Zur Geschichte der Münchener Juden von 1229 bis 2017  

Juli 7, 2017 – 13 Tammuz 5777
Das jüdische München gestern und heute

Von Miriam Magall

Anfänge zwischen Hoffnung und Schrecken
Eine Regensburger Urkunde aus dem Jahr 1229 erwähnt einen jüdischen Zeugen: „Abraham von München“. Zu diesem Zeitpunkt leben also schon Juden in München; allerdings ist die Existenz weder einer Synagoge noch eines Friedhofs belegt. Aber für 1285 weiß man von schon einem ersten Pogrom: Alle Juden der Stadt werden in einem Haus, vermutlich in ihrem Betsaal, zusammengetrieben und dort verbrannt. Der Vorwurf lautet auf Ritualmord. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 180 und 67 Opfern.

Später wird Juden erneut der Zuzug nach München gestattet. 1349 wirft man ihnen vor, während der Pestepidemie die Brunnen der Stadt vergiftet zu haben. Zahlreiche Juden werden ermordet, die Überlebenden aus der Stadt vertrieben. Aber ab 1352 holt Herzog Ludwig V. die jüdische Gemeinde zurück und erlässt ihr für zwei Jahre die Judensteuer. 1370 werden den Juden in München alle Tätigkeiten außer dem Geldhandel untersagt. Dennoch baut die jüdische Gemeinschaft eine erste Synagoge. 1416 wird zum ersten Mal ein Friedhof erwähnt, d.h. es gibt eine eigenständige Gemeinde. Wo genau er sich befand, ist heute unbekannt.

Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts setzt im gesamten Reich die allgemeine Vertreibung von Juden ein; sie wandern entweder nach Osteuropa (vor allem Polen) aber auch nach Norditalien ab. 1442 trifft es die Juden in München. Herzog Albrecht III., bekannt wegen seiner Affäre mit Agnes Bernauer, weist alle Juden aus München aus. Ihre Synagoge wird – wie es in dieser Zeit so häufig der Fall ist – in eine Marienkapelle umgewandelt. Danach leben über 200 Jahre keine Juden mehr in München.

Ein neuer Anlauf in der Neuzeit dank jüdischer Geldgeber
Geld, viel Geld für seine prunkvolle Hofhaltung braucht Kurfürst Max Emanuel II. (1679-1726). So kommt es, dass ihm der jüdische Hoffaktor Gerson Daniel Oppenheimer aus Pfersee ab 1720 beträchtliche Geldmittel zur Verfügung stellt. Für die Hochzeitsfeierlichkeiten von Kurprinz Karl Albrecht und der Kaisertochter Maria Amalia und auch für sonstige Luxusbedürfnisse des Hofes leistet der Agent des Deutschen Ritterordens und pfalz-sulzbachische Oberfaktor Noe Samuel Isaak aus Mergentheim zwischen 1722 und 1725 gewaltige Finanzvorschüsse. Ebenfalls neuer Gläubiger des Kurfürsten wird der Wiener Oberhoffaktor und Bankier Simon Wolf Wertheimer, Sohn des Finanzmannes Samson Wertheimer, anlässlich der schon erwähnten Hochzeit.

Diese beiden und andere sind die ersten kurbayrischen Hofjuden im 18. Jahrhundert. Mit dem Zugang zum Hof bekommen sie auch eine Aufenthaltsberechtigung in München und dürfen im Kurfürstentum ihren Geschäften nachgehen. Diese Hofjuden bzw. Hoffaktoren bilden, wie in vielen anderen Städten im Reich, auch in München den Kern einer neuen jüdischen Gemeinschaft. Denn sie kommen nicht allein, begleitet werden sie von Mitarbeitern, Bediensteten und wohl auch einer ganzen Reihe von Verwandten.

Für das Jahr 1728 sind bereits 8 Haushalte mit insgesamt 17 Personen belegt, im Mai 1750 gibt es 20 Juden in 9 Haushalten. Sie dürfen noch keine Häuser erwerben, sondern sind, anfangs, in drei Gasthäusern im Tal untergebracht. 1763 richten sie eine erste private Betstube in der Wohnung von Simon Wolf Wertheimer im 2. Stock des Hauses von Franz Langer im Tal 13 ein, kaum mehr als ein langer schmaler Raum mit einem kleinen Thora-Schrank und Sitzplätzen für ungefähr 50 Männer. Und noch eine Neuerung: 1781 leben bereits 7 Ehefrauen in der Stadt. Übrigens dürfen Ehefrauen nach dem Tod ihrer Männer problemlos deren Geschäfte weiterführen.

Diese bestehen aus dem Münzhandel, d.h., Belieferung der kurfürstlichen Münze mit Edelmetallen; weiter versorgen sie den Hof mit Schmuck, Juwelen und kostbaren Stoffen; ebenso beliefern die Hoffaktoren die Armee mit Pferden und sind auch zuständig für die Verpflegung der Armee.
Als 1804 ihre Zahl auf 440 Personen gestiegen ist, wird das zum Anlass genommen, um 1813 ein Edikt zu verabschieden, das den berüchtigten Matrikelparagraphen 12 enthält. Damit ist das Aufenthaltsrecht auf jene beschränkt, die „eine Nummer (= „Matrikel“) haben“, und diese kann nur auf ein einziges Kind übertragen werden.

1815 wird die erste jüdische Gemeinde der Neuzeit gegründet; gefolgt, 1816, von der Einrichtung eines eigenen Friedhofs in der damals außerhalb der Stadt gelegenen Thalkirchner Straße, der bis heute existiert.
Im Juni 1824 erteilt die Regierung des Isarkreises die Genehmigung zum Bau einer Synagoge. Im Juli 1824 findet die Grundsteinlegung in Anwesenheit von Vertretern der Stadt statt, am 21. April 1826 erfolgt die feierliche Einweihung, bei der auch König Ludwig I. anwesend ist. Ihr Architekt ist der nichtjüdische Hofbaurat Jean Baptiste Métivier.

Mit dem Wegfall des Matrikelzwangs im Jahr 1861 ziehen immer mehr Juden nach München, sodass diese erste Synagoge bald zu klein wird. Man will eine neue, größere Synagoge für die wachsende Zahl von Gemeindemitgliedern. Um den Neubau zu finanzieren, wird die Métivier-Synaoge am 29. Oktober 1888 für insgesamt 206.000 Mark öffentlich versteigert. Heute befindet sich dort ein Parkplatz.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts: drei neue Synagogen
Im September 1887 wird die drittgrößte Synagoge in Deutschland (nach denen in Berlin und Breslau) in der Herzog-Max-Straße feierlich eingeweiht. Sie bietet Sitzplätze für 1.000 Männer und 800 Frauen. Ihr nichtjüdischer Architekt heißt Albert Schmidt (1841-1913). Diese große Synagoge ist von Anfang an mit einer eigenen Orgelempore über dem Thora-Schrank und natürlich mit einer Orgel ausgestattet.
Allerdings dürfen sich die Münchner Juden gerade einmal 51 Jahre an ihrer schönen Synagoge erfreuen. Am 7. Juni 1938 befiehlt Adolf Hitler höchstpersönlich ihren Abbruch. Schon am 8. Juli 1938, also beinahe ein halbes Jahr vor der so genannten Reichspogromnacht, ist es vollbracht. Heute erinnert ein Gedenkstein an diese Münchner Hauptsynagoge.

Die orthodoxe Synagoge Ohel Jakob
Nicht alle Gemeindemitglieder sind mit der liberalen Ausrichtung der neuen Münchner Hauptsynagoge glücklich. Deshalb dauert es nicht lange, bis sie eigene Betstuben organisieren und sich alsbald um den Bau einer eigenen Synagoge bemühen. Die vom nichtjüdischen Architekten August Exter errichtete Synagoge wird 1892 eingeweiht.
Wie viele andere Synagogen in ganz Deutschland wird auch diese orthodoxe Synagoge in der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüstet, in Brand gesteckt und später, eine Ironie, auf Kosten der Gemeinde abgerissen.

Die orthodoxe Synagoge in der Reichenbachstraße 27
Nach der Jahrhundertwende sowie nach dem Ersten Weltkrieg kommen zahlreiche Juden aus Osteuropa nach München und bleiben hier. Sie fühlen sich weder in der Münchner Hauptsynagoge mit der Orgel zu Hause, noch gibt es genügend Platz für sie in der orthodoxen Ohel-Jakob-Synagoge. Deshalb beten sie anfangs in kleinen Betstuben, sammeln aber Gelder und beauftragen schließlich den jüdischen Architekten Gustav Meyerstein (1899-1975) mit dem Bau ihrer eigenen Synagoge.
Am 5. September 1931 findet ihre feierliche Einweihung statt. Dieser Bau steht unauffällig im Hinterhof, das Gebäude zur Straße hin kam erst in den frühen 1950er Jahren dazu.
Vom 9. auf den 10. November 1938 wird diese Synagoge ihrer Lage im Hinterhof mitten in Wohnhäusern wegen nicht zerstört, denn das dabei entfachte Feuer hätte auf die angrenzenden Häuser übergreifen können. Daher wurde „nur“ das Innere zerstört.
Nach 1945 erhält die israelitische Gemeinde diese nach einer umfassenden Renovierung restaurierte Synagoge wieder zurück. Am 20. Mai 1947 wird sie ein zweites Mal eingeweiht. Einer der Festredner ist US-General Lucius D. Clay.

Erster Exkurs: Verfolgung und Deportation der Münchner Juden
Vor 1933 leben rund 13.000 Juden in München, nach 1939 sind es nur noch 4.535. Die Kultusgemeinde muss samt ihrer Verwaltung im November 1938 in eine stillgelegte Fabrik im Rückgebäude der Lindwurmstraße 127 umziehen. Dieses Gebäude wurde ursprünglich von Albert Einsteins Onkel erbaut, heute befindet sich die Münchner Volkshochschule darin. Im ehemaligen Maschinensaal wird ein Betsaal eingerichtet.
Seit April 1939 vertreiben die Nationalsozialisten jüdische Bürger aus ihren Wohnungen, die „arisiert“ werden; sie müssen in so genannte „Judenhäuser“ einziehen. Im September 1941 wird das Tragen des „Judensterns“ obligatorisch. Ab Oktober 1941 ist keine Auswanderung mehr möglich. Am 20. November 1941 verlässt der erste Zug mit 1.000 Münchner Juden den Güterbahnhof Milbertshofen in Richtung Osten. Vorher hat man die Juden in einem Barackenlager, der so genannten „Judensiedlung“ (Ecke Knorr-/Troppauer Straße) untergebracht. Von dort heißen die Stationen: Theresienstadt - Kaunas - Piaski - Auschwitz. In Berg am Laim entsteht ein zweites Ghetto. Vor ihrer Deportation werden die so gefangenen Juden erst einmal zur Zwangsarbeit herangezogen. Am 30. Juni 1943 kann die „Arisierungsstelle“ ihren Abschlussbericht vorlegen und dem „Oberbürgermeister der Hauptstadt der Bewegung“, Karl Fiehler, „die Lösung der Judenfrage im gesamten Gaugebiet“ melden.
Je nach Quelle überleben in der Stadt selbst zwischen 57 und 84 Juden. Von den insgesamt 4.535 Deportierten kehren ca. 130 nach München zurück. An diese aus München deportierten Juden erinnern die Gedenktafeln, die den 30 Meter langen „Gang der Erinnerung“, die unterirdische Verbindung zwischen Synagoge und Gemeindehaus, zieren.

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