Die Geschichte der „Criminal Investigation Department“ (CID) (Vierter und letzter Teil)  

März 31, 2017 – 4 Nisan 5777
Die britische Geheimpolizei in Palästina

Von Karl Pfeifer

Die Veröffentlichung des Weißbuches der britischen Regierung im Mai 1939, mit dem die jüdische Einwanderung gerade zu einem Zeitpunkt beschränkt wurde, als die meisten Länder dieser Erde den verfolgten Juden die Einreise nicht gestatteten, empörte die Juden. Hatte doch die Hagana während des arabischen Aufstands eng mit der Mandatsbehörde zusammengearbeitet und man rechnete nicht mit dieser jähen Wendung der britischen Politik. 
Die arabische Führung hingegen war begeistert, kam doch dieses Weißbuch allen ihren Wünschen nach. Sogar der Mufti stimmte zu.

Der Irgun (Irgun Zwai Leumi, oder hebräisch abgekürzt EZEL) begann mit anti-arabischen und anti-britischen Terroraktionen. Es wurden Telefonzellen und Mäste gesprengt und ein Anschlag auf das Gebäude der Post in Jerusalem verübt. Ihr Radiosender „Die Stimme des befreiten Zions“ begann Programme auszustrahlen, in denen über die Aktionen von Ezel berichtet wurde, die von der Regierung nicht bekanntgemacht wurden. C.I.D. versuchte diejenigen zu fassen, die am Terror beteiligt waren.

Eine jüdische Quelle berichtete Giles von einer Welle des Beitritts von Juden zu geheimen Militärorganisationen. Er kannte aber auch die Beratungen des Sochnut (Jewish Agency) über den Kampf gegen den „rechten“ Terror.

Die Arbeit des C.I.D. konzentrierte sich jetzt auf den jüdischen Sektor und insbesondere gegen die „rechte“ Ezel. Im Juli 1939 konnte Giles über die erfolglosen Versuche berichten, einen Kompromiss zwischen Ezel und der Hagana zu finden, mit dem der Terror von Ezel gestoppt werden sollte. Doch Ezel setzte den Terror fort, so z.B. mit einer Sabotageaktion gegen das Mandatsradio „Die Stimme Jerusalems“ und am 26. August ermordeten sie den C.I.D.-Inspektor Ralph Cairns, den Verantwortlichen für den jüdischen Sektor sowie Inspektor Robert Barker, den Verantwortlichen für den arabischen Sektor. Cairns wurde von Ezel beschuldigt, ihre verhafteten Mitglieder gefoltert zu haben. Danach verbreitete Ezel Flugblätter, in denen sie die volle Verantwortung für diese Tat übernahm. Giles hat seinem Bericht am 31. August eine englische Übersetzung des Flugblattes beigefügt, das Details über die Folter von jüdischen Gefangenen und die Drohung enthielt, dass derjenige getötet wird, der es wagt einen jüdischen Gefangenen zu foltern.

C.I.D. reagierte schnell, am 31. August fassten sie in einer Wohnung in Tel Aviv die Führung von Ezel, darunter auch Avraham Stern. Am nächsten Tag brach der Zweite Weltkrieg aus und viele Ezel-Mitglieder wurden vom C.I.D. verhaftet. Giles erwähnte in einem Bericht, dass der Führer der Revisionisten Zeev Jabotinsky sich an den britischen Kriegsminister wandte und ihm vorschlug seine Leute für die Kriegsanstrengung zu rekrutieren.
Der C.I.D. begann auch Hagana-Mitglieder, die mit Waffen erwischt wurden, zu verhaften und die Gerichte verhängten langjährige Strafen. Die Briten beschlagnahmten viele Waffen und Sprengstoff. Im Dezember 1939 sandte der Kolonialminister sogar ein Memorandum an die Regierungsmitglieder in London über eine illegale jüdische Armee. Die Proteste des Sochnut (Jewish Agency), die nicht leugneten, dass es diese Waffen gab, betonten, dass die Waffen zur Selbstverteidigung und zu Waffenübungen gebraucht werden, weil die Juden des Heiligen Landes sich am Kampf gegen die Deutschen beteiligen werden. Der Kolonialminister trat dafür ein die Hagana nicht zu zerschlagen, jedoch weiter nach ihren Waffenverstecken zu suchen.

Die arabische Bevölkerung blieb während des ganzen Zweiten Weltkriegs passiv
Die britischen Nachrichtendienste im Nahen Osten wurden reorganisiert. Es wurde ein „Middle East Intelligence Centre“ und ein „Security Intelligence Middle East“ in Kairo geschaffen. Viele Mitarbeiter dieser Organisationen waren antisemitisch eingestellt und führten mit Begeisterung die antizionistische Politik, wie im Weißbuch vorgesehen, durch.
Die Briten wussten nach Ausbruch des Krieges, dass sie ein ruhiges Hinterland brauchen, damit ihr Militär in Europa eingesetzt werden kann. Der arabische Aufstand, der von den Briten mit Brachialgewalt unterdrückt worden war, lief aus und die arabische Bevölkerung des Landes blieb mit wenigen Ausnahmen während des ganzen Zweiten Weltkriegs passiv.

Im Mai 1940 löste Winston Churchill Chamberlain ab und es wurde ein Kabinett aus allen Parteien gebildet. Die Niederlande, Belgien und Frankreich wurden durch einen Blitzkrieg erobert und Großbritannien blieb allein. Die Ezel-Mitglieder unter der Führung von David Raziel hörten nicht nur mit anti-britischen Aktionen auf, sondern arbeiteten ab 1940 eng mit den Briten zusammen, er selbst wurde während eines Geheimauftrags der Briten im Mai 1941 im Irak getötet.

Doch Avraham Stern trat weiter für eine anti-britische Politik ein und organisierte seine Anhänger. Die Front näherte sich Ägypten und Syrien, wo die Leute von Petain das Sagen hatten. Die Mandatsmacht musste sich der neuen Lage anpassen. Die Juden unterstützten die Kriegsanstrengungen, viele meldeten sich freiwillig zur britischen Armee und diese konnte auch auf die Nachrichtenquellen der Hagana zurückgreifen.

Avraham Stern suchte die Nähe Italiens
Der C.I.D. berichtete im Juni 1940, dass Stern sich für eine pro-italienische Politik einsetzte, später auch über die Anstrengungen von Ezel die Gruppe um Avraham Stern zu bekämpfen. Sterns Anhänger raubten am 16. September 1940 5.000 Pfund aus der Anglo-Palästinensischen Bank in Tel Aviv. Stern träumte davon, von den Italienern als Diktator eingesetzt zu werden. Am 10. Oktober 1940 wurde zum ersten Mal in einem C.I.D.-Dokument von der „Stern-Gruppe“ berichtet. Mit Hilfe der Hagana konnten die Briten Identität und Adressen der ungefähr 50 Mitglieder erfahren. Nach dem Tod von Zeev Jabotinsky versuchten die „Linken“, die Revisionisten als „Nazi-Faschisten“ hinzustellen, doch der C.I.D. sah, dass viele Revisionisten sich zur britischen Armee meldeten und andere weiterhin pro-britisch blieben.

1941 verbreitete die Stern-Gruppe ihre Flugblätter, die Briten publizierten die Bilder der Gesuchten und wollten sie verhaften und vor Gericht stellen. Das Problem war sie zu finden. Im März wurde C.I.D. aufmerksam auf den Wunsch dieser Gruppe ein Radio zu bauen. Der C.I.D. war auch gut über Interna der Hagana informiert, in der viele unzufrieden damit waren, das MAPAI, die Arbeiterpartei, alles kontrollierte und Gelder für sich abzweigte.
David Ben-Gurion wurde ebenfalls vom C.I.D. beobachtet und seine Reden, in denen er für die britische Kriegsanstrengung und den Beitritt zur britischen Armee eintrat, wurden registriert. Laut ihren Berichten, waren die linken Bewegungen „Haschomer Hazair“ und „Poale Zion“ defätistisch und gegen die Rekrutierung, hingegen traten die „Rechten“ dafür ein und befürworteten die Aufstellung von jüdischen Einheiten innerhalb der britischen Armee.

Die Trotzkisten
Der C.I.D. beobachtete sogar linksexremistische Splittergruppen. Der trotzkistische Spartakusbund verurteilte die Kriegsanstrengungen gegen das Dritte Reich und wandte sich nicht nur mit einem hebräischsprachigen, sondern auch mit einem deutschsprachigen Flugblatt – nach der französischen Kapitulation im Sommer 1940 – an die Einwanderer:
„Ihr habt euer Leben aus den Höllen Dachaus nicht mühselig gerettet, um in Ägypten oder Afrika zu krepieren.“ Sie stellten die Briten mit den Nazis gleich und fragten „Unterdrücken sie denn nicht gleich dem Nazismus 100 millionköpfige Völker?“ Fast wortgleich mit der Nazipropaganda stellten sie fest, die Briten kämpften „für die unmenschlich gierigen Interessen einiger tausend steinreicher Familien der Londoner City, deren Drang zur Herrschaft über die Welt, Millionen Menschen das Leben kostet“. Mit dem Aufruf an die „Kameraden“, sie müssten „die Front des Jischuvs gegen die Mobilisation stärken, ohne Unterschied ob aus Wien oder Berlin, aus Brünn oder Budapest“, endet dieses Flugblatt, das sich – wie alle C.I.D.-Dokumente – im Archiv der Hagana befindet.

Ironie der Geschichte: Der Anführer des Spartakusbundes, Jigael Glückstein, verließ 1946 Palästina in Richtung Großbritannien, wo er Tony Cliff wurde und die berüchtigte SWP, die Partei der sozialistischen Arbeiter gründete. (…)


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