Die neue Wanderausstellung zu Luthers Judenfeindschaft  

September 9, 2016 – 6 Elul 5776
„Ertragen können wir sie nicht“

Von Karl Pfeifer

Nicht nur Deutschland wird im Oktober 2017 500 Jahre Reformation feiern, auch weil dieser ehemalige Augustinermönch und Revolutionär unter anderem die deutsche Sprache erneuerte und die Aufklärung möglich machte. Jedoch darf man nicht den wilden Judenhass von Martin Luther verschweigen.

Die Wanderausstellung „Ertragen können wir sie nicht“ sah ich im August in der Evangelischen Akademie Meißen. Auf 18 Schautafeln wird der Reformator gewürdigt, aber es werden auch seine „Kehrseiten“ eingebettet in den schon lange vor Luther bestehenden christlichen Anti-Judaismus.
Angeregt und gestaltet wurde die Ausstellung von der Beauftragten für christlich-jüdischen Dialog, Pastorin Hanna Lehming, vom „Zentrum für Mission und Ökumene der Nordkirche“.

Luther glaubte die Juden – die er kaum kannte – bekehren zu können und erst die Enttäuschung darüber, dass diese trotz Pogromen, trotz Verfolgung und Vertreibung am Glauben ihrer Väter festhielten, führte zur Änderung seiner Haltung zu den Juden. Die Ausstellung räumt mit der lange geübten Apologetik auf, Luther hätte nur in seinen letzten Lebensjahren gegen die Juden seiner Zeit angeschrieben.

Wie alle Revolutionäre seither wurde auch Luther beschuldigt zu „judaisieren“. Darüber erhält der Besucher der Ausstellung keine Information. Tatsächlich erklärte ein jüdischer Zeitgenosse, der „Daß Jesus Christus ein geborner Jude sey“ gelesen hatte, die wachsende Feindseligkeit der späteren Werke des Reformators als Reaktion darauf, dass seine Gegner „ihn verleumdeten und sagten, sein Geist neige zum Glauben der Israeliten.“

In der Ausstellung wird auch auf die Folgen von Luthers hasserfülltem Wirken gegen Juden eingegangen. Luthers Vorschläge, wie mit Juden umzugehen sei, lesen sich wie eine Vorbereitung zum Massenmord:

„Verbrennen ihrer Synagogen
Zerstörung ihrer Häuser und Zwangsunterbringung wie Zigeuner
Wegnahme ihrer religiösen Bücher
Lehrverbot für Rabbiner bei Androhung der Todesstrafe
Aufhebung der Wegefreiheit
Zwangsenteignung
Zwangsarbeit“

Thomas Kaufmann, ein der evangelischen Kirche nahestehender Historiker, stellt in seinem Buch „Luthers Juden“ fest „dass auch Luther zu den ‚mentalen‘ Ressourcen der rassistisch modernisierten Judenfeindschaft insbesondere in Deutschland gehöre, ist nicht zu bestreiten.“

Luthers Worte führten direkt zur Vertreibung der Juden aus Kursachsen 1537 und aus den thüringischen Städten in den 1540er Jahren und fachten 1543 antijüdische Unruhen in Braunschweig an. Nach seinem Tod inspirierten sie im Jahr 1553 Vertreibungen aus Braunschweig und mehreren anderen Herzogtümern, die Zerstörung der Berliner Synagoge 1572 und die Vertreibung aus Brandenburg 1573. Zu diesem Zeitpunkt waren die Juden aus allen großen säkularen deutschen Territorien bis auf Hessen vertrieben und aus allen bedeutenden freien Reichsstädten außer Frankfurt. Die wenigen auf deutschen Territorien verbliebenen Juden lebten in den von katholischen Bischöfen regierten Gebieten unter dem Schutz des Kaisers. Als ein aus Braunschweig ins Heilige Land geflüchteter Jude schrieb, Ursache seines Exils seien „dieser üble Priester Martin Luther und die anderen Bösewichter, die von diesem Erzhäretiker abstammen“ lag er nicht völlig falsch.

Der alternde Luther wollte Juden nicht mehr bekehren, sondern aus von Christen bewohnten Ländern vertreiben. 1546 nahm er sogar die anstrengende Reise in seinen Geburtsort Eisleben auf sich. Eine Reihe anderswo vertriebener jüdischer Flüchtlinge hatte dort Asyl erhalten, was er rückgängig zu machen hoffte. Als er durch die Stadt fuhr, hatte er das Gefühl, die Anwesenheit der Juden und ihre Schuld blase ihn so kalt an als solle sein Hirn gefrieren, wie er am 1. Februar an seine Frau schrieb. Er werde alles tun, damit sie vertrieben würden. Zu diesem Zweck hielt er den Gläubigen einige polemische Predigten: „Wollen sich die Juden zu uns bekeren […] so wollen wir inen gerne vergeben. Wo aber nicht, so sollen wir sie auch bey uns nicht dulden noch leiden.“ Luther zog sich eine schlimme Erkältung zu, und diese Predigten waren die letzten seines Lebens. Wie so viele Propheten vor ihm starb er im Kampf gegen die Juden.

Trotz und vielleicht auch wegen allen schrecklichen Folgen dieses Kampfes wird dieser noch heute fortgesetzt. „Wir leben in einem Zeitalter, in dem Millionen von Menschen täglich irgendeiner Form des Arguments ausgesetzt sind, die Herausforderungen ihrer Welt seien am besten mit Bezug auf ‚Israel‘ zu erklären.“

Heute kann das Argument, Luther hätte lediglich den Zeitgeist verkörpert, nicht mehr akzeptiert werden. Denn sein Hass war doch das genaue Gegenteil von dem, was Christen als zentrale Botschaft ihres Glaubens postulieren, die Nächstenliebe, ja sogar die Liebe zu den Feinden.
Die Juden waren damals in deutschen Landen (und auch später) keinesfalls Feinde, sondern eine kleine, oft verfolgte und vertriebene Minderheit, die im Gegensatz zu den Christen nicht missionierte. (…)

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