Im Oktober 1944 erhoben sich jüdische Häftlinge in Auschwitz  

Dezember 4, 2015 – 22 Kislev 5776
Erfolglos, aber nicht vergebens

Von Ludger Joseph Heid

Der Begriff „Sonderkommando“ hatte in der NS-Zeit drei unterschiedliche Bedeutungen. Er bezeichnete eine überwiegend aus SS-Männern bestehende Einheit zur Durchführung „spezieller Aufgaben“, nämlich die Ermordung von zumeist jüdischen Menschen, was als „Endlösung“ im nationalsozialistischen Sprachgebrauch benannt war. Im Ghetto von Lodz gab es ein jüdisches „Sonderkommando“ als Teil des „Jüdischen Ordnungsdienstes“. Und schließlich gab es die Bezeichnung „Sonderkommando“ – einer der vielen Nazi-Begriffe, die der Verschleierung der Verbrechen dienten – womit jüdische Häftlingseinheiten in Vernichtungslagern gemeint waren, die gezwungen waren, an den Gaskammern und in den Krematorien die Leichen der Mordopfer zu verbrennen, denen zuvor noch das Gold aus den Zähnen gebrochen werden musste.

Der Einsatz der jüdischen „Sonderkommandos“ war eng mit der Absicht verbunden, die Juden bis aufs Äußerste zu erniedrigen – und es gab keine größere Erniedrigung, als Juden zu zwingen, an einem Prozess teilzunehmen, an dessen Ende die Ermordung unzähliger ihrer Brüder und Schwestern stand. „Wir machten die schwarze Arbeit des Holocaust“, so drückte es Jaacov Gabai zutreffend aus, ein griechischer Jude und einer der wenigen Überlebenden des „Sonderkommandos“. Die Erfindung und Aufstellung der „Sonderkommandos“ war das dämonischste Verbrechen der Nationalsozialisten, insofern damit auch der Versuch unternommen wurde, das Gewicht der Schuld auf andere, nämlich auf die Opfer selbst, abzuwälzen.

Die „Sonderkommandos“ waren immer von den anderen Häftlingen isoliert und unterlagen ihrer unfreiwilligen Zeugenschaft am unmittelbaren Massenmord wegen einer besonderen Geheimhaltung. Die Mitglieder wurden in Abständen von wenigen Monaten ermordet und durch neue Häftlinge ersetzt. Auch waren sie sich bewusst, dass mit jedem Tag, an dem die abzusehende Befreiung von Auschwitz näher rückte, sich auch der Tag ihrer eigenen Ermordung näherte. Daraus resultierte jener tiefe unüberbrückbare Interessengegensatz zu den anderen Häftlingen, denn diese konnten wenigstens hoffen, wenn sie nur allen Befehlen der SS nachkämen und es ihnen gelänge, den grausamsten ihrer Bewacher zu entgehen, den Tag ihrer Befreiung zu erleben. Die „Sonderkommandos“ in Auschwitz konnten und wollten mit ihrem bewaffneten, gleichwohl chancenlosen Widerstand nicht warten, bis die Rote Armee am Horizont erschien.

Höchstens 100 Männer von den 3.000 Juden, die während der Jahre von 1941 bis 1945 im „Sonderkommando“ von Auschwitz-Birkenau „gearbeitet“ haben, blieben am Leben. Dass es gerade die „Sonderkommando“-Häflinge waren, die im Oktober 1944 einen Aufstand wagten, war gewiss kein Zufall. Sie waren tagtäglich mit dem Tod konfrontiert und sie wussten nur zu genau, dass ihr eigenes Todesurteil längst gefällt war. (…)

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