Von den unterschiedlichen Trachten aschkenasischer Juden  

September 9, 2016 – 6 Elul 5776
Die Kleider machen den Menschen

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Wenn man auf der Straße einen Mann trifft, der eine schwarze Hose, ein weißes Hemd, einen langen schwarzen Frack und einen schwarzen Hut trägt, dann wird sich jeder sicher sein: Man hat einen orthodoxen Juden vor sich.

Aber auch orthodoxe Juden kleiden sich längst nicht alle gleich: Sie tragen verschiedene Kopfbedeckungen, verschiedene Hüte, manche Chassidim tragen Schtreimel, manche Spodek, auch der Frack kann bei den vielen chassidischen Richtungen verschieden sein.

Doch wie kam diese “jüdische Mode” zustande? Wovon hängt die Verwendung der einzelnen Kleidungsstücke und ihr Aussehen ab? Ist diese Kleidung so wichtig, dass sie auch heutzutage getragen werden muss? Diese Fragen stellen sich viele Menschen, wenn sie orthodox gekleidete Juden treffen.

Die ersten Kleider in der Geschichte
Zum erstem Mal finden wir die Kleider in der Thora schon am Anfang des Buches Bereschit (3,21): Adam und seine Frau Hava haben die Frucht von dem verbotenen Baum gegessen und haben entdeckt, dass sie unbekleidet sind.
“Und G’tt der HERR machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und bekleidete sie”. Man würde vermuten, dass diese Kleider einfach nur dazu da waren, um die Blöße der beiden zu bedecken.
Jedoch sagen unsere Weisen, dass die vom G’tt geschenkten Kleider etwas ganz Besonderes waren. Sie waren nicht nur absolut passend, weich und schön, sondern hatten auch wunderbare Eigenschaften: die Kleider waren mit Tier-Mustern bedeckt und zogen die Tiere an. Damit wurde die Jagd zum Kinderspiel: Tiere liefen dem Jäger von selbst zu.
Auch die weitere Geschichte von diesen ersten Kleidern hat es in sich: Adam gab sie seinem drittem Sohn Schet, von Schet kamen sie zu Metuschelach und Metuschelach gab sie dem gerechten Noach weiter.

Noach hat diese wertvollen Kleider mit in die Arche genommen. Nach der Sintflut hat Ham diese Kleider von seinem Vater gestohlen und Nimrod gegeben. Dank ihnen wurde Nimrod zum Diktator von Bawel. Jedoch wurden sie für Nimrod zum Verhängnis: Der Bösewicht Esav hat die Kleider begehrt und deswegen Nimrod getötet.
Auch Esav hat diese Kleider benutzt, um König zu werden. Als diese Kleider zufällig zu unserem Vorvater Jakob kamen, erkannte er ihre Macht und hat sie versteckt.
Damit endet die spannende Geschichte der ersten, von G'tt gemachten Kleider.

Die Pracht des Hohepriesters
Ein weiterer Moment, bei dem die Kleider im Mittelpunkt stehen, ist im Wochenabschnitt “Tetzave” zu finden. Dort werden die Kleider für die Priester (Kohanim) beschrieben, die nötig waren, um im Stiftzelt zu dienen.
Die Kleidung vom Hohepriester (Kohen Gadol) unterschied sich von den Kleidern der einfachen Kohanim und war besonders schön und prachtvoll.
Die Thora selbst betont den Zweck dieser schönen Kleider: sie sollten “LeChawod ulTifaret”, “zur Ehre und zur Zierde” dienen.
Die Kleidung des Hohepriesters beinhaltete mehrere Besonderheiten. Die bekannteste davon ist wohl das Brustschild, das auf vielen Malereien zu sehen ist. Auf dem Brustschild waren zwölf Edelsteine verteilt, die den zwölf israelischen Stämmen entsprachen. Die Namen der Stämme waren auf diesen Steinen eingraviert.
Eine prächtige Besonderheit war auch das Stirnblatt, das aus reinem Gold angefertigt wurde, mit der Gravur “Heilig dem Herrn”.
Ein weiteres, wenig bekanntes Detail waren 72 goldene Glöckchen, die unten am Obergewand ringsum angebracht waren.

Kleidung macht den Menschen aus
An den priesterlichen Kleidern können wir eines erkennen: die Kleider können dazu beitragen, dass der Mensch schöner und als wichtiger wahrgenommen wird. Es ist absolut nachvollziehbar, dass jemand im Anzug ganz anders wahrgenommen wird, als jemand in der Berufskleidung.
Interessanterweise fühlt sich auch der Mensch selber und benimmt sich in einem Anzug ganz anders als in Cargohosen eines Handwerkers.
Unsere Weisen haben immer betont, ein religiöser Jude sich sauber halten und anständig kleiden soll. Und wenn wir jetzt daran denken, wie sich die wichtigen Persönlichkeiten zu den wichtigen Anlässen kleiden, dann denken wir sofort an einen Anzug, schwarze Schuhe, dezente Krawatte und ein weißes (oder mindestens blaues) Hemd. Keiner kann sich einen Minister im Bahama-Look in einer Sitzung oder einen Dirigenten beim Konzert in Shorts vorstellen.

Jedoch bleibt die Frage, woher der Hut bei einem litvischen Juden oder ein Schtreimel, der einen Chassid sofort erkennbar macht, kommt?
Hier spielt ein weiterer Faktor eine Rolle: die Tradition. Die Tradition ist im Judentum sehr wichtig und die Bräuche werden nur unter ganz außerordentlichen Umständen geändert.
Da die traditionelle Kleidung aus dem 19. bzw. 20. Jahrhundert schön und solide aussieht, gibt es keinen Grund sie zu ändern, auch wenn es im Hochsommer in Israel darin ziemlich heiß werden kann. (…)

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