Eine Kölner Bürgerin engagiert sich erfolgreich gegen den prominenten Musiker und BDS-Aktivisten Roger Waters  

Dezember 8, 2017 – 20 Kislev 5778
Der Boykotteur wird boykottiert




Von Dr. Nikoline Hansen



Gelegentlich kann eine kleine Ursache große Wirkung haben. Wann das geschieht, lässt sich kaum vorhersagen, aber diesmal scheint einfach alles gestimmt zu haben. Angesichts der mittlerweile fast selbstverständlich gewordenen regelmäßigen israel-feindlichen Berichterstattung wirkt es fast als sei ein Wunder geschehen: Einer engagierten Kölnerin ist es geglückt, die Unterstützung eines prominenten Israelhassers durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten der ARD (SWR, WDR, BR, NDR und RBB) zu verhindern.

Malca Goldstein-Wolf hat sich noch immer nicht an den Rummel gewöhnen können, den diese Meldung auslöste. Das Medieninteresse ist gewaltig – und das Echo selbst in der deutschen Presselandschaft wohl einmalig und erstaunlich positiv. Neben den Glückwünschen und Dankesbekundungen der in Deutschland lebenden Juden – so schreibt der Zentralrat der Juden auf seiner Webseite, dass er die Entscheidung mehrerer öffentlich-rechtlicher Sender, die Zusammenarbeit mit dem Musiker Roger Waters zu beenden, begrüßt – erntet sie natürlich auch Hassmails, aber das versucht sie soweit es geht zu ignorieren. Was war passiert?

Das Schwein mit dem Davidstern
Während Goldstein-Wolf im Auto saß, hörte sie die Werbung für ein Konzert mit dem ehemaligen „Pink Floyd“-Star Roger Waters. Eben jener Roger Waters, der im Rahmen seiner Shows gerne mal ein Schwein mit Davidstern in die Luft steigen und dann zerstören lässt – eine Symbolik, die an die antisemitischen Ressentiments des Mittelalters erinnert, in der das Schwein – die „Judensau“ – ikonografischen Eingang in der Kirchenausschmückung fand. Roger Waters hat auch noch andere Symbole auf seinem Schwein – aber das macht es nicht besser. Zumal er aktiv in der sogenannten BDS-Bewegung zum Boykott gegen Israel aufruft und entsprechende Kampagnen unterstützt. So wurde etwa das Konzert von Nick Cave im Oktober in Berlin von Anhängern der Bewegung kritisiert, weil Nick Cave sich diesem Boykott verweigerte und in Israel auftrat. Die BDS-Aktivisten verteilten vor dem Veranstaltungsort Flugblätter, auf denen der Sänger in einem brennenden Ghetto inmitten von Leichen gezeigt wird. Ein beeindruckendes Bild, das etwas suggeriert, das nicht der Realität entspricht.

Tom Buhrow war sensibilisiert
All das ging Malca Goldstein-Wolf durch den Kopf, als sie die Werbung für das Konzert hörte. Sie wollte nicht hinnehmen, dass der WDR als öffentlich-rechtlicher Sender wieder einmal antisemitische Propaganda unterstützte. Spontan habe sie gedacht „Mensch, das geht doch nicht“ – und handelte sobald sie zu Hause war. Sie schrieb eine E-Mail an den Intendanten des WDR, Tom Buhrow. Buhrow hatte in einer Pressemitteilung anlässlich der Ausstrahlung des Films „Auserwählt und Ausgegrenzt“ erklärt: „Das Thema der Dokumentation war und ist uns wichtig. Und je wichtiger das Thema, desto genauer muss die journalistisch-handwerkliche Sorgfalt sein. Dabei gilt: Sorgfalt vor Schnelligkeit. Wir haben den Film intensiv geprüft und ich habe entschieden, die Dokumentation und unsere handwerklichen Fragezeichen dazu transparent zur Diskussion zu stellen.“ Er war also vor noch nicht allzu langer Zeit für das Thema sensibilisiert worden. Trotzdem passierte eine Woche lang nichts. Goldstein-Wolf gab nicht auf. Sie startete eine Online-Petition und schrieb Buhrow erneut an, diesmal mit einem Link zur Petition.

Die Reaktion folgte prompt: Buhrow schrieb zurück. Und handelte – denn er hatte richtig erkannt, dass Worte alleine nicht mehr reichen würden, das Problem aus der Welt zu schaffen: „Ich spüre, dass nicht viele Worte und Argumente Sie überzeugen werden, sondern nur eine eindeutige Handlung. Die gebe ich Ihnen, denn mir ist wichtig, dass Sie mir glauben, wie wichtig mir Ihre Empfindungen sind. Deshalb komme ich Ihrer Bitte nach: Die Zusammenarbeit für das Konzert ist beendet.“

Die Presse unterstützt die Absage
Was folgte war in der Tat eine Sensation: nachdem die „Bild“-Zeitung berichtet hatte, folgten viele weitere Printmedien – und unterstützten die Absage. Die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb: „Roger Waters führt scharfe Kampagnen gegen Israel und Musiker, die dort Konzerte spielen möchten. Dass sich ARD-Anstalten nun von ihm distanzieren, ist absolut richtig.“ Und weiter: „Jetzt macht Roger Waters erstmals selbst die Erfahrung eines Boykotts – auch wenn es nur ein kleiner Boykott ist, nicht zu vergleichen mit den Kampagnen, die er gegen andere Künstler entfacht, aber immerhin doch: ein Zeichen.“ Die „Frankfurter Allgemeine“ schreibt: „Die Radiosender der ARD haben ihr Engagement als Medienpartner bei den Konzerten von Roger Waters abgesagt. Sie tun gut daran. Die Kritik an Waters politischer Symbolik ist berechtigt. Die ARD müsste sich bei Malca Goldstein-Wolf eigentlich bedanken. Mit ihrer an den WDR gerichteten Petition, nicht als Medienpartner beim Konzert des früheren Pink-Floyd-Bassisten Roger Waters mitzuwirken, hat sie die öffentlich-rechtlichen Sender vor einer Peinlichkeit bewahrt.“

Ja, das stimmt: Zumal Roger Waters in dem Film „Auserwählt und Ausgegrenzt“ thematisiert wurde und der WDR es eigentlich hätte besser wissen müssen. Aber manchmal werden Dinge eben nicht so ernstgenommen. Umso besser, dass die Unterstützung für das Konzert noch rechtzeitig gestoppt wurde. Denn nachdem der WDR-Intendant diese Entscheidung getroffen hatte, folgten die Intendanten anderer regionaler Sender nach. Goldstein-Wolf ist glücklich über diesen überraschenden Erfolg.

Noch 2013 waren die heftigen Proteste gegen den Auftritt des Sängers und die menschenverachtende Show kaum auf Resonanz gestoßen. Umso wichtiger war es der Initiatorin Tom Buhrow zu danken – eine Herzensangelegenheit, wie sie auf Facebook schreibt:

„Lieber Herr Buhrow, Ihre empathischen Worte klingen immer noch nach.

Ihre klare Haltung, Ihr unmissverständliches Handeln hat nicht nur mir Mut gemacht.
Ich wünschte, Sie könnten all die Kommentare unserer jüdischen Community lesen.
Sie haben all diesen Menschen gezeigt, dass jüdisches Leben in Deutschland schützenswert ist.
Sie haben bewiesen, dass es doch noch Menschen mit Rückgrat gibt.
Ich bin mir sicher, dass auch Sie so manchem Shitstorm ausgesetzt sind.
Sie haben sich nicht bequem weggeduckt, sondern eine Lawine der Gerechtigkeit losgetreten.
Sie waren für andere, federführende Intendanten Vorbild, ohne Ihren Mut, hätten alle anderen geschwiegen. Wie gerne würde ich Ihnen all das persönlich sagen und Sie dafür umarmen, dass Sie vielen Menschen, das zurückgegeben haben, was sie in der letzten Zeit so schmerzlich vermisst haben:
Hoffnung und Zuversicht!
DANKE!“

Die Hoffnung hat neue Nahrung gefunden, dass es künftig mehr Menschen gibt, die sensibler reagieren. Doch die antisemitischen Vorurteile sitzen tief, wie Goldstein-Wolf erfährt: „Da schreibt mir doch gerade ein gewisser Johannes Berthold und fragt, ob er die drei Waters Konzerte unbeschadet besuchen dürfte, oder ob er von Zionisten wie mir tätlich angegriffen würde....“

Empörung statt Resignation muss die Devise lauten, wenn es darum geht, Antisemitismus immer wieder und in allen seinen Erscheinungsformen zu bekämpfen. Und mit etwas Glück kann eine kleine E-Mail zur richtigen Zeit große Wirkung zeigen. Malca Goldstein-Wolf:

„Nicht aufgeben, es geht! Es gibt immer Möglichkeiten. Jeder einzelne kann etwas erreichen und muss seine Stimme erheben. Es hat uns gut getan, dass das passiert ist und viele Menschen haben Mut gewonnen.“

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