Wie die Rücksichtnahme auf arabische Siedler einem schwerverwundeten Soldaten das Leben schwer macht  

Juli 7, 2016 – 1 Tammuz 5776
Die Stunde der Bürokraten

Von Chaya Tal

Das größte und erfolgreichste Projekt in der Geschichte der israelischen Spendensammelseite Headstart.co.il (inspiriert von einer ähnlichen Webseite in den USA namens Kickstarter), welches erst am Donnerstag, dem 2. Juni 2016, ins Leben gerufen wurde, hatte schnell seine Zielsumme von 600.000 Schekel überschritten: 1.528.601 Schekel!

Dutzende von Medien und tausende Posts in sozialen Netzwerken berichteten auf Hebräisch und Englisch über das Projekt und priesen die Großzügigkeit und den überwältigenden Einsatz für einen den meisten Spendern komplett fremden Menschen: Yehuda Yitzhak Hayisraeli.

Die Kampagne, ins Leben gerufen am besagten 2. Juni 2016 von der Non-Profit-Organisation „My Israel“, entstand für einen noblen Zweck; gleichzeitig offenbarte sie ganz Israel, durch die überwältigende Anteilnahme und die Berichterstattung in der meist neutralen bis kritischen Presse, die Haltung, welche die staatlichen Organe gegenüber denen pflegen, die für sie in den Krieg und in den Tod ziehen. Beispielsweise dann, wenn diese an einem Ort wohnen, deren Bewohner für politische Spielereien ausgenutzt werden können, wann immer es den Politikern beliebt. Alle Bürger sind gleich vor dem Gesetz, aber manche sind eben weniger gleich, mögen sie noch so sehr ihr Leben aufs Spiel setzen.

Zu den Fakten.

Wer ist Yehuda Yitzhak Hayisraeli?
Yehuda ist ein junger Mann, 24 Jahre alt, Ehemann von Rivka (23), Vater von zwei kleinen Kindern – Tzuriá und Érez. Geboren in der Siedlung Psagot (Binyamin-Region), wuchs er mit seinen Eltern in der Ortschaft Ofra (ebenso Binyamin) auf. Als er und Rivka heirateten, da waren beide Anfang 20, sie zogen um nach Tel Aviv, wo die Eltern seiner Ehefrau wohnten. Im Herbst 2012, im Rahmen seines religiösen Studiums kombiniert mit dem Armeedienst, wurde Yehuda zum Wehrdienst eingezogen.

Anstatt nahe dem Wohnort zu dienen, was er als verheirateter Mann hätte verlangen können, entschied er sich, in eine Kampfeinheit einzutreten (bei den GIvati-Einheiten), zog die Examen durch und wurde angenommen.

„Er ist ein Mensch, dem das jüdische Volk wichtig gewesen ist. Das Geben war ihm wichtig“, beschrieb ihn sein Vater (Israel Hayom, 27. März 2015).

Der Einsatz und die Folgen
Im Juli 2014 begann die Militäroperation „Fels in der Brandung“, im Anschluss an die Entführung der drei Jugendlichen Eyal, Gil-ad und Naftali einen Monat zuvor. Verschiedene Einheiten der IDF marschierten im Laufe der Operation in den Gazastreifen ein, um Terroristenzellen zu neutralisieren und die erst kürzlich bekannt gewordenen Terrortunnel, welche aus dem Streifen ins Kernland Israel führten, ausfindig zu machen. Yehuda, der sich gerade in einem Offizierskurs befand, war gerade für einen kurzen Urlaub daheim, konnte aber angesichts der Kriegshandlungen nicht stillsitzen, wie seine Frau Rivka im Nachhinein berichtete; er wollte bei seinen Kameraden sein. Rivka befand sich gerade im neunten Monat, ließ ihren Mann aber zur Front.

Am 1. August, einige Tage später, wurde der Verdacht auf Entführung eines Soldaten öffentlich gemacht, und Yehuda und weitere Soldaten der Spezialeinheit wurden in den Gazastreifen, nahe der Stadt Rafiah, geschickt, um den Entführten aufzuspüren.

Während ihres Vormarsches in einem Trainingslager der Hamas gerieten sie ins Kreuzfeuer einer technischen Einheit der Armee, welche die Gebäude auf dem Weg zu sprengen hatte, um den Vormarsch zu garantieren. Yehuda wurde von einem Raketensplitter in den Kopf getroffen. Lebensgefährlich verletzt, wurde er ins Soroka-Krankenhaus in Be’er Schewa transportiert, im Laufe des Tages und der Nacht mehrfach operiert, ins Koma versetzt. Tag und Nacht wachten Familie und Freunde. Sein Zustand veränderte sich – verschlimmerte sich, verbesserte sich wieder, Yehuda verblieb im Koma. Zwei Monate lag er in der Notaufnahme, überlebte er fünf Kopfoperationen. Laut Sara Ha’etzni-Cohen, der Direktorin der NGO „My Israel“, musste etwa ein Drittel seines Schädels, der irreparabel beschädigt worden war, entfernt werden.

„Wir wissen, dass er hört und fühlt“
Nur wenige Wochen nach der schicksalsträchtigen Verletzung, am 21.August, wurde Yehudas zweites Kind geboren, fünf Tage vor dem offiziellen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas. Am 28. August wurde die traditionelle Beschneidungszeremonie abgehalten – im Krankenhaus, im Korridor neben Yehudas Krankenzimmer. Der Komapatient sollte, so möglich es nur war, bei der Beschneidung und Namensgebung seines Sohnes dabei sein. Das Krankenpersonal, welches sehr eng mit der Familie Hayisraeli kooperierte, organisierte die Zeremonie. Der Sohn wurde Érez benannt – auf Hebräisch Zeder. Auf den Namen hatten sich Yehuda und seine Frau noch vor seinem Einsatz geeinigt.

Rivka brachte das Mädchen, Tzuria, die damals noch keine zwei Jahre war, erst einige Monate nach Yehudas Verletzung zum Vater, als er ins Rehabilitationszentrum Shiba (Tel Hashomer Hospital, nahe Tel Aviv) überführt worden war. Sie hatte Angst vor der Reaktion des Kindes auf den durch die Verletzung und die Kabel kaum erkennbaren Vater. Entgegen ihrer Sorgen reagierte das Kind ganz normal und zeigte keine Berührungsängste. Auch den kleinen Sohn brachte Rivka von da an ans Krankenbett, nahe zum Vater, damit dieser sich an den Geruch gewöhnen konnte.

Die Eltern, Iris und David, hatten außer des Kummers um den Sohn noch mit vielen weiteren Sorgen zu kämpfen: mit der als träge bekannten Bürokratie der israelischen Armee und weiterer offizieller Stellen. „Wir haben gute Menschen gefunden, die uns so gut es geht helfen wollen. Sie bezahlen uns die Anwesenheit in den Gästezimmern am Schabbat, ein behindertengerechtes Auto, das ihm zustehen sollte, lieferten sie mir an seiner statt, unterstützen uns mit dem Kindergartengeld für Tzuria und Erez, und uns begleitet auch eine Sozialarbeiterin“, berichtete David Hayisraeli im selben Interview in 2015. Und dennoch: Die Bürokratiemühle drehte sich langsam, und die Folgen des politischen Kräftemessens blieben auch Yehuda und seiner Familie nicht erspart.

Behindertengerecht? Nicht in Judäa und Samaria.
Ein Jahr nach seiner Hospitalisierung begann Yehuda, Handbewegungen zu zeigen und damit auf Ja-und-Nein-Fragen zu antworten. Im Oktober 2015 schließlich begann er, die ersten Worte zu sagen. Seine Genesung ging voran, in sehr langsamen Schritten, aber ein Silberstreif am Horizont wurde sichtbar. Im Frühjahr wurde eine weitere wichtige Operation an ihm durchgeführt, und die Rehabilitation hatte eine Phase erreicht, bei welcher Hayisraeli in das Haus seiner Eltern in Ofra überführt werden durfte, um dort, in familiärer Umgebung, weiter behandelt zu werden. Die täglichen Fahrten der Familie ins Krankenhaus, die Übernachtungen in Hotelzimmern und die andauernde Hospitalisierung durfte endlich zu ihrem Ende kommen, fast zwei Jahre hatte dieser Zustand gedauert.

Um das Haus seiner Eltern behindertengerecht umgestalten zu können, müssten einige Dinge angepasst werden – eine Einfahrtsrampe zum Haus, eine besonders eingerichtete Wohneinheit, ein Behindertenaufzug und anderes mehr. Da Ofra eine Siedlung ist, eine vom Staat seit Jahrzehnten anerkannte, aber ihre Bewohner – israelische Staatsbürger – dennoch zunächst einmal dem Militärgesetz in den Gebieten von Judäa und Samaria unterliegen, musste für den behindertengerechten Ausbau des Hauses eine Genehmigung beim Verteidigungsministerium beantragt werden. (…)

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