Grand Prix: Drei Siege, zwei Gastgeberrollen, stetige Kontroverse  

Mai 11, 2016 – 3 Iyyar 5776
Israel und der Eurovision Song Contest

Von Adam Elnakhal

Das vorweg: Seine besten Zeiten hat der „Eurovision Song Contest“ lange hinter sich gelassen. Dem größten internationalen Musikwettbewerb der Welt ist der anmutige Glanz seiner Anfangsjahre spätestens mit der Abschaffung des Begleitorchesters sowie dem Ende der Tradition, dass Beiträge in der jeweiligen Landessprache gesungen werden, Ende der 1990er endgültig verloren gegangen. Böse Zungen behaupten gar, dass es heute weniger um Musik, um Melodien und um Liedtexte als vielmehr um Showeinlagen gingen würde. Ganz böse Zungen behaupten sogar, dass sie einen Grand-Prix-Abend nur mit dem Verzehr alkoholischer Getränke aushalten könnten.

Wie dem auch sei: Der Eurovision Song Contest fährt in vielen Staaten jedes Jahr Spitzenquoten ein. Und da die Europäische Rundfunkunion nicht nur den europäischen Kontinent, sondern auch die nordafrikanischen Staaten und den vorderasiatischen Raum erfasst, darf seit jeher auch der Staat Israel am Sangeswettbewerb teilnehmen. Zur ersten israelischen Teilnahme kam es jedoch erst Anfang der 1970er, fünf Jahre nach der Inbetriebnahme des öffentlichen Fernsehsenders. Nach dem der israelische Rundfunk den Wettbewerb 1972 erstmals ausstrahlte, wagte sich im Frühjahr 1973 die damals 25-jährige Ilanit zur ersten Teilnahme auf die Bühne. Der von RTL veranstaltete Showabend in Luxemburg stand noch unter dem Eindruck des Massakers der Olympischen Sommerspiele in München einige Monate zuvor. Die Angst vor Störungen oder gar einem erneuten Massaker führte dazu, dass die aus Tel Aviv stammende Ilanit bei ihrem Auftritt im Großherzogtum eine kugelsichere Weste tragen musste und den Zuschauern im Vorfeld verboten wurde sich vor Veranstaltungsende von den Sitzen zu erheben. Doch es blieb ein friedlicher Sonnabendabend in der edlen Stadt an der Alzette. Am Ende erreichte die von Nurit Hirsh komponierte Ballade „Ey Sham“ bei 17 Teilnehmern einen mehr als respektablen vierten Platz. Israel erhielt sieben von 97 und damit überdurchschnittliche Punkte aus Frankfurt am Main von der Jury des Hessischen Rundfunks. Und auch Deutschland erhielt vier Punkte aus Jerusalem und war somit für Israel alles andere als das (musikalische) Schlusslicht jenen Abends. Die Punktevergabe bei der Eurovision wird seit je her genau beäugt. Nicht selten geht es auch um die allgemeinen Beziehungen zwischen zwei Staaten.

Doch genau das sollte der ESC (wie der Eurovision Song Contest seines langen Namens wegen gerne abgekürzt wird) nie werden: Ein Politikum! Die 1956 ins Leben gerufene Unterhaltungssendung sollte einen über die Schlagermusik verbindenden Charakter entwickeln. Doch wie sooft klaffen Wunsch und Wirklichkeit auch bei der schöngeistigen Eurovision auseinander und der ESC wird genau das: Eine politische Bühne, auf welcher die Musik schnell zur leisen Hintergrundmusik und die bilateralen und gesellschaftlichen Beziehungen und Beziehungskonflikte in den Vordergrund rücken.

1979 war der Grand Prix zum ersten Mal in Israel
Schon 1979 fand der erste ESC in Jerusalem statt, da Israel mit dem Sänger Izhar Cohen und seinem leichten Dance „A-Ba-Ni-Bi“ im Vorjahr den Titel gewinnen konnte. Zunächst schien alles planmäßig zu verlaufen, ehe die Türkei, welche noch 1978 für den israelischen Siegerbeitrag die Höchstwertung vergab, für Aufsehen sorgte. Die Türkei stand bereits auf der Teilnehmernehmerliste des Europäischen Rundfunks, als man in Ankara einen eiligen Rückzieher machte und seine Teilnahme in Jerusalem absagte – obwohl es schon eine Sängerin und ein Lied gab. Ob nun Druck von der türkischen Regierung und/oder den arabischen Nachbarstaaten den Ausschlag gaben, wird sich wohl nicht mehr sicher klären lassen. Sicher ist jedoch, dass Israel als Austragungsort und Gastgeber das entscheidende Problem für die Türken war. Der türkische Halbmond sollte unter dem israelischen Davidstern auftreten. Das war für den türkischen Staatssender dann doch zu viel der Toleranz. Israel konnte es jedoch egal sein. Es gewann im eigenen Land mit Gali Atari und dem wunderschönen Titel „Hallelujah“. Im folgenden Jahr 1980 verzichtete Israel sowohl auf die Veranstaltungsausrichtung als auch – aufgrund des Gedenktages Jom haZikaron, an dem der gefallenen israelischen Soldaten und zivilen Opfer des Terrorismus gedacht wird – auf eine Teilnahme. Nun war es dem Königreich Marokko, das bis dahin dem Wettbewerb gänzlich fern geblieben war, seltsamerweise auf einmal möglich teilzunehmen. 24 Jahre nach der Unabhängigkeit von der Frankreich schickte man erstmals eine Delegation mit der Popsängerin Samira Said zum Grand Prix, der 1980 im niederländischen Den Haag stattfand. Man konnte jedoch nur einen enttäuschenden vorletzten Platz erreichen. Marokko selbst gab seine Höchstpunktzahl (12 Punkte) übrigens an die Türkei, die in jener Sonnabendnacht lediglich aus Italien (8) und aus Österreich (3) Punkte bekam. Aber nein, der ESC ist ganz sicher kein Politikum. Oder? (…)

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