Eine jüdische Hochzeit in Deutschland ist immer ein besonderes Ereignis, in Berlin aber schon seit Jahren keine Seltenheit mehr. Viele Paare – ob jung oder schon älter – entscheiden sich für eine Chuppa, und es werden zunehmend mehr. Die Voraussetzung dafür ist die Zugehörigkeit beider Partner zum Jüdischen Volk, das heißt, dass man Sohn oder Tochter einer jüdischen Mutter oder erfolgreich zum Judentum konvertiert ist. Entscheidet sich ein glückliches Paar, das die Voraussetzungen erfüllt, zum Großen Schritt und fühlt sich wirklich bereit, dann sollte zunächst ein passender Rabbiner gesucht werden. Er erklärt die genaue Vorgehensweise und begleitet das Paar dann durch die turbulente Zeit der Hochzeitsvorbereitungen.
Etwas ganz Besonderes, das ein integraler Bestandteil einer jüdischen Hochzeit ist, findet bereits am Tag vor der Chuppa statt. Es ist das rituelle Untertauchen der Frau in einer Mikwa – Berliner Frauen haben beispielsweise sogar drei wunderbare Mikwaot zur Auswahl. Mit der Rabbanit sollte die Kalla – so wird eine jüdische Braut genannt – unbedingt die wichtigsten Halachot – die Gesetze des Untertau- chens – einige Zeit vor dem Mikwa-Besuch lernen, um das richtige Verständnis für diesen einzigartigen Vorgang zu entwickeln. Nur dann kann sich das großartige und höchst inspirierende Gefühl der Befreiung und des wahren Neuanfangs erst entfalten. Mit dem Gang zu einer Mikwa erreicht die Frau den höchsten Grad der spirituellen Reinheit und ist für den großen Tag bereit.
Im Optimalfall lernt das Paar auch die wichtigsten Regeln für den Umgang miteinander. Um einen Führerschein zu erhalten, müssen wir sowohl schriftliche als auch praktische Prüfungen bestehen. Und obwohl die Ehe wesentlich komplizierter und herausfordernder als Autofahren ist, existieren keine Fragebögen, durch welche ein Paar die Regeln für «vorausschauende Verhaltensweisen» lernen könnte. Die berühmte amerikanische Lektorin Lori Palatnik sagte vor einigen Wochen während ihrem ersten Auftritt in Berlin: «Wenn jedes Paar genau so viel Zeit in die innere Vorbereitung auf das Eheleben wie in die materielle Hochzeitsplanung investieren würde, hätten wir eine wesentlich niedrigere Scheidungsrate.» Mrs. Palatnik deutet hier auf das Lernen über Schalom Bait hin. Schalom Bait ist eine Art tiefsinniger jüdischer Beziehungslehre. Es ist ein beinahe verlorenes Wissen, das heute jedoch von immer mehr jungen Paaren neu entdeckt wird, die das Glück, Harmonie und Verbundenheit in der Ehe bewusst zu höchsten Priorität erheben möchten. Für mehr In- formationen dazu lesen Sie mehr im Netz oder fragen Sie Ihren Rabbiner.
Der große Tag
Am großen Tag sitzt nun die weißgekleidete, perfekt geschminkte und frisierte Kalla auf einem Ehrenplatz. Ihre Mutter und die werte Schwiegermutter sollten je rechts und links von ihr auf speziell dekorierten Stühlen platziert werden. Das nennt sich Kabbalat Panim – das Empfangen der Gäste. Die ankommenden Gäste sprechen der Reihe nach allen drei Frauen ihre Glückwünsche gesondert aus, wobei sie mit der Mutter des Bräutigams an- fangen sollten. Das traditionelle «Mazal tov» darf hierbei freilich nicht fehlen. Au- ßerdem wünscht man eine gesegnete Ehe, gesunden Nachwuchs, Parnassa und all die anderen guten Dinge.
Die Gäste können außerdem die Kalla um eine Bracha – einen Segen – bitten. Die Braut hat an ihrem Hochzeitstag nämlich eine Art «übernatürlicher Kräfte»: Sie darf Menschen segnen. Sie kann darum gebeten werden, für die Genesung eines bestimmten Kranken zu beten oder für ein noch kinderloses Paar. Auch für baldiges Heiraten von noch einsamen Menschen kann sie ein Gebet sprechen. Die Kalla und der Chatan – der Brätigam – sollten den ganzen Tag weder gegessen noch getrunken haben – für sie ist es ein kleiner Jom Kippur, daher kommt ihre besondere Heiligkeit und die Fähigkeit, Segen zu erteilen. Also das nächste Mal nicht zögern und einfach um eine Bracha bitten!
Während die Damen diese emotionsgeladenen Momente genießen, glückliches Lächeln austauschen und auch mal und die eine oder andere Träne die Rouge-Wange herunter kullert, beschäftigt sich der Rabbiner völlig ernsthaft mit der Ketuba. Die Ketuba ist der jüdische Ehevertrag und wird unter wachsamen Augen der Väter der Braut und des Bräutigams nun nochmals durchgegangen.
Von Rebbetzin Julia KONNIK
Komplett zu lesen in der Druckausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier abonnieren oder hier einen Kennenlernen-Exemplar bestellen.