Im Gedenken an Menachem Mendel Schneerson (1902–1994) 

Juli 2, 2014 – 4 Tammuz 5774
Der 7. Rebbe diente der ganzen Welt

«Ich wurde oft gefragt, warum Chabad kei- ne anderen öffentlichen Personen produziere. Die Antwort könnte lauten: Wenn die Sonne strahlt, scheinen die Sterne nicht zu existieren. In der Gegenwart des Rebben schien niemand sonst eine Rolle zu spielen. Die Zeit und die Gefühle der Menschen richteten sich darauf, mit ihm verbunden zu sein, was weitere Erwä- gungen fast ausschloss...» (Adin Even Israel Steinsaltz in «My Rebbe»). Und er fährt fort, der Rebbe habe den Kult nicht geschaffen, aber es auch nicht geschafft, ihn unmissverständlich zu stoppen.

Der 7. Rebbe verkörpert, was im Wort CHa- BaD als Akronym für Chochma (Weisheit), Bina (Erkenntnis) und Da'at (Wissen) er- scheint, aus kabbalistischer Sicht die drei Attri- bute Gottes und die drei Ebenen der Kabbala. Heute sind Lubawitsch und Chabad Synony- me. Die Bewegung ist 300 Jahre alt. Der tief betrauerte Tod des 7. Rebben vor 20 Jahren, Gimmel Tammus, es war der 12. Juni 1994, hat nichts zerstört, sondern die Zahl der Anhänger vervielfacht.

Menachem Mendel Schneerson, 1902 in Nikolajew (Ukraine) als Sohn einer hochan- gesehenen chassidischen Familie geboren, fiel früh durch seine Gelehrigkeit auf. 1907 wurde der Vater Rabbiner in Jekaterinoslaw (Dnepo- petrowsk), er selbst unterrichtete mit anderen Rabbinern die drei Söhne. Die Mutter wird als klug und mutig beschrieben. Menachem Mendel besuchte technische Schulen, lernte in Leningrad ab 1924 beim 6. Lubawitscher Reb- ben, mit dem er entfernt verwandt war. Dieser galt als religiöser Staatsfeind, 1927 zum Tode verurteilt, durfte er nach heftigem politischen Protest – vor allem aus den USA – nach kur- zer Lagerhaft mit Familie und einem Teil der Bibliothek nach Lettland auswandern. Mena- chem Mendel folgte ihm als Schüler, Mitarbei- ter, Sekretär, enger Vertrauter. Im November 1928 stand er in Warschau mit Chaya Mussia (1901–1988), der mittleren Tochter, unter den Chuppa.

Sein präzises Gedächtnis und die hochkon- zentrierte Lernfähigkeit befähigten den intro- vertierten Menachem Mendel zu komplizierten Entscheidungsfindungen. Er wird als gütig, gesetzestreu, bescheiden und schweigsam be- schrieben, lebte mit Talmud, Tora und Chassi- dus. Nach seinem Ableben fand man drei Bän- de persönlicher Aufzeichnungen, 1928 nach der Hochzeit begonnen, 1950, im Todesjahr des 6. Rebben beendet. Es heißt, sie enthalten Tora-Deutungen, Reshimot über Kabbala, Gemora, Chassidus und Halacha, auf Jiddisch geschriebene Gedanken und bezeugen das tie- fe Wissen, brillante Denken und die gewaltige intellektuelle Kraft des Rebben. Der Alltag ist ausgespart. Wie alles andere gelten die Hefte als kontinuierliche Zeugnisse für ein auch in schwersten Zeiten ununterbrochenes Tora- Studium und chassidisches Denken.

«Think positive!»
Der 7. Rebbe machte Chabad Lubawitsch glo- bal und unumkehrbar, auf seine Chassiden gestützt, von Freunden und Sympathisanten bewundert. Sein «Think positive!» brachte ihm auch den Respekt von Gegnern ein. Er ist unumstritten die bedeutendste jüdische Per- sönlichkeit der Gegenwart. Mit seinem Namen wird seit 1978 jährlich der nationale Bildungs- tag in den USA verbunden.

Der Rebbe nutzte seinen praktischen Ver- stand, kam aus theoretischer und theologischer Kraft den Menschen nahe. Selbst Staatsober- häupter, Politiker, Wirtschaftsbosse, Militärs und Künstler nahmen stundenlange nächtliche Wartezeiten in Kauf, um mit ihm zu sprechen. 40 Jahre diente er der Gemeinschaft pausenlos. Er wollte bessere Menschen in einer durch gute Taten, Mitzwot, verbesserten Welt entwickeln, weil die messianische Zeit auf Erden vorbereitet wird.

Vierzig Jahre hat der Rebbe die Bewegung Chabad Lubawitsch geleitet. Als erster nach dem Holocaust übernahm er eine chassidische Regentschaft. Als Reaktion auf die Vernichtung der europäischen Juden verankerte er nationale und weltweite Aktionen für jüdische Bildung, Traditionsweitergabe und toragemäßes Le- ben, verbreitete sie als allgemeine strategische Grunderfordernisse für Juden und Nichtjuden. Er war Flüchtling, Überlebender, hatte Erfah- rungen aus Berlin und Paris, war welterfahren,las in zehn, sprach fließend sieben Sprachen und erfasste politische und technologische Veränderungen weit früher als andere. Mit der Mitzwa-Kampagne erinnerte er an Mitzwot wie das Kerzenzünden am Schabbat und das Legen der Teffilin für Männer, er hat die Juden der Welt vernetzt, an deren Einheit er glaubte. Schon 1942 gründete er «N'shei Chabad» als unabhängige Chabad-Frauenorganisation, stets sprach er zu den Söhnen und Töchtern Isra- els, Frauen bot er bei religiösen Vorträgen be- sondere Lektionen, traf sich mehrmals im Jahr zu Diskursen und Gesprächen über weibliche Verantwortung und Begabungen, machte öf- fentlich auf Bedürfnisse und die Gewalt gegen Frauen aufmerksam und ermutigte diese, Tora und Chassidus zu lernen. Wie der Begründer der Chabad-Bewegung Rebbe Schneur Zalman von Lyadi (Alter Rebbe) sagte der 7. Rebbe, men darf lebbin mit der tzeit, man müsse mit der Zeit gehen. Die Tora des Lebens enthalte in jedem Wochenabschnitt den Wegweiser für die richtige Lebenslektion. Mit Nachdruck beton- te er den Wert frühkindlicher Erziehung und nahm die Kinder entsprechend ernst.

Meine erste Begegnung
Ich begegnete meinem ersten Chabadrabbi- ner etwa 1986 in Spanien. Rabbiner Abraham Glück, fast Zeitgenosse des Rebben, kam in glühender Hitze aus London zum jüdischen Studententreffen, um dessen Botschaft zu über- bringen.

Von Irene RUNGE

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