Die Rolle des schweizerischen Diplomaten Carl Lutz bei der Rettung der ungarischen Juden  

Februar 9, 2018 – 24 Shevat 5778
Der erfinderische Konsul Lutz

Von Matthias Dornfeldt

„Wenn ich schon in meinem ganzen Leben schweigen musste, sollte alles, was ich Gutes und Schlimmes erlebt habe, mindestens nach meinem Tod an die Öffentlichkeit gebracht werden, damit in meiner Heimat daraus die Lehren für kommende Generationen gezogen werden können.“
Carl Lutz

Diplomaten genossen während des Zweiten Weltkrieges einen privilegierten Status in den Ländern, in denen sie akkreditiert waren. Dies versetzte sie in die einmalige Lage, von der Ausrottung bedrohten jüdischen Verfolgten und Flüchtlingen bedeutende Hilfe zu gewähren. Viele Diplomaten nutzten allerdings jede mögliche Interpretation der offiziellen Vorschriften aus, Juden die Einreise in ihre Länder zu verweigern. Es gab aber auch einige wenige Beispiele von Diplomaten, die bereit waren, den Bedrohten zu helfen und sie vor dem sicheren Tod in den Gaskammern zu bewahren.

Nach israelischen Angaben wurden an die 200.000 Juden während der Schoah durch elf nicht-jüdische Diplomaten, unter ihnen der Schweizer Carl Lutz, vor dem sicheren Tod durch die Vernichtungsmaschinerie des Dritten Reiches unter Führung Adolf Hitlers und Heinrich Himmlers gerettet. 1985 erkannte die israelische Holocaust-Gedenkstätte Carl Lutz als einen der „Gerechten unter den Völkern“ an. Die Kriterien dafür sind hoch, denn die Gefährdung von Diplomaten bei Rettungsaktionen für Juden waren geringer als bei anderen Menschen, genossen sie als Vertreter ausländischer Regierungen doch Immunität und Impunität. Deshalb mussten Diplomaten gegen die ausdrücklichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten gehandelt und die Gefährdung ihrer eigenen Karriere riskiert haben. Zudem ist die Anzahl der Geretteten relevant.

Der Schweizer war plötzlich Vertreter mehrerer Länder
Carl Lutz, am 30. März 1895 in Walzenhausen im Kanton Appenzell in einer sehr religiösen Familie geboren, war bereits 1920 in den konsularischen Dienst der Schweizerischen Eidgenossenschaft eingetreten. Er war zuerst an der Botschaft der Schweiz in Washington tätig und wurde 1926 Sekretär am Konsulat der Schweiz in Philadelphia (Pennsylvania). 1934 kehrte er in seine Heimat zurück und heiratete ein Jahr später Gertrud Frankhauser. Ihre Hochzeitsreise unternahm das Paar in das britische Mandatsgebiet Palästina, wo Lutz beim Schweizerischen Konsulat in Jaffa eine Stelle angeboten wurde. Er sagte zu und übernahm allmählich den Aufgabenbereich des ehemaligen Honorarkonsuls der Schweiz, und als 1939 der Zweiten Weltkrieg ausbrach, wurde er nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und dem Deutschen Reich im Rahmen der schweizerischen Schutzmachtstätigkeit mit dem Dienst für fremde Interessen Berlins beauftragt. 1941 reiste er zur ärztlichen Behandlung und auf Urlaub in die Schweiz zurück und vertrat im Anschluss für kurze Zeit nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht die Interessen des Königreiches Jugoslawien in der Reichshauptstadt Berlin.

Nachdem Lutz als schweizerischer Diplomat in den Vereinigten Staaten und Palästina umfangreiche Erfahrungen sammeln konnte, wurde ihm am Anfang des Jahres 1942 die Leitung der Abteilung „Fremde Interessen“ der Schweizerischen Gesandtschaft in Budapest übertragen. Sein Büro befand sich im Gebäude der US-Gesandtschaft am Freiheitsplatz und hatte neben ihm weitere 18 Mitarbeiter. Er war für die Vertretung der Interessen der USA, nachdem Budapest Washington den Krieg erklärt hatte, was am 13. Dezember 1941 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten führte, des Vereinigten Königreiches und zehn weiteren Staaten zuständig. Seine Hauptaufgaben bestanden in der Betreuung der Staatsangehörigen der Länder, deren Interessen er wahrnahm und dem Schutz der zahlreichen Immobilien dieser Staaten.

Allerdings waren seine Kompetenzen begrenzt. Er konnte bei auftretenden Problemen keine Entscheidungen fällen und abgelaufene Pässe der von ihm vertretenen Staaten nicht verlängern. Alle Angelegenheiten wurden über das EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) in Bern an die betroffenen Länder weitergeleitet und über diesen Dienstweg nach einem langen Entscheidungsprozess in der jeweiligen Angelegenheit an Carl Lutz zurück. (…)

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