Mein Ulpan an der Hebräischen Universität  

März 3, 2017 – 5 Adar 5777
Iwrit lernen? – Ja bitte!

Von Maya Zehden

Zugegeben: Iwrit lernen ist unlogisch. Von den außerhalb Israels lebenden ca. 8 Millionen Juden spricht diese Sprache nur ein kleiner Teil. Die Frommen beherrschen sie natürlich, aber als heilige Sprache darf sie bekanntermaßen nur zum Gebet benutzt werden, weshalb sich orthodoxe Juden auf Jiddisch oder eben in der jeweiligen Landessprache unterhalten. Auch die rund 10-15 % Ultraorthodoxen unter den in Israel lebenden 6,1 Mio. Juden fallen als Gesprächspartner dann schon mal raus. Und von den fast zwei Millionen arabischen Israelis können viele die Sprache auch nur rudimentär – aus Prinzip. Denn wie ich häufiger gehört habe, meinen sie, dass sie sonst ihre Identität einbüßen würden. Es ist wie früher bei den Franzosen mit englisch: Auch wenn sie es können, sprechen sie es aus Prinzip nicht.

Also wozu die Mühe? Ehrlich gesagt – ich weiß es selbst nicht. Aber seit ich ein Kind war, wollte ich verstehen, was meine Mutter und mein Vater miteinander sprachen, wenn ich nicht wissen sollte, worum es geht. Auch von meinen Verwandten in Israel, mit denen die Unterhaltung auch auf Englisch geht, will ich irgendwann mal wissen, was sie wirklich meinen, und nicht nur, was sie mich wissen lassen.

Vor einiger Zeit habe ich mich dann also mit dem üblichen Basiswissen Iwrit aus sechs Jahren Religionsunterricht aufgemacht. In Konversationsrunden und sogar mit einem Kurs an der Jüdischen Volkshochschule begann mein Einstieg. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass es überwiegend Nicht-Juden sind, die hier versuchen, die Sprache zu lernen – mit unterschiedlicher Motivation: meist wegen israelischer Freunde, aber auch Christen, die die Bibel im Original lesen wollen. Bei mir ging es allerdings nicht vorwärts – und mal ehrlich: Wer macht denn wirklich neben all dem Alltagskram noch Hausaufgaben für den Sprachkurs?

Als ich hörte, dass es einen Intensivkurs Iwrit an der Hebräischen Universität in Jerusalem (HUJ) gibt, genauer gesagt am „Rothberg Institute“, der Einrichtung für ausländische Studenten an der HUJ, wollte ich unbedingt an dem Kurs teilnehmen. Diese Kurse sind offen für jedes Alter und für absolute Anfänger bis hin zu den richtig Fortgeschrittenen. So ein 20-tägiger Intensivkurs mit insgesamt 80 Stunden zuzüglich kursfreier Wochenenden sollte den (meinen) Durchbruch bringen. Ohne genau zu wissen, worauf ich mich einlasse, überwies ich die 1.350 $ Gebühr für den Kurs und buchte gleich das angebotene Quartier im Studentenwohnheim für 580 $ dazu.

Einige Informationen waren auf der Internetseite zu finden, aber kaum etwas über den Kursinhalt. Das soll sich mit dem Relaunch der Seite demnächst ändern. Aber ich wollte ja Abenteuer, und das bekam ich dann auch.

Vorher galt es allerdings die Hürden der Bürokratie zu überwinden. Spätestens eine Woche bevor der Kurs anfing, musste ich einen Einstufungstest im Internet machen. Dazu bekam ich einen Link und alles war prima vorbereitet. Die Info dazu lautete, man hätte bis zu fünf Stunden Zeit, den Test zu machen, dann schalte er sich ab. Und man könne nur einmal anfangen. Also vergingen erst mal mehrere Tage, bis ich fünf Stunden am Stück Zeit hatte. Die ich dann gar nicht brauchte, denn mein Level ist „Aleph fünf“, immerhin. Aber von 150 Fragen konnte ich nur die ersten 40 beantworten und das dauerte kaum 30 Minuten.

Wenn man dann so weit ist, lässt man sich auch nicht mehr von den weiteren Formalitäten abschrecken. Eingereicht werden musste ein Formular zu den persönlichen Daten und ein ärztliches Attest, das an Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrigließ. Gefragt wurde, ob und wo ich mal operiert wurde oder welche Beschwerden ich an welcher Stelle im Körper (sind alle aufgelistet) in welchem Alter hatte. Mein Arzt kreuzte nichts an – er fand, das ginge die Uni nichts an. Stattdessen verabreichte er mir eine Grippeimpfung – das sei sinnvoll, weil die gerade, wenn ich da sei, in Israel ankäme – und attestierte mir lediglich, dass ich augenblicklich gesund sei. Die Uni war irritiert, aber beließ es dabei.

Alle Infos zum Kurs bekam ich dann erst bei meiner Ankunft. Benutzt wird generell ein Buch, dass auch einige Iwrit-Lehrer in der Jüdischen Volkshochschule in Berlin benutzen: Hebrew from Scratch - Part 1 für Level Aleph, Hebrew from Scratch - Part 2 für Level Bet. Dieses Buch wurde an der Hebrew University entwickelt und für das Lernen von Hebräisch als Fremdsprache in alle Welt exportiert.

Tsuki Shai, der akademische Direktor der Abteilung für Hebräisch Unterricht, ist stolz darauf, dass nicht nur jährlich mehrere Hundert externe Studenten aus aller Welt am Rothberg Institute Iwrit lernen. Dieses Institut ist auch das landesweit einzige, das Lehrer-Training durchführt. Nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern mit dem Zertifikat in der Tasche können die hier ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer an allen Ulpanim im Land unterrichten.

Das hier entwickelte System, Iwrit als Zweit- oder Drittsprache zu unterrichten, ist so erfolgreich, dass es bereits mit vielen Ländern Kooperationen gibt, um es dort für die Vermittlung der jeweiligen Landessprache anzuwenden, beispielsweise für Deutsch in Deutschland oder Norwegisch in Norwegen. Dazu wird die Evaluation des Unterrichts gerade an den Standard des Council of Europe angeglichen. So wird demnächst nicht mehr von Aleph 5 die Rede sein, sondern wie bei Deutsch als Fremdsprache von Level A bis C in den Stufen 1,2 usw.

Die Studenten lernen am Rothberg Institute aber nicht nur Iwrit, sondern auch das Land und ihre Kommilitonen aus aller Welt kennen. Das beginnt bereits in der Studentenunterkunft, wo man in Apartments mit bis zu fünf Zimmern untergebracht ist. Da bis auf die nötige Grundausstattung weder im zugewiesenen Zimmer noch im Apartment irgendwelche beweglichen Dinge vorhanden sind, lernt man sich zwangsläufig gut kennen, denn man muss gemeinsam einkaufen gehen. Meine WG bestand aus einer Chinesin, die ein Jahr an der Uni bleibt und gerade zur Vorbereitung Hebräisch lernte, und einer Amerikanerin, einer Brasilianerin und mir, die nur wegen des Ulpans da waren.

Wir hatten alle unterschiedliche Niveaus im Iwrit, daher waren wir nicht beim Lernen zusammen, und keine von uns war unter 30. Also meine Sorge, nur mit Youngstern zusammen zu sein, war unbegründet. (…)

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