Zum neuen Film über „Fräulein Regina Jonas“  

Dezember 4, 2015 – 22 Kislev 5776
Die erste Rabbinerin der Welt

Von Laura Külper

Wie macht man einen Film über eine Frau, von der nur ein einziges Foto existiert? Die vor über 100 Jahren in Berlin gelebt hat und über deren Leben und Wirken kein Zeitzeuge mehr berichten kann? Kann so ein Film Menschen berühren und bewegen?

Auf all diese Fragen erwarten mich in den kommenden zwei Stunden viele wertvolle Antworten. Ich sitze im Kinosaal 2 des Berliner Babylon-Kinos und damit nur wenige hundert Meter vom Scheunenviertel entfernt, wo Regina Jonas, geboren 1902, in extrem ärmlichen Verhältnissen aufwuchs.

Das einzige Bild von Regina Jonas zeigt sie mit ernsthaftem Blick, mit Talar, Barett und Büchern im Arm. In der Montage der Regisseurin Diana Groó wird der Bildausschnitt mit Regina vor eine Straße gelegt, sie scheint förmlich auf den Zuschauer zuzuschweben. Das passende Zitat dazu wird in der deutschen Fassung von Martina Gedeck, in der englischen Fassung von Rachel Weisz gesprochen. Mit eindringlichem, aber sanft-rauem Ton und leichtem jiddischen Akzent erzählen sie aus dem Leben Reginas, geben ihr eine Stimme. Auch Reginas Lebensumstände aus Jugend und Kindheit werden durch Montagen von Originalfilmaufnahmen und Fotografien greifbar und lebendig.

Das Scheunenviertel, um die Jahrhundertwende immer an der Schwelle bitterer Armut, wurde bewohnt von Gelegenheitskriminellen, Prostituierten und vielen armen osteuropäischen jüdischen Familien, die sich keine andere Bleibe leisten konnten. Reginas Familie, bestehend aus Vater Wolf Jonas, Mutter Sara (geborene Hess) und Bruder Abraham, muss mehrmals umziehen. Halt gibt ihr aber das streng religiöse Elternhaus, welches aber durch den Tod des Vaters erschüttert wird, als Regina gerade 11 Jahre alt ist.

Seine Beerdigung, so der Film, könnte für Regina ein wichtiger Anstoß auf ihrem Weg zur Rabbinerin geworden sein. Denn die Familie war durch den Tod des Vaters finanziell am Ende, für seine Beerdigung konnten sie sich nicht einmal einen Rabbiner leisten. Regina besucht das öffentliche Oberlyzeum in Weißensee und erhält 1924 die Lehrbefähigung für höhere Mädchenschulen. Doch Regina Jonas will mehr. Sie beginnt ein Studium an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Es gibt einige weitere Frauen in ihrem Studiengang, doch nur Regina hegt einen innigen und absolut ungewöhnlichen Wunsch: Sie will Rabbinerin werden. Nie zuvor wurde eine Frau für dieses Amt auch nur in Erwägung gezogen, selbst in liberalen Kreisen ruft diese Idee Empörung hervor.

Um ihr Studium zu finanzieren unterrichtet Regina Jonas am verschiedenen Lyzeen, ihre Schüler schreiben wunderbare Briefe, selbst Dankesschreiben der Eltern sind wenige aber umso wertvollere Zeitzeugnisse, die noch erhalten sind. 1930, nach 12 Semestern Studium, legt Regina Jonas die letzte mündliche Prüfung ab, einer ihrer Prüfer ist Leo Baeck, auch ihr Professor für Talmudische Wissenschaft, Eduard Baneth, prüft sie. Eduard Baneth hatte auch ihre schriftliche Arbeit bewertet, die aufgrund ihres provokanten Titels „Kann die Frau ein rabbinisches Amt bekleiden?“ für Aufsehen gesorgt hatte. In diese Arbeit legt Regina all ihre Überzeugungskraft, ihr wirkungsvolles und bedachtes rhetorisches Können und sie erreicht die Bewertung „gut“, denn offenbar hat Baneth vor, mit der Überreichung des Diploms ihr die Rabbinerwürde anzuerkennen. Doch sein plötzlicher Tod reduziert diese These auf eine Vermutung. Ihr Abschluss bescheinigt ihr somit lediglich die Qualifikation als akademisch geprüfte Religionslehrerin.

Doch Regina Jonas kann und will nicht aufgeben, durch ihr rhetorisches Talent und ihre offenkundig bemerkenswerte Ausstrahlung findet sie vereinzelt immer wieder einflussreiche Unterstützung. Leo Baeck äußert sich lobend, sie sei eine „denkende und gewandte Predigerin“, doch der Durchbruch kommt, als der Offenbacher Rabbiner Dr. Max Dienemann sich 1935 bereiterklärt, sie nach einer mündlichen Prüfung zu ordinieren. Besonders für viele orthodoxe Juden aber auch viele andere geistliche Würdenträger ist diese Entscheidung ein Affront.

Doch Dienemann setzt seine Entscheidung durch, am 27. Dezember 1935 erhält Regina Jonas ihr Diplom, welches ihr die Fähigkeit bestätigt, Fragen der Halacha fachgerecht zu beantworten – damit ist sie als Rabbinerin geeignet. Im Film wird durch die verschiedenen Schilderungen immer wieder betont, dass Regina Jonas keine klassische Rebellin war. Sie nahm jede Entscheidung gegen sie mit Würde auf, sie wurde nie ausfallend oder verlor die Fassung. Stattdessen ging sie ruhig und unbeirrt den Weg, den sie sich ausgesucht hatte, sie wollte mit der Rabbinerwürde ihre tiefe Liebe zum Judentum bekräftigen. Sie wurde keine provozierende Feministin, schloss sich nicht dem Reformjudentum an, sie war eher den traditionellen und orthodoxen Werten ihrer Kindheit verbunden. Ihre Überzeugung, dass das Rabbineramt für Männer und Frauen geeignet ist, war aber felsenfest, in Hinblick auf ihre eigene Rolle glaubte sie an eine Berufung Gottes. (…)

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