Er zählt zu den schillerndsten Persönlichkeiten in der Geschichte der russischen Zarendynastie. Doch Peter I. der Große von Russland war mehr als nur der Gründer Sankt Petersburgs, begnadeter Kriegsherr und Europäisierer seines Reichs: Auch soll er karäischer Herkunft gewesen sein. Was ist wirklich dran an diesem letzten Geheimnis der Romanow-Familie?
Während Peters Herrschaft nahm der Gang der Geschichte Russlands eine scharfe Wendung. Das Land wurde zu einem mächtigen Imperium und zog mit den zeitgenössischen europäischen Staaten gleich. Peter Alexejewitsch Romanow (1672-1725) sah sich bestrebt eine exakte Staatsstruktur zu schaffen: die Bauern dienen dem Adel, der Adel dem Monarchen und der Monarch dem Staat.
Seine Karriere beginnt außergewöhnlich. Nach dem frühen Tod seines Halbbruders Fjodor Alexejewitsch (1661-1682), der aus einer Ehe des Zarenvaters Alexej (1629-1676) mit Maria Miloslawskaja hervorging, bestieg schließlich der erst 10-jährige Peter den Thron. Doch infolge von Intrigen seiner älteren Halbschwester Sofja und dem Clan der Miloslawskis, der Familie der früh verstorbenen Frau seines Vaters, kam es zu einer Doppelherrschaft unter Sofja als Regentin. Diese Verschwörung ging soweit, dass ein Großteil der Palastgarde, der sogenannten Strelitzen einen Aufstand gegen den jungen Peter als rechtmäßigen Herrscher planten. Dabei kamen viele Adelige ums Leben.
Peters Mutter, Zarin Natalja Naryschkina (1651-1694), fasste den Entschluss mit ihrem Sohn in das Dorf Preobrashenskoje bei Moskau zu fliehen. Dort fing der wissbegierige Peter an sich für Kriegsführung zu interessieren, nahm vermehrt an großen Spielschlachten teil, immer angetrieben von seinen Erinnerungen an den blutigen Strelitzen-Aufstand. Die höfische Gesellschaft in Preobrashenskoje setzte sich dafür ein, dass Peter seine Macht zurückgewinne, fähige Männer sammelten sich um ihn. Und so scheiterte der Versuch seiner Halbschwester 1689 eine Palastrevolte anzuzetteln. Peters Regimenter führten die Machtenthebung Sofjas herbei. Der junge Zar ließ die entthronte Schwester auf lebenslänglich in das Neujungfrauen-Kloster sperren.
Alle Dinge im Staat standen anfangs in der Kompetenz seiner Mutter. Beistand bekam sie dabei u.a. von ihrem Bruder Lew Naryschkin.
Verweilen wir bei der Zarenmutter: Nach großer Trauer über den Tod seiner ersten Gattin im Jahr 1669, hatte man dem Zarenvater Alexej 70 Bräute zur Auswahl vorgestellt. Lange aber musste er nicht überlegen, und wählte die 19-jährige Natalja Naryschkina, die Tochter eines Rjasaner Adligen namens Kirill Naryschkin. Beschrieben wird sie als eine lebensfrohe Person, bei der der Zar rasch aufblühte.
Doch wirklich russischen Ursprungs war Natalja nicht, auch nicht christlichen! Ihr Vater Kirill Poluektowitsch Naryschkin (1623-1691), der an der Zerschlagung des Donkosaken-Aufstandes des großen Atamans Stenka Rasin beteiligt war, entstammte einer jüdisch-karäischen Familie von der Krim.
Die Geschichte der Naryschkins beginnt mit dem litauischen Großfürsten Vytautas, der nach Bezwingung der Tataren auf der Krim im Jahr 1392 einige hundert Karäer-Familien mit in sein Reich brachte und einige als Leibgarde anstellte – galten diese Männer doch als mutige Kämpfer und herausragende Diplomaten. Vytautas' aggressive Art führte zu Spannungen mit Moskau. Um die Russen zu besänftigen, bot er dem Moskauer Großfürsten Wassili Dmitrijewitsch I. seine Tochter Sofia als Frau an. Auf Geheiß ihres Vaters kam die litauische Prinzessin in Begleitung der karäischen Leibwächter; unter denen sich ein Mordechaj Kubrat, genannt Narysch, befand. Zum Schutz Vytautas' Tochter bliebt Narysch ebenfalls in Moskau. (…)
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