings enteignet und diente als Autowerkstatt sowie Lager für geraubtes jüdisches Eigentum. 1996 wurde das ruinierte Gebäude an die Gemeinde zurückgegeben und dient seitdem auch wieder als Synagoge. Ihren aktuellen renovierten Zustand verdankt sie der norwegischen Musikerin Bente Kahan, die 2005 eine Stiftung gründete und auch mit Hilfe von Geldern der Europäischen Union die Synagoge zu eben dem Zentrum machte, das die Tagungsteilnehmer erleben durften.

Als Synagoge selbst dient nun ein kleiner Raum im Seitenflügel des Gebäudes, nur zu den hohen Feiertagen wird der Gottesdienst im großen Saal gefeiert, in dessen zwei Galerien jetzt die Ausstellung „Zurückgewonnene Geschichte“ präsentiert wird. Sie wurde am 6. Mai 2010 eröffnet und dokumentiert das jüdische Leben in Wroclaw, vormals Breslau und Niederschlesien, das auf eine lange Tradition zurückblicken kann: Der älteste aufgefundene jüdische Grabstein stammt aus dem Jahre 1203 und gibt Zeugnisse darüber, dass sich vom 13.-15. Jahrhundert immer mehr Juden in der Gegend ansiedelten. Auf dem jüdischen Friedhof liegen bekannte Persönlichkeiten, darunter beispielsweise der Historiker Heinrich Graetz, dessen „Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart“ nach wie vor als Standardwerk der jüdischen Geschichte gilt. Etwas ungewöhnlich ist es allerdings schon, wie mit diesem Erbe umgegangen wird: der alte jüdische Friedhof wurde kurzerhand zum Museum erklärt, man zahlt Eintritt und das Tragen einer Kippa ist keine Pflicht.

Das jüdische Leben in Breslau steht wieder am Anfang einer neuen Blüte: diesen Eindruck konnte man auf dem kleinen Platz vor der Synagoge gewinnen, der von vielen Touristen und Studenten aufgesucht wird. Die Gemeinde selbst hat etwa 300 Mitglieder, es gibt einen Rabbiner, der aus Israel gekommen ist, regelmäßige Gottesdienste, eine koschere Küche in der Synagoge sowie ein kleines koscheres Café am Platz. (…)

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