Der wenig bekannte inner-arabische Bürgerkrieg in Jordanien 1970  

Februar 8, 2016 – 29 Shevat 5776
Der Schwarze September

Von Monty Ott

Es geschah an einem Dienstag. München befand sich im Ausnahmezustand, zuerst durch tausende feiernde Menschen. Doch elf Sportler sollten diese Olympischen Spiele nicht wieder lebend verlassen. Für sie bedeuteten die „heiteren Spiele“ den Tod. Sie wurden ermordet, vom „Schwarzen September“.

Es waren acht Terroristen des „Schwarzen September“, die um 4.10 Uhr den Zaun des Olympischen Dorfes in München überquerten. Die Nacht des 5. September 1972 war eine gemütliche Spätsommernacht. Die Athleten im Olympischen Dorf sind keine Kinder von Traurigkeit, von daher denken Monteure der Post, die sich an diesem Morgen am Tor 25a befinden, dass es sich um ein paar Sportler handelt, die gerade ins Dorf zurückkehren. Die Monteure machen sich keine weiteren Gedanken, das waren die „heiteren Spiele“, was sollte passieren? Ohnehin gab es kaum Sicherheitsmaßnahmen. Ein hohes Aufgebot deutscher Polizisten hätte eventuell schlechte Assoziationen hervorgerufen, möglicherweise Erinnerungen an die Spiele, die dem Morden vorausgingen (Olympische Spiele 1936 in Berlin), wachgerufen. Vor diesem Hintergrund hatten sich die Sicherheitskräfte entschieden nur etwa 4.000 Polizeibeamte abzustellen. Diese hatten zwar keine Waffen, dafür aber modische Straßenanzüge.

In diesem Wissen schleichen die acht Gestalten über das Gelände, ohne Zweifel, aber mit nationalrevolutionärem Gestus. 25 Minuten nachdem sie über den Zaun gestiegen waren, erreichten sie das Appartement in der Connollystraße 31. Die Tür war nicht abgeschlossen. Mit Sturmgewehren (Typ AK-47) bewaffnet betreten sie die Räume. Sie haben sich dieses Appartement nicht zufällig ausgesucht, sondern hatten die Aktion von langer Hand geplant. Lange Zeit versuchten deutsche Behörden die Informationen über das, was am Morgen des 5. Septembers geschah, zurückzuhalten. Das, was an diesem Tag geschah, war nicht nur äußerst grauenvoll, sondern auch ein diplomatischer Eklat.

Die acht Terroristen waren „Palästinenser“. Und die elf Sportler im Appartement waren Israelis. Ihre Namen waren: David Mark Berger s.A., Zeev Friedman s.A., Yossef Gutfreund s.A., Eliezer Halfin s.A., Yossef Romano s.A., André Spitzer s.A., Amitzur Schapira s.A., Kehat Schorr s.A., Mark Slavin s.A., Yakov Springer s.A. und Mosche Weinberg s.A.. Ankie Spitzer, die Witwe des Fechttrainers André Spitzer s.A., wird Jahrzehnte nach diesem Angriff sagen: „Sie (die Behörden) sagten, die restlichen Geiseln seien nur getötet worden wegen des verbockten Befreiungsversuches auf dem Flughafen, aber das ist nicht wahr. Sie (die Terroristen) kamen, um Leuten wehzutun. Sie kamen, um zu morden“. Lange nach dieser Nacht in München wird das Gerücht vorherrschen, dass es den Terroristen nur darum ging deutsche, japanische und palästinensische Terrorbrüder und -Schwestern freizupressen (um 9 Uhr stellten sie die Forderung 232 Palästinenser, Andreas Baader und Ulrike Meinhof, sowie Kōzō Okamoto freizulassen), aber das Vorgehen der acht Terroristen deutet daraufhin, dass es ihnen wohlmöglich nur darum ging, Israelis grauenhaft zu malträtieren. Sie schossen einen Sportler an, missbrauchten und kastrierten ihn. Die anderen Sportler mussten hierbei zusehen, ehe sie selbst schwer misshandelt wurden. Sie hatten etliche Knochenbrüche erlitten. Nachdem sie den ganzen Tag Qualen durchlitten hatten, wurden sie um 22.06 Uhr von den palästinensischen Terroristen, begleitet durch die deutsche Polizei, zu Hubschraubern des Bundesgrenzschutzes gebracht. Diese sollten Terroristen und ihre Geiseln zum Flughafen Fürstenfeldbruck bringen, von wo aus die Geiselnehmer mit einer Boeing fliehen wollten.

Dort startete die deutsche Polizei, nach der Landung der Hubschrauber um 22.29 Uhr, einen Befreiungsversuch. Der Versuch endete in einer Katastrophe: nach stundenlangen Feuergefechten zwischen deutscher Polizei (die einen dilettantischen Hinterhalt vorbereitet hatte) und den Terroristen, eröffnete gegen 0.10 Uhr einer der Terroristen das Feuer auf die Geiseln und warf eine Phosphorgranate unter den Helikopter. Die verbliebenen neun Geiseln (eine weitere wurde bei einem Fluchtversuch im Olympischen Dorf kaltblütig erschossen) verbrannten in den Flammen. Die Leichen der fünf im Feuergefecht getöteten Geiselnehmer brachte man nach Libyen. Mit militärischen Ehren wurden die Leichname in einer Heldenbestattung beigesetzt. Die drei Geiselnehmer, die überlebt hatten, kamen für kurze Zeit ins Gefängnis, ehe sie am 29. Oktober 1972 freigelassen wurden. Die Regierung Brandt hatte sich zu diesem Schritt entschieden, weil eine Lufthansa-Maschine entführt wurde, in welcher sich zwölf Passagiere befanden hatten. Israel wurde nicht konsultiert. Wieder einmal war jüdisches Blut auf deutschem Boden vergossen worden.

Doch hinter den acht Tätern steht noch eine viel größere Organisation: der „Schwarze September“ und der „Rote Prinz“. Die Geschichte dieses mörderischen Kommandos reicht zurück bis in die Zeit nach dem Sechstagekrieg.

Entstehungsort: Jordanien.
Das jordanische Königshaus hatte massive Imageeinbußen unter Palästinensern. Jordanien war nicht nur im Krieg unterlegen, auch Judäa und Samaria respektive das Westjordanland fielen Israel zu. Ein Teil der Mitgliederorganisationen der PLO war dem jordanischen Königshaus gegenüber feindlich gesinnt. Als diese dann auch noch weiter Angriffe auf israelisches Territorium ausübte, ohne dieses mit der jordanischen Regierung abzusprechen, wertete letztere das Verhalten als einen Angriff auf die eigene Souveränität.

Diese Dynamik fand ihren Höhepunkt in der Schlacht von Karame. Israelische Truppen zerstörten eine Fatah-Basis, von der wiederholt Angriffe ausgegangen waren. Die jordanische Armee hatte den palästinensischen Freischärlern zwar noch beigestanden, allerdings hatten sich die Gegensätze verschärft. In der arabischen Welt verkaufte die Fatah die Schlacht als Sieg, obwohl ihr Lager zerstört worden war. Hinzu versuchten sie, in der Hoffnung auf die mehrheitlich palästinensisch-stämmige Bevölkerung Jordaniens, das Souverän des Staates zu untergraben und das Königreich zu kontrollieren (ermutigt durch die 100.000 Bewaffneten, die sich noch in Jordanien befanden). Sie ließen sich nicht durch das jordanische Militär kontrollieren und drängten jordanische Sicherheitskräfte aus Flüchtlingslagern und Städten. Die jordanische Regierung hob die Restriktionen bzgl. des Waffengebrauchs an, was die PLO zurückwies. Den versuchten Mordanschlag auf König Hussein und der Anschlag auf die Geheimdienstzentrale in Amman im Juni 1970 beantwortete die jordanische Armee mit Artilleriefeuer auf Flüchtlingslager.

Hussein traf sich mit Jassir Arafat und beide erklärten, dass die Kampfhandlungen umgehend einzustellen seien, was für die marxistische PFLP allerdings nicht von Bedeutung war. Sie besetzte noch am selben Tag zwei Hotels in Amman. Sie forderte, mit dem Leben ihrer Geiseln, die Entlassung von Staatsbeamten, Kabinettsmitgliedern und Militärs. An dieser Stelle wendet sich Arafat und trifft eine Kette folgenschwerer Entschlüsse. Er unterstützt, trotz der Zusage mit König Hussein, die Forderungen der PFLP. Hussein setzt auf Deeskalation und stimmt den Forderungen zu. Doch die PFLP akzeptiert den Waffenstillstand zwischen König und PLO-Führer nicht, und startet im September 1970 die Entführung von fünf Passagierflugzeugen. Indem Arafat die Entführungen öffentlich begrüßt, brüskiert er das Königshaus.

Noch mehr Spannung erhält das Verhältnis zwischen jordanischer Regierung und PLO durch die bewaffneten Gefechte, die palästinensische Freischärler zeitgleich mit dem jordanischen Militär führen. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist die Volksregierung, die palästinensische Militante am 16. September in Irbid ausrufen. Dies war ein direkter Angriff auf die Legitimität des Königshauses. Wenn Hussein nicht reagiert, wird er nicht nur Macht einbüßen, sondern seine gesamte Herrschaft stünde auf dem Spiel. Er entschließt sich zu handeln und proklamiert das Kriegsrecht. Ein Militärkabinett unter Muhammad Daoud übernimmt die exekutive Kontrolle und die Initiative gegen die Palästinensergruppen vorzugehen.

Es stehen 70.000 schwerbewaffnete jordanische Soldaten und gepanzerte Einheiten, 25.000 Vollzeitsoldaten und 76.000 Milizionären auf „palästinensischer“ Seite gegenüber. Letztere verfügten allerdings über keine schweren Waffen und waren nur rudimentär militärisch ausgebildet. Das jordanische Militär sah eine zweitägige Offensive vor. Das war allerdings weit gefehlt. Die Offensive geriet mit minimalem Geländegewinn ins Stocken und 5.000 Soldaten desertierten oder liefen zur PLO über.

Dazu kam eine syrische Intervention mit 16.000 Soldaten in Uniformen der palästinensischen Befreiungsarmee. Bis zum 22. September erlitten die jordanischen Truppen Gebietsverluste, als sich die Militärführung für einen Luftschlag entschied. Die syrischen Truppen konnten so bis zur Grenze zurückgeschlagen werden. Selbst die israelische Luftwaffe begann nun – nach einem Hilfsgesuch König Husseins – mit Manövern. Israel erklärte sogar gegenüber den USA die Bereitschaft Bodentruppen zur Unterstützung des Königshauses in Jordanien einzusetzen. (...)

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