Von “Mein Kampf“ und „Protokolle der Weisen von Zion“ in Buchhandlungen und Geschäften, die „Hitler“ heißen  

März 8, 2019 – 1 Adar II 5779
Drei Bücher zur arabischen Rezeption der Schoah

Von Tina Adcock

Bereist man die arabische Welt, so findet man in den meisten Ländern Geschäfte, die unter anderem Lektüre verkaufen wie „Mein Kampf“ oder die „Protokolle der Weisen von Zion“. Ebenso kann man Läden finden, die den Namen „Hitler“ tragen und dabei lediglich Alltagskleidung verkaufe – also eigentlich keinerlei Bezug zu dem Massenmörder haben, der ihr Namensgeber ist. Einer dieser Läden befindet sich zum Beispiel in Gaza.

Dort befragte man im Jahr 2015 „Palästinenser“, wie ihre Meinung zu dem Geschäft und dessen Name wäre. Einer von ihnen antwortet: „Der Name des Shops ist ‚Hitler‘ und ich mag ihn, weil er der größte Judenhasser war.“ Es stellt sich die Frage, warum in der arabischen Welt eine angemessene Rezeption der Schoah so gänzlich zu fehlen scheint. Dieser Frage haben sich bereits einige, wenn auch bei weitem nicht genügend, Wissenschaftler gestellt. Es lassen sich viele Werke über Antisemitismus und Holocaustleugnung in den arabischen Ländern im Zusammenhang mit der Kooperation arabischer Nationalisten mit dem Nazi-Regime finden. Besonders die historische Figur des Großmuftis Amin-al-Hussaini spielt darin immer wieder eine Rolle, gilt er doch als eine Art Prototyp des antisemitischen arabischen Nationalisten.

Im Folgenden sollen vor allem drei Werke den Umbruch, sowie den Aufbruch der Forschung zu diesem Themengebiet zeigen.

Esther Webman und Meir Litvak

Im Jahr 2009 legten Esther Webman und Meir Litvak, beides bekannte Orientalisten der Universität Tel Aviv, eine erste umfassende Studie vor, die nicht nur die Kooperation mit den Nationalsozialisten untersucht, sondern auch den Eichmann-Prozess, das Reparationsabkommen zwischen Israel und Deutschland (1951-1953), die Auswirkungen des II. Vatikanischen Konzils (in den 1960er Jahren) und den Osloer Friedensprozess (1993) im jeweiligen Zusammenspiel mit dem Holocaust-Diskurs im arabischsprachigen Raum betrachtet.

Das Buch „From Empathy to Denial. Arab Responses to the Holocaust“ stellt heraus, dass die westlichen Debatten über jene Themen einen großen Einfluss auf den arabischen Raum hatten. Die Rezeption der Schoah reicht hierbei von Leugnung und Rechtfertigung bis hin zur Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit dem Zionismus. Auch der Vorwurf der Kollaboration von Juden mit dem Nazi-Regime ist wiederholt zu finden.

Des Weiteren wird erklärt, dass Verschwörungstheorien, wie sie zum Beispiel in den „Protokollen der Weisen von Zion“ zu finden sind, früh Einzug in arabische Debatten hielten und unter anderem als Erklärung für die die Staatsgründung Israels herhalten müssen. Ebenfalls wird festgestellt, dass der Nahostkonflikt die arabische Sicht auf die Schoah verstellt habe. Der Fokus lag nie auf dem Verstehen und dem Verarbeiten der Judenvernichtung.

Vielmehr nutzte man Ereignisse wie den Eichmann-Prozess, um der Weltöffentlichkeit klar zu machen, dass Israel Verbrechen verurteilen würde, die es selbst begangen habe. Das Stichwort ist hierbei immer wieder die sogenannte Nakba. Das Werk stellt eine bemerkenswert gute historische Einordnung des Schoah-Diskurses der arabischen Welt in seiner jeweiligen Zeitspanne dar und setzt einen neuen Fokus, der außerhalb des vorangegangenen Diskurses liegt.

Gilbert Achcar

Im Jahr 2012 folgte ein Werk des Politologen Gilbert Achcar: „Die Araber und der Holocaust. Der Arabisch-Israelische Krieg in der Geschichtsschreibung“. Beide Studien stimmen darüber ein, dass der Nahostkonflikt ein Hindernis für die angemessen Rezeption der Schoah im arabischen Raum wäre. Achcar jedoch geht bei seinen Untersuchungen anders vor. Das Werk ist in zwei Hauptteile gegliedert – die Zeit der Schoah und die Zeit der Nakba. Sein Fokus liegt darauf, sowohl Israelis als auch Araber über eine gewisse Ignoranz und Verblendung ob dem jeweiligen Schicksal der Gegenseite aufzuklären.

Dies gelingt ihm allerdings nicht, da er antisemitische Aussagen von arabischen Intellektuellen und Politikern relativiert und sie unter kultureller Rückständigkeit und Frustration verbucht. Matthias Küntzel stellt hierbei treffend fest: „Achcar ist vermutlich der erste antizionistische Autor, der die ideologische Verwandtschaft zwischen dem Nationalsozialismus und dem Pan-Islamismus der Dreißiger- und Vierzigerjahre beschreibt und kritisiert.“ und „Er lässt darüber hinaus keinen Zweifel, dass der Kampf gegen Israel heute von eben jenen islamistischen Gruppen getragen wird, deren Judenfeindschaft heute wie damals Nazi-ähnliche Züge aufweist.“ (…)

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